Zwischen Ernst und Spiel

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„Armer Kyron", wiederholte Eleazar, „ihr hattet damals entschieden, allein nach Jerusalem zu gehen." Er wirkte gleichgültig. „Es begann wie ein Gespräch unter Männern."

„Er hat euch keine bessere Antwort geben können, weil es diese Art von Nähe zwischen uns nicht gegeben hat", stieß Tabitha hervor. Nun war sie es, die ihrem Gatten den Satz abgeschnitten hatte. Sie stand auf. Ging ein paar Schritte auf die Luke zu und öffnete endlich den Laden. Doch es hatte inzwischen zu dämmern begonnen und so änderte sich nicht viel an der Dunkelheit des Kämmerchens.

„Wir sind alle mit der Knute aufgewachsen," hörte sie Eleazar sagen und es klang beinahe wie eine Entschuldigung. Tabitha wartete. Sie bückte sich, um durch die kleine Öffnung sehen zu können. Ruhig lagen die Gärten da, die Blätter der Palmen wiegten sich leicht im allmählich aufkommenden Wind. Eleazar musste wieder damit begonnen haben, mit seinem Messer zu spielen. Das Geräusch, das er dabei erzeugte, war leise, aber unverkennbar. Er hätte tot sein können, sagte sich Tabitha, ohne Nachkommen in den Scheol hinabgestiegen.

Sie wandte sich wieder ihrem Mann zu. „Ich will ein Kind von euch", stellte sie fest und erschrak zugleich über den fordernden Tonfall ihrer Stimme. „Heute ist ein guter Tag," fügte sie daher etwas weicher hinzu.

Eleazar wirkte überrascht, vielleicht lächelte er sogar. Tabitha konnte es nicht sehen, denn auf seinem Gesicht lag ein dunkler Schatten.

„Ihr denkt, ihr könnt den Lauf der Welt mit eurem Willen bezwingen", erwiderte er ruhig und für einen kurzen Moment meinte Tabitha, etwas wie Anerkennung in seinen Worten gehört zu haben. Eleazar hatte inzwischen das Messer wieder in das Holzstück getrieben und seine Position ein wenig verändert. Er ruhte mit halb aufgerichtetem Oberkörper auf den Getreidesäcken und beobachtete sie aufmerksam.

Tabitha schwieg, sie war unsicher und ging in Gedanken die Gespräche mit der Mutter durch, ob sie nicht vielleicht doch etwas Brauchbares enthalten hatten. Immerhin hatte sie in ihrem Leben viele Kinder zur Welt gebracht und wohl auch empfangen. Sanft und wohlgefällig, wiederholte sie innerlich, jedoch ohne Überzeugung. Zumindest könnte ich mein Haar lösen, dachte sie, doch dann fiel ihr ein, dass das unmöglich war. Die vielen kleinen Perlen und Nadeln, die ihre Mägde verarbeitet hatten, würden sich nicht mit ein paar Handgriffen lösen lassen, und am Ende hätte sie nur ihr Kunstwerk zerstört und nicht ihrem Mann signalisiert, dass sie von ihm begehrt werden wollte.

Eleazar schien noch immer zu warten. Er lächelte. „Dann verschafft euch euer Kind", sagte er endlich und es klang wohlwollend.

Tabitha zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Wie soll das geschehen?", rief sie aus und kam sich dabei dumm vor und unbeholfen.

Eleazars Lächeln war nun noch breiter, doch ohne Spott. Mit der linken Hand, die er wegen der Schiene nur ein wenig bewegen konnte, deutete er ihr, zu ihm zu kommen. „Ich möchte nicht vulgär wirken", flüsterte er, „aber ihr versteht es, ein Pferd zu reiten."

Tabitha sah ihn entsetzt an. Es war nicht sein Angebot, das sie erschreckte, sondern dass sie begriff, wie wenig sie selbst von der Kunst der Liebe wusste. Zuhause bei ihren Eltern hatte sie die Freundinnen stets unterbrochen, wenn eine von ihnen das Gespräch darauf gebracht hatte. Und nach der Sukkot-Nacht hatte sie umso mehr versucht, jeden Gedanken von sich fernzuhalten, der etwas mit der fleischlichen Verbindung zwischen Mann und Frau zu tun hatte. Tabitha seufzte. Ich hätte mit Kyron sprechen können, sagte sie sich. Ich hatte jede Gelegenheit mich vorzubereiten und habe es doch nicht getan.

„Mein Täubchen", begann Eleazar sanft. „Es ist hilfreich, die Kleidung abzulegen."

„Natürlich", antwortete sie schnell und begann sich mechanisch zu entkleiden. Zumindest damit sollte ich nicht überfordert sein, spottete sie innerlich und ärgerte sich im gleichen Moment. Denn tatsächlich war ihre Tunika so eng und der mit Stärke behandelte Stoff derart hart, dass sie Mühe hatte, sich daraus zu befreien. Als es ihr endlich gelungen war, zitterten ihre Hände und die Tränen standen ihr in den Augen.

Priester und KönigeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt