Kapitel 167

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POV Emma

Nachdem Leon gestern Abend all das gesagt hatte, breitete sich in meinen Körper ein richtiger Schmerz aus. Dumpf und erdrückend. Ich konnte es nicht glauben. Auch ich hatte meine Zweifel und Ängste, aber war das zu einem gewissen Grad nicht normal... Ich hatte nicht ernsthaft daran gedacht, das einer hier raus will. Immer wieder schoss mir der Moment durch den Kopf, nachdem er die Hochzeit gecancelt hatte. 'Den Moment musst du dir einprägen, Emma' sagte ich zu mir in Gedanken selbst. 'Das ist der Moment, in dem du angefangen hast ihn zu verlieren.' Ich hatte es damals geahnt..hätte ich mehr tun müssen? Hätte ich mich mehr ins Zeug legen müssen. Hab ich ihn deshalb verloren? Leon wollte das wir uns trennen. Und irgendwie hatte ich gehofft, wenn ich wach werden würde, wäre der Schmerz einfach weg. Aber das war er nicht, er war noch da. Ich wurde von ihm erdrückt. Und noch jemand war nicht da. Leon. Meine Hand wanderte in eine leere, kalte Betthälfte.

‚Vielleicht sollten wir probieren, ob es ohne einander besser klappt als miteinander.' Die Antwort konnte ich ihm auch so geben: Nein. Es war schwer, aber es wären wenigstens wir. Das es wirklich kein wir mehr geben sollte, sondern ein er und ein ich. Das tat so weh. Wie gelähmt raffte ich mich auf. Ich würde am liebsten im Bett liegen bleiben, bis alles wieder so sein würde, wie es vor ein paar Wochen war. Wenn ich nur an diese Zeit dachte, brach mein Herz. All das sollte einfach nichts mehr wert sein. Ich fing an zu weinen und zitterte am ganzen Körper. Mir war heiß und kalt... Ich konnte das hier nicht ohne Leon. Flora, was war mit Flora? Sie hätte es doch anders verdient...nur weil ihre Eltern es einfach nicht hinbekamen...

Ich zog mir einen Pullover über und band meine Haare hoch. Ich ging in Floras Zimmer und es war leer. Und dann hörte ich sie auch unten schon. Ich ging so leise ich konnte Richtung Treppe und schaute nach unten. Leon lag mit Flora auf dem Sofa und lachte und spielte mit ihr. Weil ich mir nicht genug Mühe gab, weil ich versagt hatte, würde Flora auf ihren Vater verzichten müssen. Natürlich nicht komplett. Aber er würde nicht mehr jeden Tag hier sein. Sie abends nicht ins Bett bringen, sie morgens nicht wecken. Weil ich versagt hatte. Mit jedem Gedanken daran, bekam mein Herz mehr Risse. Ich ging nach unten und wusste nicht wohin mit mir. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.

„Guten Morgen", sagte ich mit heißerer Stimme vom weinen. Leon wurde sofort ernst und setzte sich auf. „Guten Morgen, waren wir zu laut?" „Nein, gar nicht. Ich war einfach wach." „Ich hab sie gehört und dachte ich lass dich schlafen." Ich nickte und ging zur Kaffeemaschine. „Soll ich Flora eine Flasche machen?", fragte ich ohne in anzusehen. Er stand auf und kam mit Flora in meine Richtung. „Ist schon erledigt..." „Okay." Ich starrte auf die Kaffeemaschine und hoffte es würde Stunden dauern, bis der Kaffee fertig war. Dann musste ich meinen Blick davon nicht abwenden, mich rumdrehen und ihn ansehen. Ich könnte einfach weiter die Maschine anstarren. Aber leider war die Welt nicht so wie ich es gerne hätte - offensichtlich - und der Kaffee war fertig. Ich nahm die Tasse und ging an Leon vorbei. Flora gab ich einen Kuss auf ihren Kopf und streichelte ihr über die Wange, wofür sie mir ein Lächeln schenkte. Leon sah mich nur an. Nicht mal eine Millimeterbewegung in meine Richtung. Der Gedanke daran, dass ich ihn nie wieder küssen würde, war der Horror. Hätte ich das auch nur geahnt, hätte ich mich von unserem letzten Kuss nie gelöst. Ihn nie wieder losgelassen.

 Ich ging zum Sofa und trank meinen Kaffee. Dabei starrte ich ins Leere. „Wie läuft es eigentlich mit der Betreuung? Bis du wieder arbeitest dauert es nicht mehr lange", fragte Leon. „Nächste Woche kommt jemand. Sie klang sehr nett in ihrer Mail und am Telefon. Ist von so einer Agentur. Hat mir jemand empfohlen, die haben einen tadellosen Ruf." „Okay...Wann ist der Termin?" „Ist im gemeinsamen Kalender eingetragen."

Er konzentrierte sich wieder auf Flora. Ich mich darauf nicht zusammenzubrechen. Er wirkte so gelassen...machte ihm das gar nichts aus? War er erleichtert? Und wenn ja... Es war nie leicht. Vielleicht hatte er ja einfach das Recht dazu. „Wann fährst du los?" „Heute Mittag ist Training und dann fahren wir. Ist ja nicht weit. Bin morgen Abend auch schon wieder da. Ich hab schon mit Serge gequatscht und ich kann ein paar Tage bei ihm sein. Dann hast du deine Ruhe!" „Was?", fragte ich verwirrt. „Gestern Abend hieß es noch, wenn du aus Augsburg zurück bist finden wir eine Lösung und jetzt gehst du schon?" „Emma, damit meinte ich nicht eine Lösung hier für, sondern wie wir damit umgehen." „Wieso entscheidest du das eigentlich alleine?" „Das ist das beste so, Emma. Für euch beide." „Ich entscheide was das Beste für mich ist." „Emma. Sei vernünftig! Wir sollten das probieren." „Nein, ich will das aber nicht, Leon. Leon - bitte! Das wir darüber reden, ja okay. Ich meine, ich hatte auch Zweifel und Angst. Aber du hast dir schon was gesucht zum übernachten. Das kann nicht dein Ernst sein..." „Doch, Emma. Und du musst das akzeptieren. Tut mir leid." Leon sah mich mitleidig an. Aber er tat sonst nichts.

„Willst du nicht kämpfen? Willst du uns einfach aufgeben?", fragte ich verzweifelt. „Emma, mit welchem Ziel? Das ich wieder so zu dir bin, wenn ich sauer werde? Das ich mich wieder nicht im Griff habe? Soll das dein Leben sein? Immer verletzt zu werden und so zu tun als wäre nichts? Das lasse ich nicht zu!" „Und wenn ich eben nur dieses Leben will, Leon. Mir ist alles recht, wirklich alles, solange du dabei eine Rolle spielst", sagte ich und konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. „Emma, das kann doch nicht das Ziel sein. Du solltest nicht mit allem einfach einverstanden sein, nur weil ich Teil davon bin. Du hattest Recht... Ich tu dir weh. Immer und immer wieder und ich habe es so lange nicht mal bemerkt. Und wir müssen einfach probieren ob es nicht ohne mich besser für dich klappt." „Wie soll es besser werden wenn du nicht hier bist?" „Das kriegst du hin...du gewöhnst dich dran." „ABER ICH WILL MICH NICHT DRAN GEWÖHNEN!", schrie ich und brach anschließend weinend zusammen. Leon legte Flora in ihre Babywippe und kam zu mir. Er zog mich zu sich in eine Umarmung und versuchte mich zu beruhigen.

„Wie ein Pflaster Emma...schnell aber der Schmerz lässt auch schnell nach." „Das wird er nicht. Das kann er nicht, wenn du nicht bei mir bist." „Emma, du wirst ohne mich besser dran sein." „Leon, wir haben so viel zusammen geschafft. Wir wollen doch in das neue Haus ziehen und ich dachte, wir wollten mehr Kinder. Ist es wegen dem Job? Ich lasse es...ist doch überhaupt nicht wichtig, wenn das hier der Preis dafür ist. Und wir können auch...." „Emma, nein. Du behältst deinen Job, und ihr beide zieht auch in das Haus. Euch wird es an nichts fehlen." „Doch, alles was wichtig ist." Leon sah mich an und wischte mit seiner Hand meine Trenne weg.

Mit meinen Fingerspitzen fuhr ich über seine Wange, seine Schläfe, durch seine Haare. Ich liebte seine Haare. Oft hatte ich ihn damit aufgezogen weil die Frisur manchmal wild war, aber ich liebte seine Haare. Und seine Augen... darin könnte ich mich immer noch verlieren. Als ich ihn das erste Mal sah, hätte ich niemals gedacht, das er der Mann ist, mit dem ich für immer zusammen sein will. Und jetzt war ich es...und er wollte gehen. Mein Zeigefinger fuhr über seine Lippen. Leon sah mich an und ließ mich gewähren. Seine wunderschönen Lippen. Wir sahen uns an und plötzlich küssten wir uns. Erst zart, dann fordernder...leidenschaftlich. Es fühlte sich an wie ein Feuerwerk. Im Grunde wie immer und gleichzeitig so viel besser. Doch Leon beendet den Kuss abrupt und legte seine Stirn an meine. „Das würde es doch nur unnötig kompliziert machen, Emma." „Oder aber nicht." Leon lächelte leicht. „Doch...ich will es, glaub mir. Aber es wäre falsch." „Falsch...?" „Ja", sagte er leise. Vielleicht hatte er Recht. Wobei ich nicht verstand wie kompliziert es noch werden könnte. Ich liebe meinen Mann und er liebt mich. Und weil er das tat, verließ er mich.

„Wieso passiert das hier? Wegen dem Streit? Der war lächerlich...Leon. Wegen sowas trennt man sich doch nicht. Wir haben uns was versprochen als wir geheiratet haben. Ist das nichts wert?" „Emma...bitte mach es mir nicht noch schwerer. Denkst du ich finde das hier gut? Glaubst mir gefällt das? Das ist die beschissenste Entscheidung, die ich in meinem ganzen Leben treffen musste. Aber..." „Dann triff sie nicht. Lass uns zurückspulen...Leon wir waren doch so glücklich. Wir waren auf einem Level. Hatten ungefähr das gleiche Schritttempo. Die gleichen Vorstellungen der Zukunft. Alles war so perfekt." „Weil du so getan hast als wäre alles prima. Dabei habe ich dir so oft wehgetan. Soll ich da einfach zu sehen?" „Nein, aber es nicht schlimmer machen. Es wieder gut machen durch Gesten oder so. Aber du willst es einfach beenden. Das tut so weh Leon..." „Das ist nur jetzt so. Es wird anders werden - besser." 

New Chapter - Teil 1 - Leon Goretzka FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt