Ein Zeichen der Wertschätzung

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Irgendwann rang sich Meschach, dem die Spannung zwischen den Herrschaften sichtlich unangenehm war, dazu durch, noch einmal eine einladende Geste in Richtung des Saales zu machen. Tabitha folgte ihm und die drei Männer taten es ihr nach. Die Stimmung war gereizt, das Gespräch kam nur mühsam in Gang, war dafür aber umso reicher an spitzen Bemerkungen. Insbesondere ließ Marc Anton, der mittlerweile die Geschäfte des Gabinius in Judäa führte und an diesem Abend auch als dessen Vertreter agieren würde, keine Gelegenheit aus, Eleazar zu demütigen. Der dagegen verhielt sich souverän, wehrte die verbalen Angriffe mit knappen Bemerkungen ab und wandelte sie bisweilen sogar in kleine boshafte Pointen, die wiederum Marc Anton lächerlich erscheinen ließen. Tabitha beobachtete ihren Mann mit einer gewissen Bewunderung, vor allem aber war sie erstaunt über die Aggression, die zwischen den beiden herrschte. Sie war immer davon ausgegangen, dass Eleazar und Marc Anton eine Art Freundschaft verband. Von Kyron wusste sie, dass sie im Anschluss an die Gelage oftmals gemeinsam das Bett teilten und zwar im Beisein der Lustsklaven ebenso wie zu zweit.

Zumindest schienen der Wein sowie die vielen leicht bekleideten Tänzerinnen und Tänzer ein wenig zur Besserung der Stimmung beizutragen. Kyron spielte auf der Laute, wie es Eleazar angeordnet hatte. Und da sich Tabitha zumindest insofern durchgesetzt hatte, als er seine festliche Tunika tragen durfte und sich den Gästen also nicht wie ein Lustsklave präsentieren musste, war sein Auftreten durchaus selbstbewusst. Überhaupt musizierte Kyron mit so viel Hingabe, dass Antipater schon nach den ersten zwei Liedern einen Trinkspruch auf den Künstler aussprach und auch die übrigen Gäste sich ihm anschlossen.

Marc Anton, der natürlich wusste, dass der junge Grieche im Haus des Eleazar nicht nur für die Musik zuständig war, lachte anzüglich. In den letzten zwei Jahren war seine Karriere steil nach oben gegangen, und er selbst war entsprechend immer überheblicher geworden. Mittlerweile war er sogar für die gesamte in Judäa stationierte Kavallerie des Gabinius zuständig und sorgte mit den ihm unterstellten Soldaten für die Sicherheit der Verbindungsstraßen. Zuletzt hatte er sich bei der Schlacht um Alexandreion verdient gemacht, weil es ihm durch die durchaus wagemutige Strategie, die Männer des Aristobolus anhaltend zu provozieren, gelungen war, die Verteidiger aus der Festung zu locken. Allerdings kam ihm im gleichen Maß wie das Verdienst am Sieg die Schuld am Umstand zu, dass ein Großteil der Rebellen fliehen hatte können. Anstatt den jüdischen Truppen nachzujagen, hatte Marc Anton nämlich unnötig viel Zeit damit zugebracht, an den eingekesselten Juden ein Massaker zu verüben, und ihren Kameraden damit die Möglichkeit geboten, den Jordan zu überqueren und sich in den schroffen Hängen auf der anderen Seite des Asphaltsees in Sicherheit zu bringen.

Da es nicht seine Gewohnheit war, Fehler einzugestehen oder sich gar zu entschuldigen, hatte er Gabinius gegenüber Antipater für seinen Fehler verantwortlich gemacht. Da Gabinius seinem Magister Aequitum ohne großes Nachfragen Glauben geschenkt und Antipater für sein vermeintliches Vergehen gerügt hatte, war die Stimmung zwischen den römischen und den jüdischen Generälen äußerst angespannt. Obwohl sich Marc Anton und Antipater hinsichtlich der Härte und Grausamkeit, mit der sie gegen die jüdischen Rebellen vorgingen, nach wie vor einig waren, hatten die Ereignisse der letzten Monate sie zu Gegnern im eigenen Lager gemacht.

Die Folgen dieser Auseinandersetzung wiederum betrafen auch Eleazar, denn die römischen Truppen hatten weitgehend aufgehört, die Verbindungsstraßen zwischen den größeren Städten zu kontrollieren und waren stattdessen dazu übergegangen, kleinere Dörfer zu plündern und zu zerstören. Als Rechtfertigung für ihr Verhalten beriefen sie sich meist auf nicht näher benannte Informanten, von denen sie zu wissen vorgaben, dass sich in den Dörfern Rebellen versteckt hielten. Als Bezirksverwalter von Jericho hatte Eleazar die Pflicht, die Verbindung nach Jerusalem sowie die Straßen nach Norden, die dem Flussverlauf des Jordans folgten, zu überwachen. Allerdings standen nicht genügend Männer unter seinem Kommando, sodass seine Befehle wirkungsvoll umgesetzt hätten werden können. Das Treffen in seinem Palast hatte daher das Ziel, die mehr und mehr verfeindeten Verbündeten endlich zu einer gemeinsamen Lösung zu bewegen.

„Ich will es nicht leugnen", eröffnete Marc Anton salbungsvoll seine kleine Ansprache und hob dabei selbstgefällig seinen Kelch, „ich habe in diesem Haus schon viele schöne Stunden verbracht, mit euch und eurem überaus begabten jungen Griechen." Dabei prostete er noch einmal in Kyrons Richtung und grinste anzüglich. „Und doch", fuhr er mit gespielt enttäuschter Stimme fort, „habt ihr mir euer Weib stets vorenthalten."

Eleazar ließ sich mit seiner Reaktion Zeit. Er lehnte sich auf seiner Kline zurück und deutete zunächst noch einem Sklaven ihm nachzuschenken, bevor er Marc Anton antwortete. „Das wird auch so bleiben", meinte er ruhig und ohne irgendeine Regung zu zeigen.

„Wie schade", gab Marc Anton zurück und es gelang ihm dabei nur schlecht seinen Ärger zu überspielen. „Wir haben uns immer so gut verstanden und gemeinsam mit eurer Frau", er unterbrach sich kurz und warf Tabitha wieder einen seiner anzüglichen Blicke zu. „Denkt nur, wir würden so gut harmonieren." Das letzte Wort hatte er ein wenig lasziv gesprochen und Tabitha merkte sofort, wie die Übelkeit in ihr aufstieg. Sie schob den kleinen Teller beiseite, von dem sie gerade gegessen hatte und beobachtete angespannt, wie Eleazar reagieren würde.

„Es wäre mir lieber, wir würden draußen auf den Straßen harmonieren", antwortete der kalt und weiterhin ungerührt.

„Tatsächlich", erwiderte Marc Anton und tat so, als wollte er scherzen. Doch gleich darauf wurde seine Stimme wieder ernst und er fuhr beinahe böse fort. „Es wäre eine Art der Wertschätzung mir gegenüber."

Eleazar stand auf, ging ein paar Schritte vor den übrigen Klinen hin und her, was im Saal einiges an Bewegung verursachte, denn Musiker und Tänzer hatten nun nicht mehr genügend Platz und begannen sofort, ihre Instrumente weiter nach hinten zu schieben. Während er ging, warf er Tabitha einen fragenden Blick zu, aber die starrte ihn nur entsetzt an und war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Ich bedauere sehr," meinte er schließlich, „aber das ist unmöglich. Die Geburt steht unmittelbar bevor und meine Frau hat sich bereits den Reinigungsritualen unterzogen."

Marc Anton stellte seinen Kelch geräuschvoll auf den Boden und erhob sich seinerseits. Die beiden Männer standen einander unmittelbar gegenüber, bewegten sich langsam in einem kleinen Kreis, einer auf den andern fixiert. Zum Glück beachtet mich keiner von ihnen, schoss es Tabitha durch den Kopf, denn in Wahrheit hatte sie erst in ein paar Tagen vorgehabt, sich von Mirjam bei den reinigenden Bädern assistieren zu lassen, und fürchtete, sie würde erröten, wenn sie die Lüge Marc Anton gegenüber aufrechterhalten müsste.

„Seit wann macht ihr Euch so viel aus den Bräuchen der Juden?", fragte Marc Anton gereizt. Doch Eleazar ließ sich nicht beirren.

„Seit ich die Tochter eines unserer größten Priester geheiratet habe", sagte er mit einer gespielten Freundlichkeit.

Dann gab er Meschach ein Handzeichen, woraufhin sich der Diener seinem Herrn näherte, gehorsam, aber doch auch voller Furcht. Er hielt Eleazar in der offenen Hand eine Schatulle hin, die dieser an sich nahm und sie Marc Anton reichte.

„Vielleicht findet Ihr Gefallen an diesem kleinen Zeichen meiner Wertschätzung", sagte er und verbeugte sich leicht. Der Römer nahm das Geschenk an, ohne lange zu zögern. Auch öffnete er sofort das Behältnis, nahm den Ring heraus und begutachtete ihn im Licht der Fackeln. Er war aus Gold und trug aufwändige Elfenbeinintarsien.

Zwar konnte Tabitha nicht erkennen, was genau sie darstellten, doch sie hörte ihr Herz bis in den Hals hinauf schlagen und ihr Magen schmerzte mittlerweile so sehr, dass sie sich nicht vorstellen konnte, im Lauf des Gelages auch nur einen einzigen weiteren Bissen zu sich zu nehmen. Sie wusste, dass Eleazar eine Auseinandersetzung mit Marc Anton vermeiden wollte, weil das unweigerlich zu Problemen mit Gabinius führen würde. Auch hatten die Spione des Antipater ihrem Mann schon vor Wochen zugetragen, dass sich die politischen Verhältnisse in Rom zugunsten des Pompeius änderten, was wiederum dazu führen konnte, dass Marc Anton seine Stellung noch verbessern würde können.

Hinter vorgehaltener Hand sprach man in der römischen Hauptstadt anscheinend schon davon, dass Pompeius bereits im nächsten Jahr zum Konsul ernannt werden könnte und ihm dann Crassus, der reichste Mann des Imperiums, beinahe unbegrenzte Geldmittel zur Verfügung stellen würde, um die Lage im Osten, vor allem aber in Ägypten in Ordnung zu bringen. Einige sprachen sogar von einem möglichen Feldzug gegen die Parther, die an der Ostgrenze eine ständige Bedrohung darstellten. Mehr Macht für Pompeius würde aber auch mehr Macht für Gabinius und damit für Marc Anton bedeuten. Und trotzdem, sagte sich Tabitha, aber es gelang ihr nicht, ihren Gedanken weiterzuspinnen, ihn in die richtigen Worte zu kleiden. Doch sie wusste, dass sie Eleazar aus ganzem Herzen dankbar war und dass sie ihm das auch bei nächster Gelegenheit mitteilen würde.

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