Kapitel 127 - Auf dem Prüfstand

19 2 0
                                    

Severus war nervös, auch wenn er sich seit Tagen einredete, dass dieser Test keine Schwierigkeit für ihn darstellen würde. Er blickte zu Lily, die seine Unruhe zu spüren schien und sanft seine Hand drückte, als sie ihn jetzt nach dem Frühstück in die Eingangshalle begleitete, wo er mit Slughorn verabredet war, damit dieser ihn nach London begleitete. Der Zaubertrankmeister kam bereits die Stufen herauf, als sie die Halle durchquert hatten, weshalb Lily Severus schnell in eine Umarmung zog und ihn noch einmal fest an sich drückte. Er konnte ihre Zuversicht förmlich spüren und es tat gut zu wissen, dass jemand an ihn glaubte. Dass Lily an ihn glaubte. „Du schaffst das.", flüsterte sie ihm zu und strahlte ihn an. Severus lächelte, küsste sie auf die Wange und ging zu Slughorn, der schon am großen Eichenportal stand.

Lily winkte Severus noch einmal zu, bevor sie sich umwandte und fast mit Professor McGonagall zusammen stieß, die plötzlich hinter ihr aufgetaucht war. „Guten Morgen, Miss Evans.", begrüßte McGonagall sie freundlich und Lily brauchte einen Moment, um sich zu fangen. „Guten Morgen, Professor.", sagte sie schließlich und lächelte. „Ich habe Sie schon überall gesucht, der Schulleiter würde sie gerne sprechen.", erklärte McGonagall, die immer alles gerne ohne große Umschweife auf den Punkt brachte. Lily blickte sie verwundert an. „Mich?", fragte sie und erntete einen tadelnden Blick von ihrer Hauslehrerin, die sich bereits zum Gehen gewandt hatte. Sie ließ Lilys Frage unbeantwortet und bedeutete ihr mit einer ungeduldigen Geste ihr zu folgen. „Kommen Sie schon, meine Liebe. Der Schulleiter wartet nicht ewig auf uns.", rief sie ihr über ihre Schulter hinweg zu und Lily beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten. Kurze Zeit später standen sie bereits vor Dumbledores Bürotür, an der Lily Professor McGonagall noch einen nervösen Blick zuwarf, bevor Dumbledore sie hinein bat. Sie traten ein und nach ein paar Worten der Begrüßung verabschiedete sich ihre Hauslehrerin auch schon wieder und Lily war plötzlich mit dem Schulleiter allein. Aufgeregt saß sie vor dem großem Schreibtisch und blickte zu Dumbledore, der entspannt in seinem Sessel zurück gelehnt saß. „Miss Evans, hatten Sie ein schönes Weihnachtsfest?", fragte Dumbledore freundlich und Lily nickte lächelnd. „Danke, Sir. Ich hoffe sie auch?" – „Danke.", erwiderte Dumbledore ebenfalls lächelnd. „Wie mir zu Ohren gekommen ist, sind Sie und Mr. Snape sich in den letzten Tagen wieder etwas näher gekommen.", begann er und Lily errötete leicht. „Nicht, dass mich das etwas anginge.", fügte er ruhig hinzu und musterte sie aufmerksam. „Ja. Wir haben uns wieder versöhnt, das stimmt.", sagte Lily und Dumbledore nickte nachdenklich. „Miss Evans, ihre Beziehung zu einem Ihrer Mitschüler ist natürlich nicht der Grund für meine Einladung.", erklärte er ernst und blickte sie über die Gläser seiner halbmondförmigen Brille an. Lily strich sich nervös eine Strähne aus dem Gesicht und wartete angespannt darauf, was Dumbledore von ihr wollte. „Letztes Jahr, nach dem Überfall auf Sie.", begann er, woraufhin sich Lily augenblicklich versteifte. Ihr Herz klopfte schnell und sie sah unsicher zum Schulleiter, weil sie vermutete, dass er etwas über die Täter herausgefunden hatte. „Leider kann ich Ihnen immer noch nicht sagen, wer Ihnen das angetan hat.", erklärte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Es geht vielmehr darum, was Sie mir damals gesagt haben." Lily horchte auf. „Würden Sie immer noch gegen Voldemort kämpfen?", fragte er unvermittelt und Lily zuckte bei dem Namen von Du-weißt-schon-wem unwillkürlich zusammen. Jedoch fasste sie sich schnell wieder und nickte hastig. „Ja, Sir. Das würde ich, soweit mir dies möglich ist. Ich kann nicht untätig zusehen, wie er unsere Welt zerstört und so viel Böses verbreitet.", sagte sie mit fester Stimme und setzte sich etwas aufrechter in ihren Sessel. Dumbledore musterte sie erneut und nickte dann nachdenklich. „Gut.", sagte er. „Es gibt da eine, sagen wir Organisation, die ich gegründet habe, und dessen Ziel es ist, Lord Voldemort zu bekämpfen." Lily starrte ihn mit großen Augen an. „Eine Organisation?", hauchte sie und spürte, wie ihre Hände vor Aufregung ganz feucht wurden. „Ja, Miss Evans. Wir nennen uns den Orden des Phönix.", erklärte er und warf dem großen rotgoldenen Vogel in der Ecke des Büros einen kurzen Blick zu. Und auch Lily sah zu dem imposanten Phönix hinüber, der sie neugierig mit seinen kleinen schwarzen Knopfaugen betrachtete. Dann sah sie wieder zu Dumbledore, der jede ihrer Regungen genau beobachtet hatte. „Wir versuchen Voldemort immer einen Schritt voraus zu sein und das größte Unheil abzuwenden, in dem wir zum Beispiel Anschläge auf Muggel verhindern. Oder zumindest die Ausmaße dieser Gräueltaten so gering wie möglich halten.", begann er und Lily lauschte aufmerksam seinen weiteren Schilderungen über diesen sogenannten Orden des Phönix und sie spürte mit jedem seiner Worte mehr, wie ein unbändiger Tatendrang und eine Art Euphorie in ihr aufflammten. „Wären sie bereit sich uns anzuschließen?", fragte Dumbledore schließlich und Lily brachte zunächst kein Wort heraus. Geduldig wartete Dumbledore bis Lily ihre Stimme wieder gefunden hatte. „Ja.", stottere sie. „Ja. Sofort. Es wäre mir eine Ehre.", fügte sie entschlossen hinzu und reckte leicht ihr Kinn hervor, während sie ihre Schultern straffte. Dumbledore lächelte traurig und sie sah die Sorge in seinen Augen. Plötzlich verspürte sie zum ersten Mal eine unbestimmte Angst, die sie bei dem Gedanken an ihre Entscheidung erfasste. Ihr wurde bewusst, wie ernst das Ganze war, und welcher Gefahr sie sich aussetzen würde. Und auch ihre Freunde, die Dumbledore ebenfalls fragen würde, ob sie sich dem Orden anschließen wollten. „Es wird großen Mut erfordern, Miss Evans.", erklärte er noch einmal eindringlich. „Voldemort ist nicht zu unterschätzen. Sie werden sich in unvorstellbare Gefahr begeben.", sagte er und wartete gespannt auf Lilys Reaktion. Diese blickte gedankenverloren auf ihre Hände, die ruhig in ihrem Schoß lagen, während ihre Gedanken sich überschlugen. Egal wie viel Angst sie hatte. Ihre Gefühle spielte keine Rolle wenn sie wollte, dass nachfolgende Generationen, zu der vielleicht sogar ihre eigenen Kinder gehörten, in einer Welt aufwuchsen, in der Frieden herrschte. „Ich weiß.", antwortete sie schließlich. „Ich werde trotzdem kämpfen." Wieder lächelte Dumbledore ein trauriges Lächeln. „Das habe ich erwartet.", sagte er leise und sie sahen sich einen Moment in die Augen. „Ich werde Sie wissen lassen, wann das nächste Treffen statt findet.", sagte er und erhob sich für einen Mann seines Alters erstaunlich schwungvoll von seinem Sessel. „Danke, Sir.", erwiderte Lily und stand ebenfalls auf. „Nun genießen Sie aber noch den Rest Ihrer Ferien.", sagte er zwinkernd und Lily lachte leise. „Ja, bevor bald der Prüfungsstress beginnt.", erwiderte sie, während der Schulleiter sie zur Tür begleitete. „Ich bin mir sicher, dass Ihnen die Prüfungen keine Schwierigkeiten bereiten werden.", sagte er schmunzelnd und Lily lächelte verlegen. Sie verabschiedeten sich und Lily verließ mit gemischten Gefühlen das Büro. Sie spürte wie sich eine innere Unruhe in ihr ausbreitete und sie stellte beklommen fest, dass sie sich jetzt vermutlich endgültig von ihrer Kindheit verabschieden musste. Die unbeschwerten Zeiten ihres Lebens waren vorbei und sie wusste, dass ab jetzt ein neuer Abschnitt beginnen würde.

Severus betrachtete konzentriert die Flüssigkeit in seinem Kessel vor ihm und runzelte nachdenklich die Stirn. Hatte er doch zu viel geriebene Schafgarbe hinzugefügt? Nein, die Farbe und Konsistenz des Tranks waren genau so wie sie in dem Buch beschrieben wurden, dachte er und beschloss nichts weiter an dem Trank zu ändern. Er wischte sich gerade mit dem Ärmel seines Umhangs den Schweiß von der Stirn, als Mr. Patton, der leitende Zaubertrankmeister des St. Mungos, an seinen Kessel trat und einen kritischen Blick hineinwarf. Severus beobachtete ihn nervös und stellte zu seiner Besorgnis fest, dass er nicht begeistert zu sein schien. Patton kritzelten nur ein paar Worte mit seiner Feder auf eine Rolle Pergament, die vor ihm in der Luft schwebte, und ging kommentarlos zu einem der nächsten Bewerber. Severus kannte keinen von ihnen, und er interessierte sich auch für keinen von ihnen. Er wollte diese Stelle mehr als alles andere und durfte sich nicht ablenken lassen. Er hatte gerade den dritten und somit letzten Trank dieser Prüfung zu Ende gebraut und war eigentlich bis jetzt zuversichtlich gewesen, dass er es gut gemeistert hatte. Aber Mr. Patton schien bereits die gesamte Zeit nicht sonderlich angetan von seinem Können zu sein. Er warf immer nur kurze Blicke auf seine Arbeit, um dann zügig weiter zu gehen. Mutlosigkeit breitete sich in Severus aus. Vielleicht war das doch nicht die richtige Stelle, oder gar der richtige Beruf für ihn. „Die Zeit ist gleich um.", rief Mr. Patton mit dunkler und streng klingender Stimme in die Runde und legte seine Notizen auf einem kleinen Schreibtisch ab. Eine allgemeine Unruhe machte sich breit und einige der anderen Bewerber versuchten noch hektisch ihre Tränke fertig zu stellen, während Severus bereits seit einer Viertelstunde fertig war. Hatte er etwas falsch gemacht? Seine Nervosität bereitete ihm langsam echtes Unwohlsein und er verspürte einen leichten Schwindel. „Bitte treten Sie jetzt alle einen Schritt von ihrem Kessel zurück. Die Zeit ist um.", verkündete Patton und Severus war froh, dass er wenig später dem stickigen Raum entfliehen konnte und er beeilte sich, aus den Räumen der Zauberapotheke im Untergeschoss des St. Mungos heraus zu kommen. Gerade als er in das erste Obergeschoss gelangte, wo er sich mit Slughorn für die Abreise verabredet hatte, stieß er fast mit jemandem zusammen. „Mr. Snape, nicht wahr?", fragte ihn ein großgewachsener Mann, der ihm unvermittelt seine Hand entgegen streckte. „Mr. Chamberlain, guten Tag, Sir.", begrüßte Severus den Leiter des St. Mungos freundlich. „Wie war der Brautest?", fragte Chamberlain und Severus zögerte einen Moment. „Ganz gut, denke ich.", antwortete er optimistisch, obwohl er sich überhaupt nicht so fühlte. Chamberlain lächelte zufrieden. „Gut.", sagte er und wollte sich gerade wieder verabschieden, als ihm etwas einzufallen schien. „Mr. Snape, Ihr Freund, Mr. Lupin.", begann er und Severus blickte ihn überrascht an, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass Lupin keineswegs sein Freund war. „Wissen Sie was mit ihm ist? Ich hatte ihm geschrieben und gefragt, ob er Interesse an einem Studium der Zauberheilkunde hätte. Ich habe einen guten Freund an der Universität für Hexerei und Zauberei bei dem ich ein gutes Wort für ihn einlegen könnte, aber ich habe noch keine Antwort von Mr. Lupin erhalten.", sagte er stirnrunzelnd und Severus wusste nicht so recht, was er antworten sollte. „Ich schätze, dass er ein wenig im Prüfungsstress ist und noch gar keine Zeit hatte den Brief zu lesen.", erklärte Severus schulterzuckend. Was tat er hier? Wieso erfand er Ausreden für Lupin? Lily würde es gut heißen, dachte er im gleichen Augenblick und begnügte sich zunächst mit dieser Begründung. Und auch Chamberlain schien diese Antwort einigermaßen zufrieden zu stellen, denn er nickte verständnisvoll. „Könnten Sie ihm ausrichten, dass ich auf seine Rückmeldung warte?", fragte er, woraufhin Severus widerwillig nickte. Chamberlain verabschiedete sich und Severus sah sich seufzend nach Slughorn um, der bereits auf ihn zugelaufen kam. „Mein Guter, wie lief der Test? Ich bin sicher, dass sie mich nicht enttäuscht haben. Wie ich gehört habe, waren die anderen Bewerber etwas älter als Sie, aber das sollte sie nicht einschüchtern.", erklärte Slughorn vergnügt und sie gingen gemeinsam auf den Ausgang des Krankenhauses zu. „Unter uns, einige von denen haben bereits ein Studium in ähnlichen Bereichen begonnen und sind mit den Lerninhalten überfordert. Sie folgen dem Trugschluss, dass diese Ausbildung einfacher wäre als ein Studium. Glauben Sie mir, ich habe fast jeden von ihnen unterrichtet und kein einzelner hat ansatzweise das Talent, das sie besitzen.", sagte Slughorn in verschwörerischem Ton zu ihm und Severus lächelte steif. Er war froh, als sie endlich zurück nach Hogsmeade apparierten. Er fühlte sich gerade alles andere als talentiert, aber das würde er seinem Hauslehrer nicht auf die Nase binden. So wie es aussah, hatte er sich vollkommen mit seinen unzulänglichen Tränken blamiert, und hoffte, dass sich ihm irgendwo anders noch eine andere berufliche Chance bieten würde.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt