Kapitel 77 - Unbeabsichtigte Zuhörer

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Am nächsten Tag fühlte Lily sich wie gerädert. Sie hatte kaum geschlafen und ihr Kopf schmerzte wegen der ganzen Tränen, die sie in den letzten 24 Stunden vergossen hatte. Es war Samstag, und so wie es aussah, hatten Mary und Lauren sie schlafen lassen. Lily atmete erleichtert aus, denn sie war dankbar für die zusätzliche Zeit, die sie für sich allein hatte, und empfand die Ruhe in diesem Moment als eine unglaubliche Wohltat. Zu ihrem Unmut meldete sich jedoch langsam ihr Hunger zu Wort, was normal war wenn man bedenkt, dass sie seit gestern Morgen nichts mehr gegessen hatte. Sie seufzte, schwang sich widerwillig aus dem Bett und zog sich schnell etwas über, um zum Frühstück zu gehen. Langsam ging sie die Treppe in den Gemeinschaftsraum hinunter wo Remus in einem Sessel saß und auf etwas zu warten schien. Er wippte nervös mit dem Bein auf und ab und sah sich immer wieder suchend um. Als er sie entdeckte, sprang er auf und ging ihr mit großen Schritten entgegen. „Lily. Wie geht es dir?" Fragte er besorgt und Lily lächelte müde. „Geht so." Sagte sie leise und sah sich im Gemeinschaftsraum um, der ansonsten vollkommen verlassen war. Vermutlich waren alle anderen bereits beim Frühstück, dachte sie und sah wieder zu Remus. „Hast du auf mich gewartet?" Fragte sie erstaunt und er nickte ernst. „Du hast bestimmt Hunger." – „Ja." Sagte sie bloß und strich sich über den Bauch, der wie auf Stichwort genau in diesem Moment ein lautes Brummen verlauten ließ. Remus grinste und deutete mit dem Kopf in Richtung Tür. Sie gingen schweigend nebeneinander die Gänge entlang, bis Remus einen tiefen Atemzug nahm und sie vorsichtig von der Seite musterte, während er zu sprechen begann. „Ich habe Snape gestern getroffen." Sagte er leise und Lily erstarrte innerlich. „Aha." Sagte sie kühl und beschleunigte ihre Schritte, als könne sie damit vor dem weglaufen, was jetzt kommen würde. Remus, der einen kurzen Augenblick stehen geblieben war, machte einen kleinen Hüpfer um sie einzuholen und schloss schnell wieder zu ihr auf. „Er hat mir erzählt was passiert ist. Im Glockenturm." Japste er ein wenig außer Atem und musterte sie wieder. Lilys Magen zog sich zusammen und sie spürte, wie sich der Schleier der Verzweiflung und der Trauer wieder über sie legte. Remus griff sanft nach ihrem Arm und sah sie verlegen an. „Es tut mir Leid." Lily biss sich auf die Lippe, dann blieb sie stehen und sah Remus prüfend an. „Wieso hat er dir das erzählt?" Fragte sie jetzt verwundert und musterte ihn stirnrunzelnd. Remus schmunzelte. „Nun. Ist es so überraschend, dass mir jemand sein Herz ausschüttet?" Fragte er belustigt und Lily betrachtete ihn ungläubig. „Nein. Aber dass dieser jemand Severus ist, erstaunt mich doch ein wenig. Ein wenig sehr sogar wenn ich ehrlich bin." Remus seufzte ergeben. „Vielleicht war ich bloß zur falschen Zeit am falschen Ort." Lily schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaube, dazu gehört mehr als zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein." Sagte sie misstrauisch, aber Remus zuckte bloß die Schultern. „Vielleicht vertraut er mir einfach, weil ich ihm bei seiner gebrochenen Schulter geholfen habe." Erklärte er ausweichend und ging weiter. „Du solltest etwas essen." Sagte er, offensichtlich in einem Versuch von dem Thema abzulenken, das ihm nicht recht zu behagen schien. Aber Lily gab sich mit seiner Antwort nicht zufrieden und hakte weiter nach. „Remus. Gibt es etwas, was du mir verschweigst?" Fragte sie unverwandt und Remus schüttelte ungeduldig den Kopf, während sie die Stufen in die Eingangshalle hinabstiegen. „Lily, hör zu. Ich kann nicht, also es spielt keine Rolle warum er mir das erzählt hat. Okay? Es hat nichts mit dir zu tun." Lily starrte ihn fassungslos an. Hatten denn alle hier den Verstand verloren? „Keine Rolle? Also ich finde schon, dass es eine Rolle spielt wenn Severus dir von unserem Kuss erzählt, nachdem er vor mir geflüchtet ist, als wäre ich eine Scharr Dementoren, die ihm die Seele aussaugen möchte." Wütend funkelte sie ihn an und er sah sie etwas hilflos an. „Lily..." Begann er, wurde jedoch abrupt durch ein Räuspern unterbrochen. Remus und Lily fuhren herum und sahen geradewegs in das Gesicht von James, der am Fuße der Treppe stand, und Lily fragte sich sofort, wie viel von ihrem Gespräch mit Remus er wohl mit angehört hatte. Vorsichtig sah sie zu Remus, der, seinem betretenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, das gleiche zu überlegen schien. James sah etwas überrascht von einem zum anderen. „Ich wollte nach euch sehen." Erklärte er und zuckte leicht mit den Mundwinkeln, was wohl den Versuch eines Lächelns darstellen sollte. Aber Lily spürte deutlich, dass er wütend war und überlegte fieberhaft, was sie sagen sollte. Doch James nahm ihr die Entscheidung ab, in dem er abwehrend die Hände hob und sich ohne ein weiteres Wort an ihnen vorbei drängte. „James." Rief sie ihm hilflos hinterher, aber er antwortete nicht. Remus seufzte, drückte ihr zum Abschied und vermutlich zur Beruhigung freundschaftlich die Schulter und lief eilig hinter James her. Lily blieb zurück und ging schweren Herzens allein zum Frühstück, auch wenn ihr jeglicher Appetit vergangen war. Sie setze sich zwar zu Peter, Lauren und Mary, sprach aber nur das nötigste, weshalb die drei sie auch schnell in Ruhe ließen und sich einfach weiter in ihre Gespräche vertieften. Lily hatte das Gefühl, eine zentnerschwere Last auf den Schultern tragen zu müssen. Als hätte sie nicht schon genug Probleme, hatte sie jetzt auch noch, ohne es zu wollen, James verletzt. Es war verrückt, denn sie waren kein Paar und sie war ihm keine Rechenschaft schuldig, aber trotzdem hatte sie seine Gefühle nicht verletzen wollen. Ob sie es ihm jemals selbst erzählt hätte? Vermutlich nicht, dachte sie und musste unwillkürlich an Remus denken. Wieso in Gottes Namen hatte Severus ausgerechnet Remus davon erzählt? Mit einem leisen Seufzer schob sie ihren noch halb vollen Teller von sich weg und stand auf. Peter, Lauren und Mary sahen kurz zu ihr auf, ließen sie aber kommentarlos ihrer Wege gehen. Spontan beschloss sie ihre Schultasche zu holen und sich für den Rest des Tages in der Bibliothek zu verkriechen, als sie bereits in der Eingangshalle von Professor McGonagall aufgehalten wurde, die zielstrebig auf sie zu ging. „Guten Morgen, Professor McGonagall." Sagte Lily freundlich und McGonagall lächelte kurz. „Guten Morgen Miss Evans. Ich suche bereits seit gestern nach Ihnen." Sie hielt inne, überlegte wohl ob sie nachhaken sollte, aber entschied sich offenbar dagegen, da sie sich nur kurz räusperte und ohne weitere Fragen fort fuhr. „Die Beerdigung von Miss Prewetts Vater und ihrem Onkel ist bereits morgen. Ich wollte von Ihnen wissen, ob sie hingehen möchten." Fragte sie sanft und Lily nickte stumm. „Gut. Dann werden der Schulleiter und ich dafür sorgen, dass für Sie und Mr. Potter noch einmal das Flohnetz freigeschaltet wird. Kommen Sie morgen bitte um 11 Uhr in mein Büro." Lily nickte erneut. „In Ordnung. Danke." Sagte sie und machte Anstalten zu gehen, als McGonagall sie mit einer Geste zurück hielt. „Einen Moment bitte noch, Miss Evans. Mrs. Prewett hat angeboten, dass sie bis zum nächsten Tag bleiben können, damit sie nach der Beerdigung nicht direkt wieder zurück müssen. Für den Tag sind Sie selbstverständlich vom Unterricht frei gestellt." Erklärte McGonagall und Lily stimmte dem Vorschlag ohne zu zögern zu. Es wäre schön, noch ein bisschen bei Amber bleiben zu können. „Gerne." Sagte sie deshalb dankbar und McGonagall lächelte ihr noch einmal kurz zu, bevor sie sich verabschiedete und weiter in die große Halle ging. Lily schloss die Augen und fluchte leise. „Verhexter Krötenmist." Natürlich würde James mitkommen. Wieso hatte sie nicht mehr daran gedacht? Genervt schnaufend setzte sie ihren Weg fort und verschwand, nachdem sie ihre Sachen aus dem Gryffindor-Turm geholt hatte, in der Bibliothek, aus der sie auch für den Rest des Tages nicht mehr herauskam. 

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt