Kapitel 144 - Geheimnisse

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„Hey Lil." Lily sah von ihrer Rolle Pergament auf und blickte geradewegs in James betretenes Gesicht. „Hi.", sagte sie knapp und tunkte ungerührt ihre Feder in das Tintenfass, um ihren Aufsatz weiter zu schreiben. James räusperte sich verlegen. „Darf ich mich zu dir setzen?", fragte er vorsichtig und sie blickte erneut zu ihm auf. Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf den leeren Stuhl neben sich, den James daraufhin ein Stück zu sich zog und darauf Platz nahm. „Was gibt's?", fragte sie und lehnte sich ein wenig zurück. Ihr Rücken schmerzte wie so oft von dem gebeugten Sitzen über irgendwelchen Büchern oder Pergamentrollen, über denen sie ständig brütete. Wenn es nicht unbedingt James gewesen wäre, der ihr diese Zwangspause verschaffte, wäre sie sogar froh über ein wenig Abwechslung gewesen. Sie saß in einer Ecke des Gemeinschaftsraums und hatte gehofft, dass Amber oder Remus irgendwann zu ihr stoßen würden. Auf ein Gespräch mit James hatte sie gerade herzlich wenig Lust, aber darum würde sie jetzt wohl nicht mehr herum kommen. „Du siehst müde aus.", unterbrach James ihre Gedanken und musterte sie besorgt. „Bist du deswegen hier?", fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben. James schnaufte leise. „Ach Lil, jetzt mach es mir doch nicht so schwer." – „Was möchtest du, James Potter?", fragte sie ungeduldig, während sie ihre Feder beiseite legte und ihre Arme vor der Brust verschränkte. „Du scheinst wütend auf mich zu sein, aber ich weiß nicht warum. Wenn es noch wegen der Sache im Glockenturm ist... also, es tut mir Leid .", sagte er kleinlaut und Lily legte den Kopf etwas schräg. „Schon wieder?", fragte sie entnervt, woraufhin James seinen Stuhl etwas näher an sie heran rückte. „Hör zu.", begann er, ohne auf ihren Kommentar einzugehen. „Dir und Schnie... also Snape hinterher zu spionieren... das war total daneben von mir.", sagte er zerknirscht, während er nervös mit seinen Fingern auf dem Tisch herum trommelte. „Aber ich dachte, weil du den Abend vorher... naja ich weiß auch nicht was ich gedacht habe.", sagte er verlegen. „Du dachtest, weil ich in deinen dunkelsten Stunden für dich da war, hast du das Recht dich in mein Leben einzumischen? Oder Severus und mir dann wieder am See hinterher zu schleichen?", fragte sie und spürte die Wut in ihrem Bauch. „N.. Nein. Natürlich nicht. So war das nicht gemeint. Aber wieso am See?", fragte James verwirrt und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Wie war es denn dann gemeint?", fragte Lily ungerührt, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt und wunderte sich insgeheim über seine Überraschung. James runzelte die Stirn. „Ich dachte... also es fühlte sich so an, als ob du das gleiche fühlst wie ich.", sagte er leise und senkte verlegen den Blick. Plötzlich hatte Lily doch Mitleid mit ihm. James Gefühle hatten ihm einfach einen Streich gespielt. Konnte sie ihm das in der Lage, in der er sich befunden hatte, überhaupt übel nehmen? Sie seufzte leise und griff nach seiner Hand, die jetzt ruhig auf dem Tisch lag. „James. Es tut mir Leid, dass du das so empfunden hast. Ich wollte dir keine Hoffnungen machen." James Blick verdüsterte sich, aber er schwieg. „Ich war für dich da, weil du mein Freund bist, und weil Freunde das füreinander machen.", erklärte sie sanft und lächelte, während sie vorsichtig ihre Hand wieder zurück zog. James nickte langsam, bevor wieder eine unangenehme Stille entstand. „James...", begann Lily und James blickte sie aufmerksam an. „Darf ich dich etwas fragen? Mit dem Versprechen, dass du die Wahrheit sagst?", fragte sie und James zog erstaunt die Augenbrauen nach oben. „Klar.", antwortete er und Lily nahm einen tiefen Atemzug, bevor sie weiter sprach. „Hast du Severus und mich gestern am See beobachtet?", fragte sie und musterte dabei jede Regung in seinem Gesicht. Zu ihrem Erstaunen entdeckte dort erneut eine ehrliche Überraschung. „Nein.", sagte er schließlich und hielt ihrem Blick stand, ohne dass sie den kleinsten Hinweis in seinen Zügen entdeckte, die seine Aussage eine Lüge strafte. Wieder schwiegen sie bis diesmal James das Schweigen zwischen ihnen unterbrach. „Aber wo wir schon mal bei dem Thema Wahrheiten sind.", sagte er und rieb nervös mit den Innenflächen seiner Hände über seine Oberschenkel. „Ich muss dir was erzählen. Über Snape.", fuhr er mit leiser Stimme fort und augenblicklich verkrampfte sich Lilys Magen. Nicht schon wieder, dachte sie und starrte ihm mit ausdrucksloser Miene entgegen. James sah sich um und beugte sich noch etwas näher zu ihr hinüber. Lily vermutete, dass er dies tat, um leiser sprechen zu können, aber vor allem wohl, um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen und es kostete sie viel Mühe ein genervtes Augenrollen zu unterdrücken. „Lily, Snape führt irgendetwas in Schilde." – „James.", unterbrach Lily ihn, aber James fuhr ungerührt weiter. „Er verschwindet nachts regelmäßig aus dem Schloss. Er geht zur heulenden Hütte und ist wenig später spurlos verschwunden.", erklärte er eilig und mit aufgeregter Stimme. Lily wurde heiß und kalt zugleich. Sie war verwirrt über diese Information, aber mindestens ebenso sauer darüber, dass James offenbar nicht bloß ihr mit Hilfe der Karte hinterher spionierte, sondern offensichtlich auch Severus. „Du beobachtest ihn auf der Karte?", fragte sie ungläubig und James verzog seinen Mund zu einem Schmollen. „So wie es aussieht ja wohl zurecht.", sagte er in gereiztem Tonfall und schüttelte dabei fassungslos den Kopf. „Sag nicht, dass du auch hierfür eine Ausrede für deinen kleinen Todesserfreund hast.", sagte James und die Ungläubigkeit stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Wie kannst du es wagen?", fauchte Lily und sie und James starrten sich einen Moment wütend an. „Er. Ist. Gefährlich.", sagte James. „Du bist ein Spielzeug für ihn. Oder glaubst du, dass sein Herr auf Dauer eine Beziehung zu dir duldet?", fragte er provokant und Lily blieb vor Entsetzen der Mund offen stehen. Sie wusste nicht was sie sagen sollte, aber das musste sie auch nicht, denn James sprach einfach weiter. „Er benutzt dich für irgendetwas, und du verschließt die Augen davor.", sagte James und blickte sie mit ernster Miene an. „Oder willst du sagen, dass dir nichts merkwürdiges an ihm aufgefallen ist?", fragte er und sah ihr direkt in die Augen. Lily fühlte sich plötzlich schwindelig, weil sie wusste, dass James nicht ganz Unrecht hatte. Natürlich waren ihr die Geheimnistuerei in manchen Momenten und seine betrübte Stimmung in den letzten Monaten aufgefallen. Unwillkürlich fielen ihr Situationen ein, in denen er sie plötzlich und fast buchstäblich von sich weggestoßen hatte. Es waren immer Momente gewesen, in denen sie sich sehr nah gewesen waren und sie hatte gedacht, dass Severus einfach nur nicht mit dieser Nähe umgehen konnte, weil es ungewohnt für ihn war und ihm vielleicht alles nur zu schnell ging. Aber was war, wenn sie wirklich nur ein Mittel zum Zweck für ihn war und er in diesen Situationen genau aus diesem Grund ihre Nähe nicht mehr ertragen konnte? Weil er sie eigentlich gar nicht wollte? Sie erschrak über ihre eigenen Gedanken und ihre Zweifel an dem Menschen, den sie so sehr liebte und dem sie mit jeder Phase ihres Herzens vertraute. Oder besser gesagt, vertraut hatte, dachte sie bekommen und schob diesen Gedanken beiseite. Das war doch genau das, was James bezwecken wollte. James wollte einen Keil zwischen Severus und sie treiben, weil er eifersüchtig war. Trotzdem könnte er Recht haben, flüsterte eine leise Stimme in ihrem Inneren, und sie versuchte sie mit einem energischen Kopfschütteln zu vertreiben. „Nein.", hauchte sie. „Mir ist nichts merkwürdiges aufgefallen." Sie sahen sich einen Augenblick tief in die Augen. „Lass mich endlich in Frieden mit deinen Märchen, Potter. Oder muss ich dich daran erinnern, dass du dich selbst regelmäßig aus dem Schloss schleichst.", sagte sie und stand energisch von ihrem Stuhl auf. Auch James erhob sich, fasste sie sanft am Arm und blickte sie wieder mit ernster Miene an. „Ich habe aber keine Geheimnisse vor dir.", sagte er leise und Lily wusste, dass diese Worte noch lange in ihrem Kopf nachhallen würden.

Severus drehte gedankenverloren den Brief des St. Mungos in seinen Händen und bemerkte nicht, wie jemand leise an ihn heran trat. „Was machst du da?", fragte Regulus, ging um ihn herum und setzte sich ebenfalls auf einen der Sessel, die genau gegenüber von ihm standen. Severus starrte ihn ungläubig und voller Verachtung an. „Du wagst es mich anzusprechen, Black?", fragte Severus und legte so viel Abscheu in seine Stimme, wie ihm möglich war. „Aber, aber.", sagte Regulus ruhig und musterte ihn forschend. „Warum so mies gelaunt, Snape?" Severus runzelte verärgert die Stirn. Diese Frage konnte diese Black Brut nicht ernst meinen. „Nun, es ist traurig, dass du nicht selbst darauf kommst.", sagte Severus und steckte unauffällig den Brief zurück in seine Tasche, während er Regulus nicht aus den Augen ließ. „Vielleicht liegt es daran, dass du Lily zutiefst beleidigt hast.", fügte er in harschem Ton hinzu und starrte Regulus finster an, der bloß die Schultern zuckte. „Wie ich gehört habe, ist das nichts, das du nicht auch schon getan hast.", erwiderte er und grinste höhnisch. Severus ballte seine Hände zu Fäusten. Black hatte einen wunden Punkt getroffen, aber irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er nicht darauf eingehen durfte. „Lass sie einfach in Ruhe.", sagte Severus und stand auf. Er wollte eigentlich gehen, damit er nichts unüberlegtes tat, aber Regulus sprang ebenfalls auf und stellte sich ihm in den Weg. „Dein Versuch sie zu beschützen ist ja wirklich rührselig.", sagte Regulus in einem Tonfall, der Severus Magen zusammen krampfen ließ. Was meinte Regulus mit Versuch? „Du wunderst dich jetzt sicherlich über die Wortwahl.", sagte Regulus leise, als hätte er Severus Gedanken gelesen, aber Severus schwieg weiterhin beharrlich und wollte sich gerade kommentarlos an Regulus vorbei drängen, als dieser ihn am Arm hielt und sich näher an sein Ohr beugte. „Du solltest es nicht bloß versuchen. Nur so als kleiner Tipp.", flüsterte Regulus, bevor Severus sich seinem Griff mit einem kurzen Rucken entwand und Regulus mit düsterer Miene anstarrte. „Was soll das heißen?", knurrte Severus, woraufhin Regulus erneut mit den Schultern zuckte. „Dass du sie abends vielleicht nicht alleine durch Hogwarts spazieren lassen solltest.", erklärte Regulus unschuldig und verzog seinen Mund zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. „Das nächste mal geht vielleicht nicht so glimpflich aus.", flüsterte Regulus unheilvoll und ließ Severus mitten im Gemeinschaftsraum stehen. Das nächste mal? Severus wurde schlecht. Was sollte das heißen? Was war geschehen? Lily hatte ihm nichts erzählt. Und er war sich sicher, dass sie ihm von einem Vorfall mit Black berichtet hätte. Eilig hob er seine Tasche vom Boden auf und überlegte, ob er nach Lily suchen und sie fragen sollte, was geschehen war. Unentschlossen stand er mitten im Raum und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Lily hätte ihm davon erzählt, dessen war er sich sicher, weshalb er letztendlich beschloss, Blacks Gerede auch als solches abzutun und seinen Worten keine weitere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Trotzdem sagte ihm sein Bauchgefühl, dass es nicht schaden würde ihn im Auge zu behalten. Er war in letzter Zeit oft mit Mulciber unterwegs und Severus erinnerte sich nur zu gut an die Worte, die Mulciber über Lily verloren hatte und die ihm auch jetzt wieder einen kalten Schauer über den Rücken jagten.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt