Kapitel 3 - Eine neue Freundschaft

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Am nächsten Morgen in der großen Halle saß Severus bereits  beim Frühstück als Lily Evans diese betrat. Es versetzte ihm einen Stich. Sie sah müde und blass aus, ihr hübsches Gesicht mit den sonst so feinen Zügen waren angespannt. Er überlegte ob sie wohl auch die ganze Nacht wach gelegen hatte. Hoffnung schlich sich zurück in sein Herz. Sie wollte das ganze genauso wenig wie er, vielleicht liebte sie ihn doch. Aber wie sollte sie ihn lieben, niemand liebte ihn. Sie war aus Mitleid mit ihm befreundet gewesen. Aber all die Jahre? Vielleicht würde sie seine Entschuldigung doch noch annehmen und... Plötzlich lenkte eine Szene am Gryffindor Tisch seine Aufmerksamkeit auf sich. Dort saß Lily nun zwischen ihren lachenden Freundinnen und starrte vor sich in eine Müslischüssel, als Potter mit seinen nichtsnutzigen Freunden die Halle betrat, sich ihr direkt gegenüber setzte und etwas zu ihr sagte, das Severus nicht verstand. Sie lächelte Potter müde an und Hass stieg in ihm hoch. Wie konnte dieser Potter es wagen. Wie konnte er es wagen sie anzusprechen und sie zu einem Lächeln zu bewegen. Und wie konnte sie nur über Worte dieses Armleuchters lächeln. Seit Jahren hielt sie sich von Potter und seinen Freunden fern, weil sie ihn, Severus Snape seit ihrem ersten Tag in Hogwarts ständig schikanierten und quälten. Wie konnte Lily das so einfach vergessen? Wie konnte sie ihm das experimentieren mit der dunklen Magie vorwerfen, wo doch diese Trottel dort drüben das wahrhaft böse verkörperten. Die dunkle Magie war nicht böse. Sie war die hohe Kunst der Zauberei. Er tat niemandem weh. Sie musste doch den Unterschied begreifen. Sie musste doch erkennen, was gut und was böse war. Eine Welle der Wut überkam ihn und er erhob sich, ohne sein Frühstück angerührt zu haben vom Tisch der Slytherins und verließ eilig die große Halle.

Lily hatte ihn aus den Augenwinkeln beobachtet. James hatte gerade irgendetwas zu ihr gesagt, aber sie hatte nicht zugehört, sondern ihn nur müde angelächelt. Jetzt starrte sie auf die große Tür aus der Severus gerade verschwunden war, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Wie gerne würde sie ihm folgen. Wie gerne würde sie die letzten Tage des Schuljahres mit Severus unten am See verbringen. Die ZAG Prüfungen waren für alle Fünftklässler vorbei und an den letzten Tagen des Schuljahrss hatten sie keinen Unterricht mehr. Was sollte sie jetzt mit ihrer Zeit anfangen? Sie hatte ihre Freundinnen, aber das war einfach nicht das gleiche. „Hey Evans." Wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und schaute hoch. Potter hatte sie erneut angesprochen. „Hey Evans, kommst du mit uns zum See?" Er grinste sie an, seine Freunde waren schon auf dem Weg nach draußen. „Ich... ich weiß nicht..." stammelte sie. „Ach komm schon Evans, das Wetter ist super und Schniefelus scheint schon ohne dich losgezogen zu sein." Sie blickte in sein feixendes Gesicht und eine Mischung aus Trauer und Wut stieg in ihr hoch. „Ich habe keine Lust." Sie packte ihre Tasche bevor James etwas entgegnen konnte und stürmte aus der großen Halle. Lily stürzte in die Eingangshalle, die marmorne Treppe hoch und in Richtung Bibliothek. Sie wollte jetzt niemanden sehen. Mit niemanden sprechen. An der Eingangstür zur Bibliothek blieb sie kurz stehen, atmete ein paar mal tief ein und aus und ging schließlich hinein. Sie suchte sich einen abgeschiedenen Platz, wühlte in ihrer Schultasche nach irgendeinem Buch mit dem sie sich die Zeit vertreiben konnte und zog eines heraus. Gedankenlos schlug sie es auf und erstarrte. „Zaubertränke für Fortgeschrittene". Wieso ausgerechnet dieses Buch. Dieses Buch das sie so sehr an ihn erinnerte. Severus und sie waren die besten Schüler ihres Jahrgangs in Zaubertränke. Sie hatten es geliebt die Rezepte gemeinsam auszuprobieren und zu optimieren. Das war jetzt vorbei. Sie schlug das Buch wieder zu, heftiger als beabsichtigt. Was ihr direkt einen tadelnden Blick der Bibliothekarin einbrachte. Lily lächelte sie entschuldigend an und wandte sich dann wieder ihrer Tasche zu, in die sie das Buch wieder hineinstopfte und ihr Zauberkunst Buch herauszog. Sie fing an, ein wenig darin zu blättern, konnte sich aber nicht so Recht konzentrieren. Seufzend steckte sie auch diese Buch zurück in ihre Schultasche und stand auf. Auf dem Weg zur Tür dachte sie darüber nach, wie sie sich sonst die Zeit vertreiben konnte, als sie an der Tür mit jemandem zusammenprallte und ins schwanken geriet. Die Person fing sie auf und noch bevor sie hochschaute, wusste sie mit wem sie da zusammengestoßen war. Eine Wärme breitete sich in ihr aus, ihr Herz fing an zu rasen doch Severus ließ sie abrupt los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Verächtlich schaute er auf sie hinab, drehte sich um und ging mit großen Schritten davon.

Lily starrte ihm einige Augenblicke nach. Sie musste die Tränen zurück halten die in ihren Augen brannten. Als sie sich gerade in Bewegung setzen wollte sprach jemand direkt neben ihr sie an „ Ist alles in Ordnung mit dir?" Sie zuckte zusammen. „Remus, ich, ich habe dich gar nicht bemerkt." Erwiderte sie erschrocken. „Das war offensichtlich." Antwortete Lupin. „Aber ist alles in Ordnung mit dir?" wiederholte er seine Frage. „Ich... ich  weiß nicht". Stotterte Lily. „Die Begegnung mit Snape scheint dich aus der Fassung gebracht zu haben." – „Remus, wenn du mir für James hinterher spionierst...". fing sie an. „Nein Lily. Ob du es glaubst oder nicht. Ich wollte vor den Ferien ein Buch zurück geben das ich mir aus der Bücherei ausgeliehen habe." Er wedelte mit einem alten ledergebundenen Buch vor ihrer Nase herum. Sie schaute ihn schuldbewusst an. „Entschuldige bitte, ich bin etwas durcheinander. Ich wollte dich nicht so anfahren. „Schon gut." Murmelte er nachdenklich. „Habt ihr euch gestritten? Wegen der Sache am See?" – „Ja." Lily nickte traurig. Sie wusste nicht warum sie mit einem von Potters Freunden sprach. Aber Lupin war schon immer anders gewesen. Zurückhaltend, in sich gekehrt. Nicht so ein Draufgänger wie Potter und Black oder so ein feiger Mitläufer wie dieser Pettigrew. Lupin war schon immer eher im Hintergrund und schien viele Taten seiner Freunde zu missbilligen. Jetzt da er zum Vertrauensschüler ernannt worden war, schien er sie sogar immer häufiger regelrecht auszubremsen. „Nun" unterbrach sie Lupin in ihren Gedanken und räusperte sich kurz. „Nun das, was er da gesagt hat ist nicht zu entschuldigen." -  „Nein." Schweigend standen sie da. Als Lupin plötzlich sagte „Lily, was hältst du von einer Partie Zauberschach im Gemeinschaftsraum?" erstaunt sah sie ihn an. „Aber, wo sind... wieso bist du nicht..." – „Ach die kommen auch mal einen Vormittag ohne mich zurecht." Erwiderte Lupin zwinkernd. „Ich bringe nur schnell das Buch zurück, dann können wir los".

Lily war dankbar für diese Ablenkung und ein paar  Minuten später waren sie auf dem Weg zum Gryffindor Turm. Die Gespräche waren unerwartet zwanglos und sie plauderten über die ZAG-Prüfungen, über die bevorstehenden Ferien und das kommende Schuljahr. Bis zum Mittagessen spielten sie drei Partien Zauberschach, aus denen Remus als klarer Sieger hervor ging. Es war ein schöner Vormittag. Sie hatte sogar einige Momente nicht an Severus denken müssen. Und Remus sprach sie auch nicht mehr darauf an. Die nächsten Tage vergingen wie in Trance. Sie ging zu den Mahlzeiten und zwischendurch las sie in ihren Schulbüchern oder in einem geliehen Buch aus der Bücherei. Sie suchte sich meistens Plätze an denen sie ungestört sein konnte. Sie wollte niemanden sehen. Ihre Freundinnen waren meistens mit den Rumtreibern am See. Nur Amber oder Lupin gesellten sich ab und zu zu ihr. Mittlerweile hatte sie oft das Gefühl, heimlich beobachtet zu werden, aber sie konnte nie Jemanden entdecken und vertiefte sich meistens schnell wieder in ihre Bücher. Tauchte ein in Welten, die sie ihren Schmerz vergessen ließen. Severus hasste sie. Sie musste endlich aufhören an ihn zu denken.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt