Die Palmen des Eleazar

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Überhaupt war die Bevölkerung von einer eigenartigen Anspannung erfüllt. Das mochte in erster Linie daran liegen, dass sich inzwischen herumgesprochen hatte, dass es nicht nur auf dem Weg zwischen Jericho und Jerusalem regelmäßig zu Scharmützeln kam, sondern auch in der Festung Alexandreion, wo sich die Rebellen verschanzt hatten, die Tabitha manchmal, wenn sie ihren Mann ärgern wollte, Widerstandskämpfer nannte. Eleazar selbst befehligte eine kleine Garnison aus jüdischen Soldaten und verfolgte gemeinsam mit Marc Anton und dessen berittener Kohorte hauptsächlich das Ziel, Aristobolus und seinen Anhängern die Versorgungswege abzuschneiden. In der Zwischenzeit war auch Herodes aus Rom zurückgekehrt und hatte gemeinsam mit seinem Bruder Phasael die Kontrolle über die Gegend nördlich von Jerusalem übernommen, während Eleazar und Marc Anton für das Gebiet um Jericho zuständig waren.

Wenngleich die Verbindungwege nach Galiläa politisch gesehen wichtiger waren als die Landstriche, die Eleazar patrouillierte, widmete der sich seiner Aufgabe doch mit großem Ernst. Nicht zuletzt, weil sie wirtschaftlich sehr einträglich war, wie Tabitha von Kaleb wusste. Gerade in der letzten Zeit waren Eleazars Einnahmen stark zurückgegangen. Denn da die Kaufleute die unsicheren Handelsstraßen in der Region zunehmend mieden, hatten seine Handlanger kaum mehr die Gelegenheit, Tribute zu kassieren. Der Kampf gegen die Rebellen jedoch glich den finanziellen Schaden recht gut aus. Dank der guten Beziehungen von Antipater konnte Eleazar die beschlagnahmten Waren nämlich an die Römer weiterverkaufen und die gefangen genommenen Kämpfer nach Ägypten oder Griechenland verschiffen lassen, um  dort am Sklavenmarkt mit ihnen zu handeln. Die Geschäfte waren nicht ungefährlich, dafür aber äußerst rentabel. Kaleb, der seinen Herren begleitete, musste daher immer wieder nach Jericho zurückkehren, um die Sklavenkarawanen zu planen und sich um die wichtigsten Geschäfte der Bezirksverwaltung zu kümmern. Auch berichtete er Tabitha bei solchen Gelegenheiten gerne mit spektakulären Schilderungen von den Abenteuern ihres Gattens und überbrachte ihr kleine Aufmerksamkeiten, die Eleazar ihm für sie mitgegeben hatte.

Alexandra und Tabitha hatten inzwischen das Anwesen des Bezirksvorstehers erreicht. Das Herrenhaus war in die Schräge des Hügels, der die Stadt nordwestlich umrahmte, hineingebaut worden und bestand aus zwei Flügeln, die rechts und links neben einem großen zentralen Saal angeordnet waren. Die vordere Front des Palastes war offen und mit einer doppelten Säulenreihe verziert, eine lange steinerne Treppe führte den kleinen Tross hinauf zum Haupteingang. Es war geplant, dass Hyrkans Tochter in der Nacht im Winterpalast des Königs logieren sollte, den Nachmittag aber mit Tabitha verbringen würde. Als die Wachen das Tor der Einfriedung hinter ihnen schlossen, atmete Tabitha erleichtert auf. Sie war froh, die laute Menschenmenge, die ihnen bis zuletzt gefolgt war, draußen auf der Straße zurückgelassen zu haben. Und auch den Soldaten merkte man eine gewisse Erleichterung an. Jetzt, da sie nicht mehr ihre ganze Aufmerksamkeit benötigten, um die Prinzessin vor möglichen Angriffen zu schützen, schienen ihre Bewegungen ruhiger. Manch einer hatte sogar seine stramme Haltung abgelegt und ließ den Blick nun neugierig über das Anwesen jenes Mannes schweifen, der selbst bei den Römern für seinen Reichtum wie seine Grausamkeit bekannt war. Sie werden recht enttäuscht sein, dass sie nicht alle meine Privaträume betreten dürfen, dachte Tabitha mit einem Schmunzeln.

„Ihr habt es schön hier", hörte sie da Alexandra sagen und ermahnte sich bei deren Worten innerlich, von nun an eine bessere Gastgeberin zu sein. Bis jetzt nämlich hatte sie ihrem hohen Besuch noch gar nichts von ihrem neuen Zuhause und dem Leben in Jericho erzählt.

„Ja", erwiderte Tabitha daher schnell, „in der Nähe fließt sogar ein recht großer Bach, der Prat. Die Einfriedungen dienen natürlich unserer Sicherheit, aber sie stützen zugleich auch die Stallungen und enthalten Lager und Zimmer für die Dienerschaft." Sie unterbrach sich, denn sie hatte den Eindruck, dass sich Alexandra für ihre Ausführungen nicht besonders interessierte.

„Und dein Mann, Eleazar", unterbrach sie die auch prompt und tat so, als ob sie der Freundin nun etwas ins Ohr flüstern wollte. „Lebt er so verschwenderisch, wie man hört?"

„Nein", entgegnete Tabitha etwas zu entschlossen und ohne nachgedacht zu haben. Denn natürlich konnte man Eleazars Lebensstil auch nicht gerade als bescheiden bezeichnen. Trotzdem gefiel ihr die Missgunst nicht, mit der Alexandra von ihm gesprochen hatte, und sie spürte das Bedürfnis, ihren Mann zu verteidigen. Da fiel ihr Blick zufällig auf die in Viererreihen angeordneten prächtigen Dattelpalmen. „Zum Beispiel die Palmen", fuhr sie fort, „Eleazar hat sie nicht nur zur Zierde angeschafft oder weil sie Schatten spenden, er lässt aus ihren Früchten Dattelwein herstellen, mit dem er handelt."

Alexandra hob ein wenig die Augenbrauen und tätschelte Tabitha die Hand, ganz so als wäre sie ein kleines Mädchen, das gerade etwas bemitleidenswert Dummes gesagt hatte. „Der Geiz ist oftmals ein Gefährte der Verschwendungssucht, meine Liebe," meinte sie. Tabitha antwortete nicht, zog aber ihre Hand zurück und wies Alexandra mit einer Geste den Weg. Die Freude über ihren Besuch war mit einem Mal verflogen.

Schweigend nahmen die beiden Frauen auf den Klinen Platz. Sofort eilten Sklaven herbei und boten der Prinzessin die kleinen, herrlich anzusehenden Häppchen aus getrocknetem Fisch und Oliven an. Doch Alexandra wehrte ab. Zugleich winkte sie Mirjam zu sich, an die sie sich möglicherweise noch aus der Zeit in Jerusalem erinnerte, und erteilte ihr leise einen Befehl, den Tabitha nicht verstehen konnte. Kurz darauf wurden in Honig eingelegte Datteln serviert. Alexandra reagierte nicht mit dem kleinsten Zeichen des Dankes, sprach dafür aber umso mehr dem Wein zu, mit dem die Diener die Kelche der beiden Adeligen gefüllt hatten. Tabithas Laune hatte sich noch nicht gebessert. Sie nahm lustlos von den Speisen und nippte ein wenig an dem Glaskelch, ein weiteres Kunstwerk, dessen Anschaffung Eleazar viel Mühe und Geld gekostet hatte. Alexandra hatte unterdessen begonnen, den Jerusalemer Tratsch in allen Details vor ihr auszubreiten.

Was bin ich für ein Mensch geworden, dass ich kaum noch eine Gesellschaft ertragen kann, fragte sich Tabitha. Ich bin beinahe schon so menschenfeindlich wie mein Mann. Alexandra jedenfalls fuhr ungeachtet der fehlenden Reaktionen ihrer Freundin zu erzählen fort. Zumindest Mirjam hat ihre Freude an den neuesten Gerüchten, überlegte Tabitha belustigt, denn es war nicht zu übersehen, dass ihre Magd, die eigentlich nur die Aufgabe hatte abzuwarten, ob man ihr weitere Befehle erteilen würde, gebannt an den Lippen der Prinzessin hing. Tabitha wandte sich Alexandra nun bewusst zu und ermahnte sich zumindest zuzuhören. Möglicherweise würde all das Belanglose die eine oder andere Information enthalten, die Eleazar interessieren könnte.

„Stell dir nur vor, Tabitha", schwatzte Alexandra gerade, „nicht nur dieser Mistkerl Aristobolus ist wieder im Land, auch seine Frau ist aus Rom angereist." Sie machte eine kleine Pause und setzte dabei eine verschwörerische Miene auf. Mirjam trat noch einen kleinen Schritt an die Kline heran, wohl weil die Prinzessin ein wenig die Stimme gesenkt hatte. „Sie hat sich aber nicht nach Jerusalem geleiten lassen, sondern direkt nach Damaskus!"

Alexandra lachte affektiert und schüttelte gleich darauf missbilligend den Kopf, denn es war offensichtlich, dass Tabitha das nötige Hintergrundwissen fehlte und sie die Pointe daher nicht verstanden hatte. Kurz warf sie Mirjam einen Blick zu und es schien ihr, als ob die dem Gesagten durchaus eine Bedeutung abzugewinnen vermochte. Vielleicht sollte ich Mirjam meine Kline anbieten, dachte Tabitha missmutig. Sie wäre für Alexandra bestimmt die bessere Gesprächspartnerin.

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