Ein geraubter Sieg

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Gerade wurde ein neuer Gang serviert, doch Tabitha deutete dem Sklaven, dass er sie nicht zu bedienen brauchte. Ihr war nach wie vor übel und auch ihr Puls hatte sich noch nicht beruhigt. Zumindest spürte sie jetzt wieder die Bewegungen ihres Kindes, was ihr eine gewisse Zuversicht gab. Sie vermied es also, Marc Anton, der sich inzwischen wieder auf seiner Kline niedergelassen hatte, große Aufmerksamkeit zu schenken und richtete ihren Blick stattdessen auf die Künstler, deren Darbietungen ohnehin kaum jemand beachtete. Die übrigen Gäste waren nämlich ganz damit beschäftigt, zu essen, zu trinken, sich von Dirnen und Lustsklaven umgarnen zu lassen und bei alldem den jeweiligen Gegner nicht aus dem Auge zu verlieren. Viele Herausforderungen auf einmal für einen einzelnen Mann, spottete Tabitha innerlich, konnte sich aber nicht recht an der Ironie erfreuen.

„In Damaskus hat sich die Schlampe in das Schlafgemach des Gabinius geschlichen!", schimpfte Marc Anton, der im Unterschied zu Antipater und Herodes tatsächlich betrunken war. Vater und Sohn nämlich hatten den Wein bisher kaum angerührt, weshalb Tabitha davon ausging, dass sie ihren angeheiterten Zustand lediglich vortäuschten. „Sie waren einander ja schon in Rom sehr nah", fügte er boshaft hinzu. Er wollte sich räuspern, aber es kam nur ein geräuschvolles Rülpsen über seine Lippen. „Die Frau eines Priesters und eines Königs," grölte er, „Hure eines römischen Konsuls."

Antipater und Herodes lachten ausgelassen und prosteten dem Römer zu. Eleazar dagegen beobachtete die Szene ruhig und hob seinen Kelch nur so weit an, wie es die Höflichkeit gebot. Wenn Marc Anton und Antipater sein Haus gut gelaunt und im besten Fall sogar versöhnt verlassen würden, wäre das auch für ihn und seine eigene Karriere ein klarer Vorteil. Denn Eleazar benötigte die Unterstützung der Römer, damit er mit ihren Soldaten und Waffen die Stärke seiner eigenen Truppe erhöhen konnte. Langfristig musste er sich aber auch Antipater als Verbündeten halten, denn die Römer würden nicht für immer in Jerusalem bleiben. Zu allererst aber war es entscheidend, dass es ihnen endlich gelingen würde, mit vereinten Kräften der Revolte von Aristobolus und Alexander ein Ende zu setzen.

„Darf man fragen, wie die Pläne des Gabinius aussehen?", fragte Eleazar vorsichtig, denn gerade war das Gespräch ein wenig ins Stocken geraten.

Marc Anton reagierte zunächst mit einer abfälligen Geste. „Was weiß ich!", rief er dann aus und Tabitha erschrak einmal mehr, wie roh und unangemessen derb seine Stimme klang. „Vermutlich zielt er in erster Linie auf die Eroberung des Gesäßes einer gewissen jüdischen Prinzessin ab."

Offenbar empfand Marc Anton seine Bemerkung als besonders gelungen, denn er lachte laut und klatschte kräftig in die Hände. Er nahm noch einen Schluck Wein, musste ihn aber zu hastig getrunken haben, denn er würgte und erbrach sich unmittelbar darauf in einem großen Schwall. Sofort eilten Sklaven herbei, denen es in kürzester Zeit gelang, das Geschehene unsichtbar zu machen. Zwei von ihnen brachten eine Schale und einen Krug mit frischem Wasser, sodass Marc Anton sich die Hände und das Gesicht waschen konnte. Das kalte Wasser zeigte seine Wirkung, denn der Reiterführer war mit einem Mal wieder ernst, dafür aber auch unversöhnlich und von einer eigenartig unterdrückten kalten Aggression.

„Wir hatten sie eingenommen, die verdammte Festung", dozierte er böse und ging dabei knapp vor den Klinen der übrigen Gäste auf und ab, fast so, wie es Eleazar zuvor getan hatte. Während das Gehen des Hausherren allerdings etwas Nachdenkliches an sich hatte, waren die Schritte des Römers voll von einer bedrohlichen Wut, die jederzeit ausbrechen konnte. „Aristobolus war bereit zu kapitulieren", fuhr er fort. „Denn auch sein neuer Freund, Peitholaus, dieser hinterhältige Verräter, hatte kaum noch Männer anzubieten, die auf zwei Beinen stehen, geschweige denn ein Schwert führen konnten. Es hätte nur noch einen letzten, schnellen und scharfen Frontalangriff benötigt. Sie hatten nicht die geringste Aussicht, ihre erbärmliche Mauer zu halten."

Priester und KönigeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt