Kapitel 42 - Die Patroni der Animagi

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Severus starrte mit einem beklemmenden Gefühl der Hirschkuh hinterher, die mit ihren langen, eleganten Beinen an ihm vorbei galoppierte und ihre Runde durch den Klassenraum drehte, wobei sie geschickt den anderen Schülern und ihren Patroni auswich. Sie war etwas kleiner als Potters Hirsch, stand ihm jedoch an Stolz und Kraft in nichts nach. Es herrschte absolute Stille, denn alle folgten mit ihren Blicken der Hirschkuh, die so viel Stärke und Glück ausstrahlte, dass es für jeden im Raum spürbar war. „Miss Evans und Mister Potter, sehr schöne und starke Patroni, sehr gut, wirklich sehr gut." Rief Bancroft begeistert in die Stille hinein. „Sie beide scheint im wahrsten Sinne des Wortes etwas großes zu verbinden." Fügte er lächelnd hinzu, und Severus hatte das Gefühl, dass ihm der Boden unter den Füßen weggerissen würde. Was in Merlins Namen hatte das zu bedeuten? Wieso hatten Lily und dieser Trottel so ähnliche Patroni? Das konnte nicht wahr sein. Er beobachtete Lily, die ihrem Patronus mit großen Augen, voller Faszination nachsah, bis er schließlich verschwand. Lilys Gesichtsausdruck versetzte seinem Herzen einen schmerzenden Stich, hatte sie in diesem Moment doch genau so ausgesehen wie das kleine Mädchen, das er vor so vielen Jahren in Cokeworth kennengerlent hatte. Das kleine Mädchen, das mit einer unbändigen kindlichen Neugierde all seinen Erzählungen über die Zaubererwelt gelauscht hatte und es nicht Leid wurde, sie immer und immer wieder zu hören. Er überlegte, ob ihm überhaupt jemals jemand so zugehört hatte wie Lily, und er musste den Blick von ihr abwenden. Er spürte wieder diese unendliche Verzweiflung, die sich in ihm ausbreitete, ihn langsam von innen vergiftete und sich wie ein Schatten über seine Gedanken legte und all seine glücklichen Erinnerungen in einem dunklen Nebel voller Hoffnungslosigkeit verbarg. Er sah zu Lupin hinüber, der ihn offenbar beobachtet hatte. In seinem Blick lag Mitleid und Severus Gefühle schlugen in Wut um. Er brauchte kein Mitleid von diesem Monster. War Lupin denn nicht selbst bemitleidenswert genug? Sollte er sich doch um seine eigenen Probleme kümmern, dachte Snape gereizt, bevor seine Aufmerksamkeit plötzlich auf etwas gelenkt wurde, das über ihren Köpfen statt fand. Er hob den Blick und sah zwei Patroni, die sich spielerisch durch den Raum jagten und sich neckten, als wären sie alte Freunde. Es waren Potters Hirsch und ein großer strubbeliger Hund, die da gemeinsam durch das Klassenzimmer flogen. Snape starrte den Patroni fassungslos hinterher und seine Gedanken überschlugen sich. Das konnte doch kein Zufall sein. Wieso hatten Potters und Blacks Patroni genau dieselben Gestalten der Tiere, die Lily und ihm im Wald zur Hilfe gekommen waren? Er wandte seinen Blick Lily zu, die ebenfalls nachdenklich zu den beiden Tieren hinauf sah. Sie hatte ihre Stirn in Falten gelegt und er war sich sicher, dass sie den vermeintlichen Zufall auch bemerkt hatte. Ihm kam ein unglaublicher Gedanke und Entsetzen breitete sich in ihm aus. Aber wie könnte das sein? Diese nichtsnutzigen Trottel hatten doch wohl kaum die Fähigkeit erlangt zu Animagi zu werden, oder? Es würde einiges erklären, aber das konnte nicht sein, man konnte nicht einfach so ein Animagus werden, dazu gehörte eine ungewöhnliche magische Kraft und eine wirklich starke Selbstbeherrschung. Eigenschaften, die er definitiv nicht für eine Beschreibung von Potter und Black verwendet hätte. Er verwarf den Gedanken an die Animagus-Theorie und ärgerte sich, dass ihm sein Verstand solch einen lächerlichen Streich gespielt hatte. Eine Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und Professor Bancroft stand jetzt direkt vor ihm. „Sie müssen sich besser konzentrieren, Mister Snape. Denken sie an ihre glücklichste Erinnerung." – „Nein." Dachte Snape, nickte jedoch höflich und hob seinen Zauberstab, als wäre er gewillt sein Bestes zu geben. Bancroft gab sich damit zufrieden und wandte sich an Lupin, den er den gleichen Ratschlag erteilte. Auch Lupin nickte bloß und sah hinterher nicht danach aus, als würde er in seinen wundervollsten Erinnerungen schwelgen. Er fuchtelte angespannt mit seinem Zauberstab herum und Severus beobachtete, dass er noch einige halbherzige Versuche unternahm einen Patronus zu erzeugen, was jedoch auch diese Male nicht gelang. Er konnte sich denken, warum Lupin nicht gerade versessen darauf war seinen Patronus zu offenbaren, der mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einen Wolf darstellen würde. Er selbst versuchte es gar nicht erst weiter, er brauchte keinen Patronus und empfand diese Schulstunde als reine Zeitverschwendung. Er verdrängte den Gedanken an Lily und Potters Patroni, denn sie waren bloß ein weiterer Beweis für ihn, wie unnötig diese befremdlichen Nebelkreaturen waren.

Als die Stunde endlich vorüber war und Severus gerade den Klassenraum verließ, rief Bancroft ihm nach. „Mister Snape, bitte üben sie weiter den Patronus Zauber, er ist auch für Ihre Prüfung relevant." Snape sah sich nicht mehr um und ging unbeirrt weiter, als hätte er Bancrofts Worte gar nicht gehört. Direkt hinter ihm sprach jemand in flüsterndem Tonfall, jedoch zu laut, als dass Severus es hätte überhören können, was mit Sicherheit kein Versehen war. „Wozu sollte er den Patronus üben? Als Todesser spielen UTZ's oder Patroni wohl keine große Rolle." Sagte die Person hinter ihm gehässig und er erkannte die Stimme als die von Sirius Black, der gerade laut über seinen eigenen Scherz lachte. Severus drehte sich auch jetzt nicht um. Blacks dummes Geschwätz kümmerte ihn nicht, allerdings wunderte es ihn, dass kein weiteres Lachen erklang. War Potter nicht gerade noch bei ihm gewesen? Er beschleunigte seine Schritte und bahnte sich seinen Weg durch die Menge der Schüler, die gerade ihre Klassenräume wechselten und zur nächsten Unterrichtsstunde unterwegs waren, als ihn plötzlich jemand fest an der Schulter packte. Er drehte sich um und sah geradewegs in Potters arrogantes Gesicht. Snape griff in seiner Umhangtasche unauffällig nach seinem Zauberstab, als Potter bereits zu sprechen begann. „Hey. Snape." Snape zog die Augenbrauen hoch. „Was willst du, Potter?" Spuckte Snape die Worte förmlich aus. „Soll das wieder einer deiner dummen Streiche werden? Davon würde ich dringend abraten." Knurrte Snape. Er war nicht in der Stimmung, sich auch nur die kleinste von Potters Kindereien gefallen zu lassen, aber Potter schüttelte den Kopf und verdrehte genervt die Augen. „Mach mal halblang, Snape. Ich wollte nur... Naja eigentlich..." Snape sah Potter ungeduldig an. „Verschwende nicht meine Zeit, Potter." Unterbrach Snape ihn und ging weiter. Potter setzte sich ebenfalls in Bewegung, er war jedoch einen Kopf kleiner als Snape und hatte dementsprechend Mühe mit ihm Schritt zu halten, ohne in einen Trab zu verfallen. „Snape warte. Ich komme quasi in Frieden." Snape blieb stehen und musterte ihn misstrauisch. „Wirklich. Ich möchte mich entschuldigen." Fuhr Potter fort und Snape schloss seine Hand noch fester um seinen Zauberstab, bereit ihn jederzeit zu zücken und sich gegen einen Angriff zu verteidigen. Aber es geschah nichts. „Hör zu Snape." Sagte Potter leise und sah sich nervös um. Es schien ihm unangenehm zu sein mit Snape gesehen zu werden, und auch das Vorhaben an sich schien ihm nicht zu behagen. „Es tut mir Leid." Fuhr Potter erneut fort, und Snape hatte Mühe seine Überraschung über diese Entschuldigung zu verbergen. „Es war nicht in Ordnung, was wir die letzten Jahre mit dir gemacht haben." Potter sah zerknirscht zu ihm auf und Snape wusste ganz genau, warum er das hier tat. „Nein, das war es nicht." Sagte Severus schließlich und setzte sich wieder in Bewegung. „Es tut mir ehrlich Leid." Rief Potter ihm hinterher und Snape drehte sich wutentbrannt zu ihm um. „Soll ich dir etwa verzeihen, Potter? Ich denke nicht im Traum daran. Und jetzt lass mich endlich in Frieden." Ohne sich noch ein weiteres mal umzusehen ging Snape davon. Wie kam dieser Potter nur auf diesen schmalen Besen sich beim ihm zu entschuldigen? Mit Sicherheit hoffte er, dass Lily ihm verzieh, wenn er sich bei ihm entschuldigte. Oder war es letztendlich doch wieder nur einer dieser trivialen Scherze von Potter und seinen Freunden. Vermutlich amüsierte sich jetzt gerade das gesamte Hause Gryffindor über diese urkomische Unterhaltung zwischen ihnen. Indigniert beschleunigte er seine Schritte und verlangsamte sie nicht, bis er im Slytherin Gemeinschaftsraum angekommen war. 

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt