Bilder im Kopf

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„Schenkt ihr mir eure Aufmerksamkeit?", flüsterte Eleazar und Tabitha zuckte schuldbewusst zusammen. Eleazar dagegen lächelte nur. Langsam begann er, sie zu entkleiden, löste ihren Schal, legte seine Armreifen ab. „Denkt ihr an den jungen Priester, dem ihr versprochen wart?", fragte er mit ruhiger Stimme und fuhr unterdessen unbeirrt damit fort, wie in einem Spiel bald eines der ihren, bald eines der eigenen Kleidungsstücke auf den Boden gleiten zu lassen.

„Ich habe an ihn gedacht", erwiderte Tabitha nach einer Weile, „aber ich werde es nicht mehr tun."

Eleazar schmunzelte. „Ich bin kein Tyrann, mein Täubchen", säuselte er und Tabitha wusste nicht genau, ob er sich über sie lustig machte. Doch im nächsten Moment klang seine Stimme ernst. „Ihr seid frei zu träumen, von wem auch immer ihr träumen wollt."

„Trotzdem", entgegnete sie etwas zu heftig. „Er hat es nicht verdient..."

Sie unterbrach sich und hielt kurz den Atem an, denn die Art und Weise, wie Eleazar sie berührte, löste eine Spannung in ihr aus, der sie kaum gewachsen war. Tabitha trug nur noch ihr Unterkleid, Eleazar ein schlichtes Subligaculum. Er ließ seine Hände sanft über ihren Körper gleiten, der dünne Stoff zwischen ihnen fühle sich weich und geschmeidig an. Wieder küsste er sie, ließ die Bewegungen seiner Hände entschlossener werden und fester. Tabitha atmete laut und unregelmäßig, sie hatte das Gefühl, als ob er sie überall zugleich berühren würde, mehr noch, sie wünschte es und in ihrer Brust brannte ein Feuer, vielleicht sogar eine Art Verlangen. Eleazar nahm sie vorsichtig in die Arme und ließ sich mit ihr zusammen auf dem Bett nieder, das neben ihnen stand. Auch jetzt schien er genau zu wissen, was er tat. Er führte sie, war sicher in jeder seiner Bewegungen. Er beobachtete ihre Erregung und obwohl er sich innerlich an ihrer Natürlichkeit berauschte, zeigten seine Züge kaum eine Regung.

Eine Zeit lang lagen sie seitlich nebeneinander, die Gesichter einander zugewandt. Eleazar schob den Saum ihres Unterkleides etwas nach oben und strich die Innenseite ihres Oberschenkels hinauf. Bevor sie die Beine schließen konnte, hielt er in der Bewegung inne, ließ seine Hand auf ihren Rücken gleiten, wo er dem Verlauf der Wirbelsäule folgte, später unter den Brüsten die Rippen entlang wanderte. Tabitha seufzte leise, sie spürte, dass sie ihn berühren wollte, schreckte zugleich aber davor zurück. Sie steigerte die Intensität ihrer Küsse, nahm seine Lippen zunächst vorsichtig zwischen ihre Zähne und schloss dann leicht den Mund wie für einen angedeuteten Biss. Eleazar wich instinktiv zurück, befreite sich. „Es steckt ja doch ein wenig Leben in euch", meinte er schmunzelnd.

Er öffnete das Band, das ihr Unterkleid über den Brüsten geschlossen hielt, erforschte mit den Lippen ihre Haut und zog sie zugleich näher zu sich heran. Dann drückte er ihre rechte Schulter bestimmt nach unten, folgte ihr in ihrer Bewegung und kniete im nächsten Augenblick über ihr. Er beugte sich zu ihr, stützte sich aber mit den Armen auf, sodass sein Gewicht für Tabitha eine bloße Ahnung blieb, küsste ihren Hals. Tabitha atmete schwer, sie wollte Eleazar näher bei sich wissen und berührte ihn zum ersten Mal zögerlich an der Hüfte. Zwischen ihren Beinen spürte sie sein von feinem Stoff umgebenes Geschlecht. Es fühlte sich fest an, aber nicht bedrohlich. Tabitha schloss die Augen und im selben Moment sah sie Rubens fette, von Lust verzerrte Fratze vor sich. Sie meinte den Griff seiner Hände um ihren Hals zu spüren, konnte nicht mehr atmen, würgte hilflos. Dort, wo kurz zuvor noch ein Feuer in ihr gebrannt hatte, breitete sich jetzt die Panik aus, eng, kalt und unbarmherzig. Eleazar reagierte sofort.

„Tabitha", flüsterte er liebevoll. „Ihr braucht keine Angst zu haben."

Tabitha atmete tief durch. Tränen standen ihr in den Augen. „Es geht mir gut", erwiderte sie tapfer, doch ihre Stimme wollte ihr nicht recht gehorchen.

„Nein", Eleazar schüttelte den Kopf. Er lag nun wieder neben ihr und hatte eine schwere, aufwändig bestickte Zierdecke über ihre wenig bekleideten Körper gezogen. „Das tut es nicht."

„Und wenn schon", gab Tabitha bockig zurück. „Lasst euch nicht aufhalten."

Eleazar schüttelte noch einmal den Kopf. „Wir werden warten", sagte er leise. „Es kommt ein besserer Abend." Er tastete unter der Decke nach ihrer Hand und führte sie an seine Lippen. „Ich sagte doch, ich will, dass ihr mich begehrt."

Sie schwiegen eine Weile. Eleazar hatte inzwischen seinen Arm um sie gelegt. Tabitha war wie erstarrt, nur einzelne Tränen liefen ihr still über die Wangen. „Was genau hat euch mein Vater erzählt?", fragte sie mit zitternder Stimme.

Eleazar lächelte. „Nichts, das ich nicht zuvor schon gewusst hätte", antwortete er, und als er den überraschten Ausdruck in ihrem Gesicht bemerkte, erschrak er über seine eigene Unvorsichtigkeit. „In der Sukkotnacht", ergänzte er schnell, „gibt es wohl kaum einen Ort in Jerusalem, wo man unbeobachtet sein kann." Während er sprach, ruhte sein Blick auf seiner Frau und er stellte zufrieden fest, dass ihr seine Erklärung genügt haben mochte.

Als Tabitha am Morgen des nächsten Tages erwachte, wusste sie weder, wann sie eingeschlafen war, noch wann Eleazar aufgestanden und fortgegangen war. Sie meinte sich zu erinnern, dass sie ihm nicht mehr geantwortet hatte, wohl aber eine Weile in seinen Armen gelegen und die Flamme der Fackel beobachtet hatte, die irgendwann schwächer wurde und erlosch. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, setzte sich im Bett auf und fädelte mechanisch das Bändchen ihres Unterkleides ein. Als sie gerade überlegte, ob sie ihre Mägde rufen oder sich selbst anziehen sollte, klopfte es leise an der Tür.

„Ja", rief Tabitha schroff und Kyron trat ein. Als er sah, dass sie noch nicht aufgestanden war, senkte er schuldbewusst seinen Blick und eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht.

„Verzeiht mir", stammelte er. „Ich, ich habe gesehen, dass ihr mit dem Herrn gegangen seid und ich..." Er stockte.

„Du hast dir Sorgen um mich gemacht?", beendete Tabitha freundlich seinen Satz. Kyron nickte. „Ich wollte nicht stören oder..." Er unterbrach sich, zuckte hilflos mit den Schultern. Tabitha spürte eine starke Wärme in ihrem Inneren. Wie unsicher er ist, überlegte sie, fast wie in der Zeit, als ich ihn kennengelernt habe.

„Kyron", sagte sie, „du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin dir für deine Freundschaft wirklich dankbar." Sie wartete kurz. „Aber es geht mir gut. Der Herr war sehr...", sie zögerte, „zuvorkommend." Kyron nickte. Er wirkte erleichtert. Tabitha dachte daran, wie rücksichtslos und brutal sich Eleazar seinem ehemaligen Lustsklaven gegenüber verhielt und fast hatte sie schlechtes Gewissen, wenn sie an die letzte Nacht dachte. „Er ist ein eigenartiger Mensch", ergänzte sie. „Ich glaube, es ist unmöglich, ihn zu verstehen." Kyron nickte wieder.

„Ja", gab er nun etwas selbstbewusster zurück. „Ich habe ihn auch schon zuvorkommend erlebt. Damals, als er mit dem römischen Reiterführer, Marc Anton, zusammen war." Dann sah er ihr in die Augen und das Lächeln, das seine Lippen umspielte, war frei von jedem Vorbehalt. Ganz gleich, sagte sich Tabitha, wie sehr er selbst leidet, er hat die Größe, um meinetwillen glücklich zu sein.

Priester und KönigeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt