Abschaum

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Tabitha antwortete nicht gleich. Sie hätte Eleazar anbrüllen wollen oder aber um Gnade für den Sklaven bitten oder beides zugleich. Doch sie fühlte sich wie versteinert. „Es scheint mir schlimmere Verbrechen zu geben", entgegnete sie daher nur knapp.

„Gewiss", erwiderte Eleazar genüsslich. „Aber die werden auch härter bestraft."

Tabitha lachte bitter auf. Wenn ihr meint, dass mir eure Brutalität und Willkür bewundernswert erscheinen, wollte sie sagen, dann täuscht ihr euch. Doch sie tat es nicht. Sie nahm ein Stück Granatapfel und begann lustlos davon zu essen. Zumindest sollte Eleazar nicht denken, dass er sie besonders beeindruckt hatte.

„Ihr habt also Wohlgefallen an meinem Lustsklaven gefunden, wie ich feststelle", hörte sie da Eleazars kalte Stimme und erschrak. Was, wenn Kyron der nächste war, an dem er seine Wut auslassen würde?

„Wohlgefallen ist zu viel", antwortete sie daher schnell. „Er ist ein netter Junge, das ist alles."

Eleazar strich sich mit beiden Händen durch das Haar. „Ein netter Junge", wiederholte er ironisch und ließ dabei seine Zunge über die leicht geöffneten Lippen gleiten. „Ein netter Junge, sagt ihr also." Er atmete tief aus und schloss seine Augen, als wollte er auf diese Weise ein Bild aus seiner Erinnerung zurückholen. „Ja, das ist er wohl", fügte er nach einer Weile hinzu und der Spott, der in seinen Worten lag, machte Tabitha Angst. In dem Moment öffnete sich die Tür und Meschach trat ein. Bevor er zu sprechen begann, verbeugte er sich ehrfürchtig vor Eleazar.

„Mein Herr, es sind Besucher eingetroffen. Wollt ihr sie empfangen?"

„Wer?" fuhr in Eleazar schroff an.

„Libni ben Gerson, Asbal ben Rapha, ein Gesandter des römischen Offiziers und Achior." Meschach hielt seinen Kopf noch immer tief gesenkt. Er schien zu warten. Ob auf einen Befehl oder auf unbegründete Schläge, war unklar.

„Schick mir Achior!" befahl Eleazar und bald darauf erschien sein Handlanger. Er deutete eine leichte Verbeugung an, ging dann wie selbstverständlich auf die freie Kline neben Eleazar zu und wollte sich gerade setzten, als die Worte des Hausherren ihn daran hinderten.

„Wer hat gesagt, dass du dich setzen darfst?" fragte Eleazar leise und die Ruhe, die dabei von ihm ausging, hatte etwas Bedrohliches.

„Ich bitte um Verzeihung, mein Herr", erwiderte Achior mit einer Mischung aus Erstaunen und Ironie, ging ein paar Schritte in die Mitte des Raums und blieb vor Eleazar stehen.

Eleazar musterte ihn mit einem missbilligenden Blick. „Deine Haltung gefällt mir nicht", bemerkte er scheinbar teilnahmslos.

Achior stellte sich etwas strammer hin, senkte leicht den Kopf und richtete die Augen auf den Boden.

Eleazar wartete. „Noch immer nicht", sagte er schließlich und weidete sich an der Unsicherheit, die den anderen mittlerweile erfüllt hatte. Achior zögerte einen Moment, dann kniete er sich vor Eleazar nieder. „Habt ihr schlecht geschlafen, mein Herr?" erkundigte er sich in einem letzten Aufbegehren.

„Ganz und gar nicht", gab Eleazar mit gespielter Freundlichkeit zurück. „Noch dazu habe ich diesen herrlichen Tag mit einem Kelch erlesenem Honigwein begonnen, an der Seite meiner bezaubernden Gattin." Er wartete eine Weile und Tabitha wusste, dass sich die kurze Zeitspanne für Achior wie eine Ewigkeit anfühlen musste. "Ich will dir nur helfen", fuhr Eleazar schließlich fort. "Ein wenig Demut wird dir nicht schaden, wenn du mir dein Geständnis unterbreitest."

„Was für ein Geständnis?" fragte Achior vorsichtig. Wut und Trotz waren aus seiner Stimme gewichen. Eleazar antwortete nicht. Der Raum war von einer bedrückenden Stille erfüllt, von draußen konnte man gedämpft Joas Schreien erahnen. Achior fühlte sich in seiner Lage sichtlich unwohl. Er war zwar bemüht ruhig zu halten, doch es gelang ihm nicht. Immer wieder verlagerte er sein Gewicht von einem Knie auf das andere, bewegte die Schultern oder strich sich ein Haar aus der Stirn. Tabitha überlegte, ob sie aufstehen und fort gehen konnte, blieb aber liegen.

Priester und KönigeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt