Voller Vorfreude bugsierte Lily ihren sperrigen Schrankkoffer in den tropfenden Kessel und stutzte, als sie den menschenleeren Gastraum betrat. Der alte Pub, der als Dreh- und Angelpunkt für die Hexen und Zauberer Englands fungierte, war an diesem Abend wie ausgestorben. Stirnrunzelnd sah sie sich um und entdeckte Tom den Wirt wie gewohnt hinter seiner Theke stehen. „Guten Abend." Grüßte Lily freundlich und der Wirt lächelte zaghaft. „N'Abend." Antwortete er, während Lily sich erneut suchend umsah. „Können Sie mir vielleicht sagen, ob Amber Prewett schon hier ist? Sie hat ein Zimmer für uns reserviert." Tom nickte in Richtung Tür. „Ist schon in der Winkelgasse." Erklärte er wortkarg, was Lily kaum bemerkte weil sie über Amber schmunzeln musste. Es sah ihr nämlich ziemlich ähnlich, dass sie nicht auf Lily hatte warten können und sich stattdessen schon mal in das Getümmel der Winkelgasse gestürzt hatte. „Lassen Sie den Koffer ruhig hier und gehen Sie ihr hinterher. Ich kümmere mich darum." Fügte der Wirt hinzu und trat hinter dem Tresen hervor. „Danke." Sagte sie lächelnd und ging durch die Seitentür in den Hinterhof mit der hohen Backsteinmauer, die der geheimen Zugang zur Winkelgasse war. Zielstrebig ging Lily zu der Mülltonne im Hof, zählte über ihr drei Steine nach oben und zwei zur Seite und tippte den Stein bei dem sie landete mit ihrem Zauberstab an. Augenblicklich öffnete sich die alte Mauer und wie immer erfüllte es Lily mit einer leichten Aufregung wenn die Mauer sich die Mauer öffnete und plötzlich die belebte Winkelgasse zum Vorschein kam. Auch nach all den Jahren, die sie schon hier her kam, faszinierte sie dieser besondere Ort ihrer Welt immer wieder aufs Neue. Vielleicht weil sich an kaum einem anderen Ort, Hogwarts und Hogsmeade ausgenommen, so viele Hexen und Zauberer auf einmal tummelten, dachte Lily und trat jetzt in die Winkelgasse, wo sie sofort verwirrt inne hielt. Heute herrschte hier ganz und gar nicht das fröhliche Treiben, das sie gewohnt war. Noch bevor Lily sich richtig umsehen konnte spürte sie es bereits. Ein beklemmendes, eisiges Gefühl kroch in ihr hoch und Angst überkam sie. Was war hier los? Wo war Amber? War sie in Gefahr? Ihre Gedanken rasten, während sich eine erdrückende Hoffnungslosigkeit in ihr ausbreitete und sich wie eine schwere Last auf ihre Brust legte. Suchend sah sie sich um. Die Winkelgasse war menschenleer und ein undefinierbarer Nebel lag auf der schmalen Straße und wurde von Sekunde zu Sekunde dichter. Dementoren, schoss es ihr durch den Kopf und sie ging langsam in den Nebel hinein. Ihren Zauberstab fest umklammert vor sich gestreckt und all ihre Konzentration darauf bedacht die Gefühle, die diese Kreaturen in ihr auslösten zu ignorieren. Die Gefühle waren nicht real und sie musste Amber finden. Egal was an diesem Ort vor sich ging, Amber war irgendwo hier und offenbar war sie in großer Gefahr. Mit klopfendem Herzen ging Lily voran und versuchte die Angst zu bewältigen, die sie immer wieder zu übermannen drohte. Es wurde immer schwieriger gegen die Hoffnungslosigkeit in ihrem Herzen anzukämpfen, aber sie wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen in dem sie einen Patronus heraufbeschwor, der gegen so viele Dementoren vermutlich sowieso nicht ankommen würde. Deswegen zwang sie sich Schritt für Schritt weiter zu gehen, ihre Gedanken komplett auf Amber fokussiert. Wo konnte sie sein? Es war bestimmt zu spät sie zu retten, dachte der niederträchtige Teil ihres Verstandes, der immer lauter wurde und sie schüttelte verärgert den Kopf, als wolle sie diese Gedanken damit verscheuchen. Sie blieb kurz stehen und versuchte etwas durch den immer dichter werdenden Nebel zu sehen, der immer tiefer in sie hineinkroch und sich spürbar von ihren schönsten und glücklichsten Erinnerungen nährte. Leise keuchte sie auf, als sie ein unerträglicher Schwindel erfasste und sie sich verzweifelt an einen kleinen Vorsprung in einer Hauswand klammerte, um nicht zu stürzen. Sie spürte, dass ihre Kräfte mit jedem Meter schwanden und gerade als sie anfing zu glauben, dass alles keinen Sinn mehr machte, hörte sie Schritte.
Hektisch sah sie sich um und versuchte erneut gegen den dichten Nebel anzublinzeln, um vielleicht doch etwas oder jemanden erkennen zu können. Die Schritte wurden immer lauter und hallten unheilvoll von den Mauern der Läden wider. Lily schauderte es und das lag nicht nur an der klammen Kälte, die die Dementoren verbreiteten. Oder doch? Sie wusste nicht mehr welche Gefühle real waren, versuchte sich aber bewusst zu machen, dass sie ihnen nicht trauen konnte. „Da ist sie." Hörte sie jemanden rufen den sie nicht kannte. Wer ist da? Wer ist mit sie gemeint? Verwirrt blickte sie sich um und entdeckte Gestalten in schwarzen Umhängen auf sich zu kommen. Die Gestalten hatten ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen und Lily erstarrte einen kurzen Augenblick. Das waren Todesser, ganz sicher. Und sie kamen direkt auf sie zu. Schnell fasste sie sich wieder, und ohne weitere Zeit zu verschwenden rannte sie los. Sie konnte nicht sehen wohin sie lief, spürte aber, dass die Todesser sie verfolgten. Angst überkam sie wie ein eisiger Schauer und ihre Gedanken überschlugen sich. Sie wusste nicht wohin sie flüchten sollte. Und vor allem wie sie Amber jetzt noch finden sollte. Kopflos rannte sie, vermutlich noch durch die Winkelgasse, wie sie anhand der paar Schilder der Geschäfte feststellte, die sie trotz des Nebels noch wage erkennen konnte. Ihre Verfolger kamen immer näher und blanke Panik erfasste jede Faser ihres Körpers. Blind vor Angst rannte sie weiter und achtete kaum noch auf ihre Umgebung, bis sie vor einer Sackgasse stand und voller Entsetzen erkannte, dass sie in der Falle saß. Wo war sie? Das hier war definitiv nicht mehr die Winkelgasse. Sie musste in der Nokturngasse sein, denn nichts kam ihr hier bekannt vor. Hastig blickte sie sich um. Der einzige Ausweg war ein altes heruntergekommenes Haus. Wenn sie Glück hatte würde sich die Tür öffnen lassen, denn das Haus sah unbewohnt aus. Schnell eilte sie auf die Eingangstür zu und drehte an dem alten Messingtürknauf. Mit einem leisen Klick öffnete sich die Tür und Lily atmete erleichtert auf. Sie hatte nicht damit gerechnet noch nicht einmal ihren Zauberstab nutzen zu müssen. Zügig ging sie hinein, wo ihr unmittelbar ein aufdringlicher Kellergeruch entgegen schlug. Der Schwung der Tür hatte eine Menge Staub aufgewirbelt und Lily hustete. Schützend hielt sie sich ihren Ärmel vor das Gesicht und lief weiter in das Haus hinein. Sie entdeckte in dem sonst fast leeren Flur einen Treppenaufgang und eilte die Stufen hinauf. Sie hatte kaum den ersten Treppenabsatz erreicht, als sie ein krachen hörte, gefolgt von mehreren Stimmen. „Sie muss hier drin sein." Rief eine männliche Stimme und eine weitere antwortete etwas, was Lily nicht mehr verstand. In ihren Ohren rauschte es und ihr wurde schlecht. Die Panik und ihr Überlebenswillen trieben sie voran und verhinderten, dass ihre Knie einfach nachgaben. Als sie die letzten Stufen erreicht hatte und es nicht weiter ging, rannte sie in einen langen Gang hinein, wo sie direkt der nächste Schreck erwartete. Entgeistert blieb sie stehen. Sie kannte diesen Gang, wusste wo er sie hinführen und wer dort am Ende in einem großen Raum auf sie warten würde. Eine Welle der Trauer brach über sie hinein und sie war einen kleinen Moment versucht, einfach weiter stehen zu bleiben. Von diesen Todessern umgebracht zu werden schien ihr in diesem Moment weniger absurd, als durch die Hand eines Menschen zu sterben, den sie liebte. Unglücklich starrte sie den Gang hinunter, bevor ihr Verstand wieder einsetzte. Nein! Sie würde bis zum Schluss kämpfen und es Severus nicht unnötig einfach machen wenn er dort wirklich auf sie wartete. Entschlossen rannte sie weiter bis zum Ende des Ganges um sich ihrem Schicksal zu stellen.
Ungeduldig stand Snape in einem leeren Raum eines alten, verlassenen Hauses in der Nokturngasse und wartete auf seinen Auftrag. Malfoy hatte ihm diese Adresse und die Uhrzeit genannt, und Snape war pünktlich erschienen. Aber nichts geschah. Er sah durch das scheibenlose, bodentiefe Fenster, das früher vermutlich der Ausgang zu einem kleinen Balkon gewesen war. Besorgt blickte er in den nebeligen Himmel. Es war erst früher Abend, trotzdem war es bereits dunkel in der Nokturngasse und dieser merkwürdige Nebel schwebte unheilvoll in der Luft. Ihm schauderte, als ihm klar wurde, dass Dementoren in der Nähe sein mussten. Viele Dementoren. Er wusste nicht was er hier sollte oder was ihn erwarten würde. Malfoy hatte bloß einmal erwähnt, dass Snape schon wisse was sein Auftrag sei, wenn der Zeitpunkt gekommen wäre. Fröstelnd wandte Snape sich von dem kleinen Fenster ab und sah in Richtung des langen Ganges, aus dem er jetzt Schritte hörte. Jemand rannte auf ihn zu und er hob leicht seinen Arm mit dem Zauberstab, um auf alles vorbereitet zu sein. Wie gebannt starrte er auf die Eingangstür, wo im nächsten Moment eine schmale Gestalt auftauchte. Vor Entsetzen wäre Severus beinahe ins Taumeln geraten, fasste sich aber sofort wieder. Er blieb wie versteinert stehen und beobachtete, wie Lily auf in zugelaufen kam. Ihre Haare wirbelten um ihren Kopf, fast wie auf der Schaukel an dem Abend in Cokeworth, kam es Severus voller Wehmut in den Sinn, bevor er seine Gefühle wieder unter Kontrolle brachte. Seine Gedanken rasten. Was sollte das? Das durfte nicht sein, was er dachte. Sollte er Lily etwa umbringen? Lily stand jetzt direkt vor ihm und sah ihn atemlos und mit unergründlicher Miene an. Es war keine Überraschung darüber, ihn hier zu sehen, auf ihrem Gesicht zu erkennen. „Sev." Flüsterte Lily heiser und blickte ihm direkt in die Augen. Das was er darin sah, bestürzte ihn zutiefst. Es lag Angst darin, und eine unendliche Traurigkeit. Sie wusste was geschehen würde, dessen war er sich sicher. Weitere Schritte und Rufe rissen ihn aus seiner Starre und er blickte zum Gang, aus dem auch Lily gerade gekommen war. Sie hatten Lily wie Vieh hier her getrieben, dachte er wütend und in gleichem Maße angewidert. „Sev. Bitte hilf mir." Flehte Lily und er blickte wieder zu ihr hinunter. Ihr Flehen zerbrach ihm das Herz und er hätte alles auf dieser Welt gegeben sie in seine Arme schließen und trösten zu können. Ihr sagen zu können, dass alles gut werden würde. Aber er musste handeln, er hatte nur noch wenige Sekunden bis die anderen hier sein würden. Er zwang sich zur Konzentration und traf die einzig richtige Entscheidung. Mit einem kräftigen Stoß seiner freien Hand schubste er Lily aus dem bodentiefen Fenster.
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Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...