Judäa, 73 vor Christus.
Drei Jungen wurden geboren: Jonathan – Sohn des Schlomo ben Ahitub, Oberhaupt einer einflussreichen alten Priesterfamilie in der Tradition des Zadoks, Priester von König David –, Silas – Sohn des Josuaben Hanani, Mitglied einer jungen hellenistisch geprägten Priesterfamilie, die sich der Tradition des Priesters Pinhas, Enkel des Aarons, verpflichtet fühlte– und Herodes – Sohn des Antipater, der als Strategos das Gebiet von Idumäa verwaltete. Die Buben wuchsen heran, ein jeder lernte sein Handwerk, zwei das Gebet, einer die Politik.
Judäa, Frühjahr 58 vor Christus
„Soldaten!" Die Stimme des Jungen, der gerade zur Tür hereingestürzt war, klang schrill. Augenblicklich unterbrachen Menachem und die übrigen Männer das Gespräch. Sie blickten auf Ammon, den kleinen Ziegenhirten, der noch immer so atemlos war, dass es ihm nur mühsam stammelnd gelang zu berichten, was er beobachtet hatte. „Sie haben Schilder und Schwerter", japste der Kleine aufgeregt. „Ich habe sie vom Hügel gesehen und bin gleich losgerannt. Sie waren beim verdorrten Baum." Seine Augen funkelten wild und es war unklar, ob es mehr die Angst war, die sich in ihnen spiegelte, oder die Aufregung darüber, dass sich bei ihm zuhause in dieser winzigen Siedlung fernab der Handelsrouten endlich etwas Nennenswertes ereignen sollte.
„Sie suchen dich", unterbrach Schimon den Jungen, während der noch mit seinen Fingern zu zeigen versuchte, wie viele Soldaten er gesehen hatte.
Menachem nickte ernst. „Seit dem letzten Überfall auf die Patrouille bei Adasa lassen sie uns keine Ruhe."
„Ich dachte, es war niemand von deinen Leuten beteiligt?" erkundigte sich Silas forschend.
„Es war niemand von uns dabei. Aber sag das den Römern", erwiderte der andere.
„Darum geht es nicht", herrschte sie Schimon an, während er bereits begonnen hatte, ihre wenigen Habseligkeiten zu Bündeln zusammenzuschnüren. „Sie brauchen einen, den sie bestrafen können, das ist alles."
In dem Moment kam Ammons Vater herein. Verärgert stellte er seinen Sohn zur Rede, warum er die Ziegen allein zurück gelassen hatte.
„Er hat Soldaten entdeckt und kam, um es uns zu berichten", mischte sich Jonathan ein, als gelte es den Jungen vor dem Zorn seines Vaters zu schützen. Und während der den Kleinen noch misstrauisch betrachtete, fügte Jonathan rasch hinzu: „Wir sind ihm sehr dankbar."
Jetzt trat auch Menachem an den Hausherren heran: „Josef, Gott vergelte dir deine Gastfreundschaft. Aber wir können nicht bleiben. Die Römer suchen mich. Sie dürfen mich nicht in deinem Haus finden, verstehst du?"
„Genug geredet", fuhr Schimon den Lehrer an und drückte ihm zugleich ein Bündel mit Kleidung und Proviant in die Arme. „Wir müssen fort."
„Maskil", warf Josef beinahe bittend ein, „wir sind nur wenige Männer in der Siedlung, aber wir können kämpfen. Wir werden euch den Römern nicht ausliefern."
„Nein", erwiderte Schimon scharf und es war klar, dass er keinen Widerspruch duldete.
„Sag ihnen, wir sind weitergezogen, und ihr werdet nichts zu befürchten haben", sagte Menachem mit einer für die allgemeine Anspannung eigenartigen Sanftheit. Dann legte er dem Mann segnend die Hände auf das Haupt und murmelte leise ein paar Worte des Gebets. Für einen Augenblick schien die Zeit still zu stehen und nicht einmal Schimon wagte es, den Lehrer beim Beten zu unterbrechen. Dann verließen sie hastig die Hütte. Im Gehen wandte sich Jonathan noch einmal um und rief:
„Ammon, lauf zurück und kümmere dich um die Ziegen. Ein guter Sohn tut, was ihm der Vater befiehlt." Aus den Augenwinkeln konnte er den unwilligen Gesichtsausdruck des Kleinen sehen und auch, wie er schließlich mit einem Seufzen in Richtung Hügel davon trottete.
Menachem und seine Männer gingen, so schnell es die Bodenverhältnisse, ihr Gepäck und die Hitze zuließen. Jonathan dachte dabei insgeheim an die Pferde seines Vaters und ärgerte sich darüber, dass es ihm nicht erlaubt war, nach eigenem Dafürhalten über die wertvollen Tiere zu verfügen. Sie waren noch nicht außerhalb der Sichtweite der Siedlung, als Silas die anderen auf einen Felsvorsprung aufmerksam machte, der sich als Versteck zu eignen schien.
„Die Römer werden nicht damit rechnen, dass wir so nah am Dorf bleiben", meinte er.
Schimon nickte nachdenklich und ging ein paar Schritte weiter. Dann kehrte er zurück und sagte: „Davon abgesehen haben wir keine große Wahl. Da vorne kommt nichts als eine weite Ebene, wir wären ihnen schutzlos ausgeliefert."
„Wir bleiben hier", entschied Menachem.
„Und wenn sie uns finden, sterben wir gemeinsam", fügte Jonathan leise hinzu.
„Wenn sie uns finden, kämpfen wir gemeinsam", korrigierte ihn Silas gereizt. Dann schwiegen sie und ein jeder suchte eine Position, die ihm ausreichende Deckung zu bieten schien.
"Zumindest haben wir das Leben der armen Menschen dort gerettet", sagte Jonathan wie zu sich selbst.
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Priester und Könige
Historical FictionJerusalem, im Frühjahr 58 vor Christus. Jonathan und Tabitha sind die Kinder zweier einflussreicher jüdischer Priester. Im Sinn ihrer eigenen Machtinteressen befürworten ihre Väter eine Eheschließung und auch Jonathan und Tabitha sind einander in Li...