Kapitel 112

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Juni 2019

✧ POV Emma ✧

Seit dem Besuch meiner Eltern hatte ich mit meiner Mutter kein Wort mehr gewechselt. Ich konnte es einfach immer noch nicht begreifen, was sie mir da an den Kopf geworfen hatte. Mit meinem Paps telefonierte ich mindestens einmal die Woche. Auch dort lief es nicht gerade gut. Differenzen hatten sie immer, aber das konnte Paps jetzt auch nicht mehr schön reden. Aber abgesehen davon lief alles andere wirklich gut. Die Schwangerschaft machte mir natürlich zu schaffen. Übelkeit, Rückenschmerzen, Müdigkeit...ich war wirklich froh wenn es vorbei war. 

Die letzten Monate waren wirklich verrückt. Seit April war ich jetzt zuhause. Das war ein merkwürdiges Gefühl. Und ich hatte es mir irgendwie anders vorgestellt. Ich kam mir so nutzlos vor. Aber das würde sich ja hoffentlich ändern, wenn die Kleine erstmal da war. Der Abschied im Verlag war sehr tränenreich. Und ich vermisste alle jeden Tag. Ich war selbst mal gespannt, wie lange ich es wirklich aushielt nicht zu arbeiten. Meine Chefin betonte natürlich immer wieder, das der neue Vertrag in der Schublade lag und für mich nur einen Anruf entfernt war. 

Zuhause sorgten wir für viel Entspannung. Versuchten uns wirklich nicht so zu stressen und das tat uns auch gut. Es lief eigentlich wieder alles ziemlich gut zwischen uns. Leon schulterte mit Abstand das meiste. Die Saison war noch wirklich anstrengend gewesen. Erst am letzten Spieltag konnten sie sich den Meistertitel sichern und eine Woche später auch noch den DFB-Pokal. Er hatte in der Saison immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen und allgemein musste er sich in so einem Verein erst einmal behaupten. Ich war wirklich super stolz auf ihn. Und er war wirklich sehr happy. Zuhause war für das Baby auch schon alles fertig. Marius war auch immer wieder hier und half uns, außerdem schaffte er es auch, Leon von seinen immer wieder aufkommenden Zweifeln zu lösen. 

Heute würde Leon wieder nachhause kommen. Nach dem Ende der Saison, standen noch zwei Spiele für die EM-Qualifikation an. Er war super nervös. Bevor er gefahren ist hat er tausend Sachen erledigt, aufgeschrieben. Sich tausend Sachen ausgemalt was alles passieren könnte, wenn er weg war und verzweifelte dann daran, wie er das lösen könnte. Hundert Mal checkte er die Tasche für die Klinik. Immer wieder checkte er was im Fall der Fälle der schnellste Weg ins Krankenhaus war. Es gab keine Checkliste im Internet die er nicht gelesen hatte. Irgendwie fand ich das wahnsinnig süß, aber ich machte mir Sorgen wie das erst werden würde wenn das Kind da war. Entweder würde er komplett durchdrehen oder aber er kam dann endlich etwas zur Ruhe...ich betete wirklich für das letztere. Sonst müsste ihn wahrscheinlich irgendwann umbringen, weil er mich zur Weißglut trieb. 

Ich machte mir gerade was zu Essen, als ich endlich hörte wie die Wohnungstür aufgesperrt wurde. "Leon?" rief ich freudig. "Erwartest du jemand anderen?" rief er zurück, während ich zu ihm ging. "Natürlich erwarten wir nur dich!" Ich fiel ihm um den Hals und küsste ihn. "Wie gehts euch beiden?" fragte er. "Wir haben dich vermisst und sonst ganz gut." "Nur ganz gut?" fragte er besorgt. "Ja, ich hab Rückenschmerzen und sie findet es wahnsinnig komisch auf meiner Blase zu liegen. Weshalb ich so circa alle halbe Stunde pinkeln muss. Es wird Zeit..." "Zeit wofür?" "Das sie auszieht Leon...ich hab die Nase voll!" sagte ich lachend. "Naja, das wird ja zeitnah auch passieren." Wir gingen in die Küche und ich nahm meinen Teller. "Bist du gut klar gekommen?" "Na klar...hatte ja nicht wirklich was zu tun. Gestern war ich bei der Ärztin, alles sieht gut aus und sie ist schon in Position." "Das klingt super! Irgendwie hab ich das Gefühl wir vergessen was!" "Du vergisst die Nerven zu behalten, Goretzka!" Er schaute mich genervt an. "Vielleicht die Tasche?" "Du hast sie immer und immer wieder gecheckt. Und ich hab daran nichts geändert, ich hab sie nicht angefasst. Entspann dich Leon!" Er stand auf und holte sich einen Kaffee und setzte sich wieder zu mir. 

"Ich bin wirklich froh wieder zuhause sein. Ich hatte echt Angst, das es los geht und ich nicht hier bin!" "Aber es ist nichts passiert, Leon! Alles ist gut." Ich lächelte ihn an. "Kam das Schreiben vom Amt?" "Ja, alles geritzt." Dadurch das wir ja nicht geheiratet hatten, war alles etwas anders. Wir mussten viele Sachen rechtlich beantragen und so weiter, die bei verheirateten Paaren, einfach gesetzt waren, wie z.B. die Vaterschaftsanerkennung, das gemeinsame Sorgerecht, der Nachname für das Kind. Und jedes mal, wenn wir sowas regeln mussten, brachte das indirekt das Thema wieder auf den Tisch. Auch wenn wir es geklärt hatten und wir beide irgendwann auch zufrieden waren mit der Situation, war es schwer für mich. Jedes Mal musste ich an all diesen Mist denken und was es zwischen uns verändert hatte. Aber wir redeten nicht wirklich darüber. Jeder machte es sich mit sich selbst aus, aus Angst es wieder schlimmer zu machen. 

Später saßen wir auf der Couch und schauten uns eine Serie an. Ich hatte meinen Kopf auf Leons Beinen abgelegt und er streichelte mit einer Hand um meinen Arm. Andauernd piepte sein Telefon und manchmal seufzte er leise und legte es wieder weg. "Was ist los?" fragte ich und drehte meinen Kopf, das ich ihn ansehen konnte. "Nichts. Alles fein!" "Leon, sag schon. Irgendwas ist doch los?" "Die schicken andauernd Bilder von Ibiza." "Achso..." sagte ich leise und schaute wieder zum Fernseher. Ibiza fiel für Leon dieses Jahr aus. Die Sommerpause war für ihn dieses Jahr keine. "Emma, ich bin viel lieber mit dir hier! Aber es nervt trotzdem." Ich setzte mich auf und sah ihn an. Er war geknickt, was ich ja auch verstehen konnte. Er hatte keine zeit richtig zu entspannen nach der anstrengenden Zeit. "Wollen wir was unternehmen?" "Du bist hochschwanger, Schatz!" "Echt? Hab ich nicht mitbekommen..." sagte ich augenrollend. "Komm schon, wir gehen mal raus hier. Sollen wir an die Isar? Das Wetter ist doch schön." "Nein...das geht nicht." "Wieso? Es ist 18 Uhr...Lass uns den Tag genießen." Er legte den Kopf schief und sagte: "Emma, und wenn das Kind dann kommt?" "Fahren wir von dort aus zum Krankenhaus..." "Ich weiß nicht..." "Aber ich!" Ich stand auf und ging nach oben um mich umzuziehen. 

Leon stand kurz darauf angelehnt im Türrahmen. "Ich fühle mich nicht wohl damit." sagte er leise. "Leon, ich bin schwanger und nicht todsterbenskrank. Ich würde mich freuen mal hier raus zu kommen." Er nickte langsam und ging wieder nach unten. Ich zog mir ein Kleid an und eine Strickjacke drüber. Viel passte mir einfach nicht mehr. Ich ging nach unten und Leon stand schon im Flur und tippte wieder auf dem Handy rum. Er lachte mich an als ich kam. Ich zog mir Schuhe an und wir gingen zusammen raus. Wir spazierten durch die Stadt, an der Isar entlang. Es war wunderbar. Wir redeten über dies und das. Leon erzählte viel von den Tagen beim DFB und den Spielen. Irgendwann setzten wir uns auf eine Bank, Leon legte einen Arm um mich und ich lehnte meinen Kopf an ihn an. Wir beobachteten die Leute und genossen den schönen Abend. Doch langsam wurde es kühler und auch dunkler. Also machten wir uns wieder auf den Heimweg. Als wir wieder zuhause waren, musste ich zuerst mal ins Badezimmer. Ich ging wieder ins Wohnzimmer und Leon saß auf der Couch und scrollte durch sein Handy. "Fußball!" sagte er plötzlich und sah mich erschrocken an. "Das Ding sollte dich weniger erschrecken, nach all den Jahren. Findest du nicht?" fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich setzte mich zwischen seine Beine und lehnte mich an. "Das Baby ist so groß wie ein Fußball." "Super! Dann freue ich mich ja schon darauf, dass es da unten raus muss..." Leon streichelte mitleidig meinen Arm. "Leon, ich hab Angst davor." "Brauchst du doch nicht, Schatz!" "Was ist wenn was passiert? Mir oder dem Baby?" "Emma, es wird alles gut." "Erstmal geh ich nochmal aufs Klo. Gehen wir dann ins Bett?" "Ja, klar. Ich komme!" Als mich fertig fürs Bett gemacht hatte und ins Schlafzimmer kam, lag Leon schon im Bett und las irgendein Buch. Ich legte mich zu ihm und rückte nah an ihn ran. Er streichelte meinen Rücken und ich schlief schnell ein. 

Die nächsten Tage vergingen sehr entspannt. Wir lebten einfach in den Tag hinein. Machten Spaziergänge, kauften noch das ein oder andere für das Baby und genossen die Zeit zu zweit. Die Stimmung war sehr aufgeregt, wir waren beide sehr nervös aber beruhigten uns auch ganz gut gegenseitig. Wir waren gerade am auf- oder eher umräumen um Kinderzimmer, da wurde das Ziehen doch immer stärker. "Was ist los?" fragte Leon und war sofort in Alarmbereitschaft. "Ich hab Rückenschmerzen und Krämpfe..." Leon riss die Augen auf. "Du hast Wehen!" "Ja, ich glaube schon" Ich beuge mich nach vorne und stützte mich auf meinen Knien ab. "Seit wann?" "Seit heute morgen...glaub ich! Am Anfang war es nicht so intensiv." "Ich ruf die Hebamme an!" er stürmte nach unten und ich hörte ihn telefonieren. "Ja... okay... achso... ja... okay... machen wir!" Er kam wieder hoch. "Wie ist der Abstand?" "So alle 30 Minuten." "Setz dich erstmal hin, Schatz!" Leon wuselte um mich herum und ich setzte mich in den Schaukelstuhl. Es wurde auch wieder besser. "Okay...also, wir sollen erst in Krankenhaus wenn es unter 15 Minuten sind oder wenn die Fruchtblase platzt! ich hol dir Wasser!" Wieder stürmte er raus. Ich atmete tief durch und streichelte über meinen Bauch. "Ich wünschte, ich könnte dir sagen dein Papa ist nicht immer so....aber ich hab keine Ahnung was du mit ihm machen wirst!" Leon kam wieder und gab mir ein Glas Wasser. Ich nahm es und trank es. "Was hat die Hebamme gesagt?" "Wir sollen uns entspannen und das es noch dauern kann." "Wie lange?" "Kann man nicht genau sagen..." Er kratzte sich verlegen im Nacken. "Leon..." "Das kann Stunden dauern Emma. Wir entspannen uns einfach." Er kniete sich vor mich und legte seine Hände auf meinen Bauch. Er holte tief Luft. "Emma, wir werden Eltern. Sie kommt endlich!" Er strahlte mich an. "Ja..." Ich lächelte ihn an und wir verschränkten unsere Finger miteinander. 

New Chapter - Teil 1 - Leon Goretzka FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt