Kapitel 135 - Ungewisse Zukunft

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Seit dem Anschlag in Hogsmeade waren bereits einige Tage vergangen, aber es herrschte immer noch eine bedrückende Stimmung im Schloss. Erst gestern Abend hatte Dumbledore eine Sitzung des Ordens einberufen, bei der auch Lily und ihre Freunde teilgenommen hatten. Der Schulleiter war besorgt über einen Angriff der Todesser in unmittelbarer Nähe von Hogwarts, auch wenn niemand ernsthaft zu Schaden gekommen war. Es sah so aus, als hatte Voldemort bloß eine Warnung senden wollen, aber Dumbledore wollte keine weiteren Risiken eingehen und hatte die nächsten Samstage in Hogsmeade zum Schutz der Schüler vorläufig abgesagt. Lily vermutete, dass die meisten Eltern ihren Kindern diese Ausflügen ab sofort sowieso verbieten würden. Die Angst in der Zaubererwelt stieg von Tag zu Tag und die meisten versuchten ihre Familien so gut wie möglich zusammen zuhalten. Ein Paar Eltern hatten bereits angekündigt, ihre Kinder nach den Sommerferien nicht mehr nach Hogwarts schicken zu wollen. Alle Ordensmitglieder, zu denen auch einige der Lehrer gehörten, waren sich jedoch einig, dass das nicht geschehen durfte. Ihre Gesellschaft durfte nicht auseinander brechen, oder die Ausbildung ihrer minderjährigen Hexen und Zauberer vernachlässigen. Das war genau das, was Voldemort wollte und das durften sie auf gar keinen Fall zulassen, weil es den Anfang eines Untergangs einleiten würde. Zumindest darüber waren sie sich einig gewesen, dachte sie und sah aus dem Fenster, an dem sie schon eine ganze Weile stand und versuchte das ungute Gefühl in sich zu unterdrücken, das immer in ihr aufkam, wenn sie an die bevorstehenden Kämpfe dachte. „Hey.", sagte eine sanfte Stimme und Lily spürte eine Hand, die sich vorsichtig zwischen ihre Schulterblätter legte. Sie riss sich aus ihren Gedanken und sah geradewegs in Ambers Gesicht. „Hey.", hauchte Lily zurück und lächelte müde. Amber war gestern Abend aus dem Krankenflügel entlassen worden und sie hatten die halbe Nacht im Gemeinschaftsraum gesessen und geredet. „Heute ist nicht der richtige Tag, um Trübsal zu blasen.", sagte Amber und strich Lily erneut über den Rücken. Diese nickte stumm und blickte auf ihre Hände, die reglos auf der kühlen Fensterbank lagen. Amber hatte Ihr verziehen und sich unter Tränen bei ihr entschuldigt, dass sie Severus offensichtlich Unrecht getan hatte. Auch ihre restlichen Freunde waren ihm dankbar dafür, Amber im letzten Moment gerettet zu haben und sie versuchten seitdem so freundlich wie möglich mit ihm umzugehen. Trotzdem war Lily nervös wie der heutige Abend verlaufen würde. Es war ihr 18. Geburtstag und Professor McGonagall hatte erlaubt, dass sie Severus und eine weitere Person ihrer Wahl für die Feier in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors einladen durfte. Sie hatte auch Sophie gefragt, die in letzter Zeit viel mit ihnen unterwegs war und sich sehr über die Einladung gefreut hatte. Vermutlich auch, weil sie so die seltene Gelegenheit haben würde, den ganzen Abend mit James verbringen zu können. Zwischen den beiden schien sich eine Beziehung anzubahnen, auch wenn James ihr gegenüber damals beteuert hatte, dass der Kuss mit Sophie eine einmalige Sache gewesen war. Lily schmunzelte bei dem Gedanken an seine Worte. Sie wünschte den beiden, dass sie noch weiter zueinander finden und glücklich werden würden, damit James endlich los lassen konnte. Es war Lily unangenehm, ständig seine Blicke auf sich zu spüren, oder seine traurigen Augen, die sie immer mit einer Spur Vorwurf ansahen. Auch seine unterkühlte Art, die er ihr entgegen brachte, seit sie mit Severus zusammen war, war ihr mittlerweile mehr als zuwider. Vielleicht würde das alles besser werden, wenn er eine neue Liebe fand, dachte sie und lehnte den Kopf an Ambers Schulter. Schweigend standen sie dar und sahen gemeinsam auf die Weiten des Schlossgeländes, die in der Dämmerung immer kleiner und kleiner zu werden schienen.

Severus Gedanken kreisten immer noch um das Gespräch mit Dumbledore, das er vor zwei Tagen mit diesem geführt hatte. Wie verloren hatte er in dem großen Schulleiterbüro gesessen. Voller Trauer, Wut und Hass, während er Dumbledore bis ins kleinste Detail hatte erzählen müssen, was an dem Samstag auf der Lichtung und in Hogsmeade geschehen war. Der alte Mann hatte ihm aufmerksam zugehört, ohne jede Regung oder Unterbrechung. Erst als Severus ihm seinen entblößen Unterarm entgegen gestreckt hatte, hatte Dumbledore sich ein Stück zu ihm herüber gebeugt und einen Moment sprachlos auf die pechschwarze Zeichnung auf Severus Arm gestarrt. Severus hatte geglaubt, so etwas wie Bestürzung in seinem Blick gesehen zu haben, und es erfüllte ihn mit Genugtuung, wenigstens den Anflug eines schlechten Gewissens zu erkennen. Auch wenn der Schulleiter sich schnell wieder gefangen hatte, war ihm deutlich anzusehen gewesen, wie sehr ihn das dunkle Mal abstieß. „Das ist doch das was Sie wollten.", hatte Severus verächtlich gesagt, während er keine Anstalten gemacht hatte, seinen gezeichneten Arm wieder unter dem schwarzen Stoff zu verbergen. In dem Moment hatte Dumbledore müde ausgesehen. „Ich weiß.", hatte er bloß gesagt und Severus war fast rasend vor blanker Wut auf den alten Mann gewesen, der so tat, als wäre es eine Selbstverständlichkeit von jemanden zu verlangen, sich Voldemorts Todessern anzuschließen.

Severus riss sich aus seinen Gedanken und sah zur großen Uhr, die in einer Ecke des Slytherin Gemeinschaftsraums stand. Er musste sich gleich auf den Weg machen. In wenigen Minuten war er mit Lily am Eingangsporträt des Gryffindor-Turms verabredet, wo sie ihn in den Gemeinschaftsraum mitnehmen würde. Heute war ihr Geburtstag, den sie trotz der Geschehnisse in Hogsmeade ein wenig feiern wollte. Vielleicht auch gerade wegen dieser Umstände. Lily war der Ansicht, dass man in solch einer unsicheren Zeit, in der sie lebten, jede Chance nutzen sollte, um Zeit mit den Menschen zu verbringen, die man liebte. Sie hatte gesagt, dass man der Dunkelheit des Krieges mit Licht begegnen müsse, damit die Hoffnung in ihren Herzen bliebe. Und wieder einmal hatte sie ihn mit ihrer unvergleichlichen Sicht auf die Dinge so sehr verzaubert, dass er sie daraufhin in seine Arme gezogen und fest an sich gedrückt hatte, damit sie die Tränen in seinen Augen nicht bemerkte, oder die Hoffnungslosigkeit die sich ohne Zweifel in ihnen widerspiegelte. Denn seine Hoffnung war an dem Tag auf der Lichtung endgültig erloschen, und es tobte seitdem ein Kampf in ihm, weil er wusste, dass er Lilys Liebe nicht verdient hatte und dass sie nicht verdient hatte, was er war. Aber er war zu egoistisch, um sich von ihr fern zu halten. Sie brachte ihm immer wieder Licht in einer Zeit, in der es sonst nur noch Dunkelheit in ihm gab. Das dunkle Mal hatte ihm fast alles genommen, zumindest fühlte es sich für ihn so an. Es sollte ihm nicht auch noch Lily nehmen, aber er wusste, dass es das würde, sobald sie davon erfuhr. Er presste seine Kiefer aufeinander, ballte die Fäuste und schüttelte unvermittelt den Kopf, als könne er die Gedanken damit vertreiben. Er versuchte sich auf den bevorstehenden Abend zu konzentrieren, was seinem momentanen Gemütszustand allerdings nicht gerade zuträglich war. Trotzdem machte er sich pünktlich auf den Weg zu den Gryffindors, während er versuchte die Nervosität zu unterdrücken, die von ihm Besitz ergriffen hatte und von der er bloß verächtlich Notiz nahm. Es sollte ihm völlig egal sein, wie Lilys Freunde ihn behandelten, oder was sie von ihm dachten. Aber es war ihm nicht egal. Diese Tatsache wollte er sich jedoch um keinen Preis eingestehen, weshalb er seine Aufregung einfach weiterhin ignorierte und schnellen Schrittes durch die Gänge von Hogwarts eilte. Er hätte den Weg zu den Gryffindors mit verbundenen Augen gefunden und war deshalb nicht verwundert, als er ohne darauf zu achten wo er lang lief, plötzlich direkt vor dem Porträt der fetten Dame stand.

Als Lily durch das Porträtloch kletterte, entdeckte sie Severus noch bevor sie den Gang richtig betreten hatte. Freudestrahlend lief sie auf ihn zu, schlang die Arme um ihn, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft. Hier draußen waren sie wenigstens für einen kurzen Augenblick ungestört, bevor sie gleich den vollen Gemeinschaftsraum betreten würden. Seit die Ferien vorbei waren, war die Zeit zu zweit noch kostbarerer geworden, weil es kaum noch Momente gab, die nur ihnen alleine gehörten. Entweder war ständig jemand um sie herum, oder sie versanken in ihren Schularbeiten und hatten schlicht keine Zeit, weil sie jede freie Minute für das Lernen ihrer Abschlussprüfungen benötigten. Das alles war in ein paar Monaten vorbei, dachte Lily erleichtert, aber nicht ohne eine schmerzende Wehmut. Ihre Zeit in Hogwarts hatte bald ein Ende, was sie einerseits traurig machte, andererseits aber auch von einer aufregenden Vorfreude begleitet war, die sie verspürte, weil neue Herausforderungen auf sie warten würden. Sie löste sich von Severus, lächelte ihn glücklich an und griff nach seiner Hand. Im September würde sie anfangen im Zaubereiministerium zu arbeiten, was sie mit Stolz erfüllte. Erst letzte Woche war sie zu einem Vorstellungsgespräch gebeten worden, bei dem man ihr die Stelle tatsächlich direkt angeboten hatte. Nach ihrem Abschluss würde sie in der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe arbeiten und war fest dazu entschlossen, für die Rechte derjenigen zu kämpfen, die sich selbst nicht helfen konnten oder für die sonst Niemand eintrat. Es musste einen Wandel geben, vor allem in solch dunklen Zeiten, in denen man zusammen halten musste und jeden Verbündeten brauchen konnte.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt