„Guten Morgen, Lil.", sagte Severus lächelnd, als Lily nach dem Frühstück zu ihm trat und sich bei ihm einhakte. „Guten Morgen.", sagte sie fröhlich und lehnte kurz ihren Kopf an seine Schulter, während sie gemeinsam hinab zum Klassenraum in den Kerkern liefen. In der ersten Stunde Zaubertränke war Severus noch auf seinen Trank konzentriert, was sich jedoch schnell änderte. Sobald der Zaubertrank die richtige Farbe und Konsistenz hatte und von jetzt an allein vor sich hin köcheln musste, schweiften seine Gedanken unwillkürlich zu gestern Abend. Er beobachtete Lily, die noch nicht ganz so weit war wie er und gerade mit konzentrierter Miene in ihren Kessel blickte, während sie die restlichen Zutaten hinzu gab. Er senkte den Blick und knibbelte gedankenverloren an dem Wachs herum, der auf die Tischplatte getropft war. Hätte sie ihm wirklich davon erzählt, wenn etwas mit dem jüngsten Black vorgefallen wäre? Schließlich legte sie Wert auf ihre Unabhängigkeit und war stark, nicht nur in ihrer Magie. Er hatte keine Zweifel daran, dass sie es allein mit Black oder jedem anderen aufnehmen konnte, trotzdem war ihm nicht wohl dabei, dass sie ihm etwas verschwieg. Falls sie ihm etwas verschwieg, rügte er sich in Gedanken selbst und blickte erneut zu Lily. Sie bemerkte seinen Blick diesmal und lächelte sanft. „Alles in Ordnung?", fragte sie und er überlegte einen Augenblick, bevor er langsam nickte. „Ja. Ja, natürlich.", sagte er und lächelte schief. Lily musterte ihn kurz forschend, wandte sich dann aber wieder ihrer Arbeit zu.
Lily fühlte sich auf seltsame Weise unwohl. Severus beobachtete sie immer wieder mit diesem prüfenden Blick und ein ungutes Gefühl überkam sie. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er von dem Vorfall mit Regulus erfahren hatte, was absurd war, weil es schier unmöglich war. Niemand außer ihr und Regulus wusste davon, und dieser würde Severus wohl kaum davon berichten. Es musste tatsächlich allein ihr schlechtes Gewissen sein, das sie glauben ließ, dass Severus etwas wusste. Trotzdem war sie nervös. Sie mochte es nicht Geheimnisse zu haben, schon gar nicht vor Severus. Sollte sie ihm doch noch davon erzählen? Aber wie würde es aussehen, wenn sie so etwas wichtiges erst zwei Tage später erwähnte? Aber war es überhaupt wichtig? Schließlich war überhaupt nichts geschehen, dachte sie, als Slughorn plötzlich das Ende der Doppelstunde verkündete und sie damit aus ihren Grübeleien riss. Severus und sie reinigten zügig ihre Kessel und machten sich gemeinsam auf den Weg nach draußen. Sie hatten eine Freistunde und wollten das gute Wetter ausnutzen, um draußen am See zu lernen. Sie gingen gerade aus dem Eingangsportal, als Lily mit jemandem zusammen stieß, der im selben Moment hereingeeilt kam. Wie erstarrt blieb sie stehen und blickte in die stahlblauen Augen von Regulus Black. Dieser grinste, dann blickte er zu Severus. „Wie ich sehe, befolgst du meinen Rat, Snape.", sagte er mit verschwörerischer Miene, die seinen Hohn jedoch kaum verbarg. Lily und Severus sagten beide kein Wort, als Regulus sie noch einmal angrinste, sich an ihnen vorbei drängte und ins Innere des Schlosses verschwand. Lily nahm einen tiefen Atemzug, bevor sie sich zu Severus drehte, der ihr mit versteinerter Miene entgegen blickte. Lily bemerkte den unglücklichen Ausdruck in seinen Augen und es brach ihr das Herz. „Sev.", flüsterte sie und griff nach seiner Hand, die er ihr sanft aber entschlossen wieder entzog. „Es ist also wahr.", sagte er leise. „Sev, bitte ich kann es erklären.", flehte sie, woraufhin Severus sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzog.
Es fühlte sich für ihn an, als hätte Lily ihm eine schallende Ohrfeige verpasst. Er fühlte sich verloren und verletzt und verstand nicht, warum sie sich ihm nicht anvertraut hatte. „Ich denke, dass es da nichts zu erklären gibt.", sagte er tonlos. „Du bist mir keine Rechenschaft schuldig." Lily öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber er unterbrach sie. „Ich meine, warum solltest du mir auch erzählen, dass du bedroht wirst.", sagte er sarkastisch und schüttelte den Kopf. „Severus.", sagte Lily leise, aber er hörte es nicht mehr. Er hatte sich bereits umgedreht und lief zurück in die Eingangshalle. Er musste weg. Das erste mal seit sie sich kannten, ertrug er Lilys Gegenwart nicht. In ihm keimte ein ungutes Gefühl auf und die leise Stimme in seinem Kopf schrie ihn förmlich an. Wieso sollte Lily ihm vertrauen? Sie hatte wohl genug Gründe es nicht zu tun. Die sie jedoch noch nicht einmal kannte, dachte er verletzt und eilte hinunter in die Kerker. Er hatte doch gewusst, dass sie nicht das für ihn empfand, was er sich in einem Wahn von Wunschdenken eingeredet hatte. Wieso überraschte es ihn jetzt so sehr? Wieso traf ihn diese Gewissheit trotzdem wie ein Pfeil mitten ins Herz? Weil er ein Narr war, dachte er wütend und stürmte in den Gemeinschaftsraum der Slytherins. Er versuchte sich und seine Gedanken zu ordnen und erblickte etwas, das ihn gewissermaßen ablenkte. Oder zumindest seine Wut umlenkte. Mit großen Schritten durchquerte er den großen Raum und bog in den Gang zu den Schlafsälen der Jungen, wo er Regulus gerade noch einholte, bevor dieser in seinen eigenen Schlafsaal verschwinden konnte. Severus packte ihn und drückte ihn mit einem Arm an die Wand, während er mit der anderen seinen Zauberstab auf sein Gesicht richtete. „Snape.", rief Regulus voller Empörung, aber Severus drückte seinen Arm nur noch fester an Regulus Kehle, dessen Aufschrei dadurch in einem unverständlichem Murmeln endete. „Was wolltest du von Lily?", knurrte Severus bedrohlich. „Und überleg dir gut was du antwortest." Regulus hustete, als Severus seinen Griff lockerte, um ihm Luft zum antworten zu geben. Regulus grinste sein höhnisches Grinsen und Severus überlegte gerade, wie er ihm dieses endgültig austreiben könnte, als Regulus zu einer Antwort ansetzte. „Ich wüsste nicht, was es dich angeht, was ich mit Lily zu besprechen habe.", sagte er und Severus glaubte nicht richtig gehört zu haben. „Du beliebst wohl zu scherzen, Black.", flüsterte er bedrohlich und schubste Black dabei zurück an die Wand. „Oder bist du einfach nur lebensmüde?", fragte Severus leise und musterte Regulus mit abschätziger Miene. „Bleib locker, Snape.", presste Regulus hervor und befreite sich ein Stück, in dem er Severus Arm ein wenig beiseite schob. „Pass einfach besser auf dein Schlammblutmädchen auf und lass mich in Frieden.", sagte Regulus und strich sich seinen Umgang glatt. „Was willst du damit sagen?", fragte Severus, aber Regulus zog bloß eine Augenbraue in die Höhe und lachte freudlos auf. „Glaubst du wirklich, ich sei das Problem in diesem Spiel?", fragte er ruhig und Severus fühlte plötzlich noch viel mehr als die blanke Wut gegen Black. Panik ergriff ihn bei der plötzlichen Ernsthaftigkeit von Black und er fragte sich unvermittelt, ob dieser tatsächlich nicht das Problem war. „Jetzt nimm DEN aus meinem Gesicht und spiel damit wieder ein bisschen schwarzer Magier, aber geh mir nicht ständig auf die Nerven.", sagte Regulus wieder deutlich ungehaltener und schob sich an Severus vorbei. Severus blickte ihm nach, sah die Tür zum Schlafsaal zufallen und schloss für einen Moment seine Augen. Wenn er nur wüsste, was Regulus ihm damit sagen wollte.
Lily spürte einen Kloß in ihrem Hals. Sie überlegte Severus nachzulaufen, aber was würde das bringen? Der Ausdruck in seinen Augen hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, wie verletzt er war und dass er möglichst weit von ihr weg sein wollte. Es schmerzte sie, aber sie konnte es ihm nicht übel nehmen, schließlich war sie selbst Schuld an diesem Schlamassel. Sie schnaubte, sah sich kurz um und beschloss dann im Gemeinschaftsraum nachzusehen, ob ihre Freunde dort waren, was bei diesem Wetter jedoch unwahrscheinlich war. Trotzdem machte sie sich auf den Weg in den Gryffindorturm, weil sie nicht wusste, wohin sie sonst gehen sollte und zu ihrem Erstaunen entdeckte sie tatsächlich Remus mit einem Buch in einer Ecke auf einem der großen Kissen sitzen. Sie ging zu ihm hinüber und ließ sich schwerfällig neben ihn fallen. Er lächelte und rutschte ein Stück, damit sie ein wenig mehr Platz auf dem Kissen fand. „Ich dachte du wärst draußen.", sagte sie, zog ihre Beine an und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. „Das gleiche könnte ich auch sagen.", sagte er und blickte sie erwartungsvoll an. Lily seufzte. „Es ist ein bisschen kompliziert.", sagte sie und lächelte traurig. „Streit?", fragte Remus und klappte sein Buch zu, bevor er es neben sich auf dem Boden legte und sich dann Lily zuwandte. „Ja.", antwortete sie knapp und nestelte nachdenklich an einer der goldenen Quasten, die das Kissen an den Ecken zierten. Remus schwieg und überlegte offenbar, ob und was er erwidern sollte, als Lily sich kurz umsah und dann mit gedämpfter Stimme weiter sprach. „Vor ein paar Tagen hat mir Regulus vor der Bibliothek aufgelauert.", sagte sie leise und blickte sich erneut um. „Aufgelauert?", fragte Remus misstrauisch und runzelte die Stirn. Sie erzählte ihm mit knappen Worten von ihrer Begegnung und Remus lauschte aufmerksam ihren Worten. Als sie geendet hatte schüttelte er langsam den Kopf. „Was wollte er von dir?", fragte er, aber Lily lachte bloß freudlos auf. „Wenn ich das wüsste. Ich hatte das Gefühl, dass er mich von etwas ablenken wollte.", sagte sie nachdenklich und Remus überlegte einen Moment, schien jedoch auch zu keinem Schluss zu kommen. „Mhm, das ist in der Tat merkwürdig." Sie schwiegen wieder, bevor Remus erneut das Wort ergriff. „Und du hast Severus nichts davon erzählt, weshalb er jetzt sauer ist.", schloss er und Lily nickte zerknirscht. „Ja. Ich bin selbst schuld. Aber ich wollte nicht, dass er wütend wird und eine Dummheit begeht. Er sollte keine Probleme meinetwegen bekommen.", sagte sie kleinlaut und Remus trippelte nachdenklich mit seinen Fingerkuppen auf seinem Oberschenkel. „Und jetzt habt ihr beide das Problem.", schloss er und lächelte traurig. Lily lehnte den Kopf an die Wand und richtete ihren Blick an die Decke. „Vielleicht hättest du ihm mehr Vertrauen entgegen bringen sollen.", überlegte Remus und Lily stieß einen tiefen Seufzer aus. „Was mache ich jetzt?", fragte sie und blickte wieder zu Remus, der ratlos mit den Schultern zuckte. „Mit ihm reden, schätze ich.", sagte er und lächelte aufmunternd. „Ja. Ja, du hast Recht.", erwiderte sie gedankenverloren und sprang auf. „Danke, Remi.", rief sie, beugte sich zu ihm hinunter und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor sie eilig den Gemeinschaftsraum verließ.
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Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...