Kapitel 29 - Der Schein des Mondes

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Lily und Amber traten nach draußen in die kühle und feuchte Abendluft. Der Mond schien hell auf das Schlossgelände und tauchte alles in ein mystisches Licht. An einem anderen Tag hätten sie sich von dieser Schönheit in ihren Bann ziehen lassen, hätten einen Moment inne gehalten und die Ruhe und die Schönheit der Landschaft in dem silbrigen Licht in sich aufgenommen. Heute kam ihnen diese Schönheit jedoch wie ein spöttischer Gruß des Mondes vor. Eine Erinnerung daran, dass Licht auch seine Schattenseiten hatte und eine Mahnung, dass dieses Licht auch großes Unheil hervorbringen konnte. Lily fröstelte es bei dem Gedanken und sie zog den Umhang fester um ihren Körper. Leise schlichen sie im Schutz der Schatten an den Mauern des Schlosses entlang. Amber fasste Lily am Arm und sie blieben stehen. „Lily, was ist wenn die Jungs gar nicht hinausgegangen sind?" Flüsterte Amber unsicher. „Amber, du hast Hannah Wilson doch gehört. Sie hat die drei dabei beobachtet, genau zu der Zeit als sie aufgebrochen sind um Remus zu suchen. Außerdem hat sie gehört wie die drei etwas über den Wald gesagt haben." Amber trat ungeduldig von einem auf das andere Bein. „Was ist wenn sie sich vertan hat?" Wisperte sie Lily zu. Ein Geräusch über ihnen ließ sie aufschrecken. Eine Eule flog über sie hinweg und sie atmeten erleichtert auf. Lily sah Amber eindringlich an. „Amber, die Rumtreiber sind unter allen Schülern bekannt. Ich glaube ihr wenn sie sagt, dass sie sie gesehen hat. Und sie war sich sicher, dass das Wort Wald gefallen ist." - „Aber wieso sollten sie Remus hier draußen suchen? Sie wissen doch gar nichts von seiner Krankheit." Erwiderte Amber zweifelnd. „Mary hat ihnen beim Abendessen erzählt, dass Remus hinausgegangen sein muss." Antwortete Lily ruhig und ging unbeirrt weiter. Amber folgte ihr. Die Sorge um Sirius und die anderen schien stärker zu sein als ihre Zweifel. Lily schaute sich um, direkt vor ihnen lag jetzt die Hütte des Wildhüters Rubeus Hagrid. Aus dem Schornstein des kleinen Steinhäuschens kamen dunkle Rauchschwaden und durch die Fenster konnten sie sehen, dass Licht im Inneren der Hütte brannte. Lily hielt sich einen Finger an die Lippen und bedeutete Amber leise zu sein. Amber nickte stumm und sie schlichen lautlos weiter. Am Rand des verbotenen Waldes angekommen blieben sie stehen. Sie schauten einen Moment schweigend in die Dunkelheit, die tiefschwarz und still vor ihnen lag und die Geheimnisse des Waldes in sich verbarg. Lily streckte ihre Hand nach Ambers aus und drückte sie. Amber verzog ihren Mund zu einem schiefen Lächeln. Dann ließen sie sich los und gingen dicht aneinander gedrängt in den Wald, bis die Finsternis sie vollkommen verschluckt hatte. Nach ein paar Metern flüsterten beide „Lumos" und hielten ihre jetzt erleuchteten Zauberstäbe eine halbe Armeslänge von sich gestreckt, um sich im Notfall schnell verteidigen zu können. Lily hatte das Gefühl, man müsse ihren Herzschlag durch den ganzen Wald schlagen hören. Sie hatte Angst. Angst um ihre Freunde. Angst vor dem, was sie hier erwartete. Sie gingen noch ein Stück weiter in den Wald hinein, bis plötzlich ein Geräusch die Stille durchbrach. Ein Knacken. Sie drängten sich noch enger aneinander und leuchteten mit ihren Zauberstäben die Umgebung ab. Sie konnten nichts bedrohliches entdecken und gingen schließlich vorsichtig weiter. Wieder war ein Knacken zu hören, diesmal näher. Viel näher. Sie drehten sich in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war und starrten angespannt in die Schwärze der Nacht, die Zauberstäbe zum Kampf erhoben. Zwischen den Bäumen war nun ein weiterer Lichtschimmer zu erkennen. „Lily." Sagte eine dunkle Stimme. Lily schrak zusammen. Sie kannte diese Stimme. Ihr Herz klopfte heftig. „Lily, was macht ihr hier? Wir müssen verschwinden. SOFORT!" Raunte ihr die Stimme zu und Lily konnte Angst in ihren Worten mitschwingen hören. Sie erkannte jetzt den Umriss einer großen schlanken Gestalt, die direkt auf sie zu kam. „Severus, was machst du hier?" Fragte Lily atemlos. Severus packte sie am Arm. „Wir müssen hier weg! SCHNELL!" Lily schaute zu ihm auf. „Das geht nicht. Wir müssen James und die anderen finden, bevor... also bevor..." – „Die kommen schon zurecht. Komm, wir müssen von hier verschwinden." Unterbrach Severus sie ungeduldig und zog sie am Arm. Er war jetzt so nah, dass Lily jeden seiner Gesichtszüge im Schein des Lichts erkennen konnte. Er sah angespannt aus und schaute sich immer wieder nervös um. Jetzt mischte auch Amber sich in das Gespräch ein. „Snape, wir können die drei nicht einfach hier im Wald lassen. Wir müssen sie warnen, weil... naja es ist egal warum. Aber sie sind in großer Gefahr!" Snape schnaufte verächtlich. „Ich weiß, dass Lupin ein Werwolf ist. Aber deswegen sind wir in genauso großer Gefahr!" Seine Stimme klang ungehalten.. Auf einmal hielt Severus inne und lauschte. Dann hörte sie es auch. Etwas raschelte im Unterholz und es folgte ein tiefes, unheilvolles und kehliges Knurren. Lily sah mit Entsetzen wie sich etwas großes lauernd und bedrohlich auf sie zu bewegte. Severus drehte sich langsam um und zog dabei Lily und Amber hinter sich. Genau in dem Moment als das Wesen, das aus dem Wald gekommen war auf sie zu sprang, streckte Severus seinen Arm mit dem Zauberstab aus und brüllte: „Stupor" Ein roter Lichtblitz leuchtete auf und traf die Kreatur noch während ihres Sprungs in der Luft. Sie wurde von dem Schockzauber zurück und gegen einen Baum geschleudert. Ein unmenschliches Heulen war zu hören und Lily und Amber standen wie gelähmt da, als Severus erneut seinen Zauberstab hob. „Sev, bitte! Tu ihm nicht weh!" Flehte Lily ihn an. „Lily." Sagte Severus verzweifelt. „Er ist ein Werwolf. Er wird uns töten." Angsterfüllt beobachteten sie wie der große Wolf sich wieder aufrappelte und wütend schüttelte. Er stand nur wenige Meter von ihnen entfernt und Lily konnte seine gelben Augen sehen, die sich grotesk vom Schwarz der Dunkelheit abzeichneten. Der Werwolf fletschte die Zähne und kam langsam wieder auf sie zu. Seine Schnauze war länger als die eines normalen Wolfs und er ging auf seinen Hinterbeinen, wodurch seine Gestalt der eines Menschen sehr ähnlich war. „Remus! Bitte! Wir sind es. Deine Freunde." Versuchte Lily auf den Werwolf einzureden, der unbeeindruckt von ihren Worten immer näher kam. Amber klammerte sich an Lilys Arm, offenbar unfähig ein Wort herauszubringen. Severus schob Lily weiter hinter sich. „Lily! Er kann dich nicht verstehen oder erkennen!" Sagte Severus eindringlich. „Ihr müsst verschwinden. Ich halte ihn auf. Aber bitte geht! Bringt euch in Sicherheit!" Lily wollte gerade widersprechen als der Werwolf ein lautes Geheul von sich gab und erneut zum Sprung ansetzte. Amber schrak zurück, geriet ins Stolpern und fiel mit einem lauten Schmerzensschrei zu Boden. Severus zielte mit seinem Zauberstab auf Remus, schwang ihn im Kreis und rief mit fester Stimme: „Incarcerus" Aus der Spitze seines Zauberstabs wanden sich mehrere dicke Seile und legten sich um den Körper des Werwolfs. Dieser fiel unter lautem Wutgeheul auf die Erde und fing an wie wild an den Seilen zu reißen. Lily hockte sich zu Amber auf den Boden und versuchte ihr aufzuhelfen, aber sie konnte nicht aufstehen. „Ich glaube mein Knöchel ist gebrochen." Presste Amber mühsam hervor. Severus warf einen Blick über seine Schulter. „Lily, verschwindet von hier. Schnell! Ich weiß nicht wie lange ich ihn aufhalten kann!" Lily spürte wie die Angst immer mehr Besitz von ihr ergriff und sie versuchte sich zu konzentrieren. Was sollte sie tun? Sie schaute zwischen Severus und dem sich immer noch windenden Wolf hin und her. „LILY." Flehte Severus sie jetzt an. „Bitte, nimm Amber und verschwinde hier! SCHNELL!" Lily zögerte. „Aber..." In diesem Moment hörten sie Hufgetrappel und sie sahen sich erschrocken um. Lily und Amber hoben ihre Zauberstäbe, als plötzlich ein großer Hirsch aus der Dunkelheit auf sie zu galoppierte und kurz vor ihnen zum Stehen kam. Lily wich erschrocken zurück als der Hirsch nach ihrem Umhang schnappte und heftig an ihm zog. Sie versuchte ihn abzuwehren aber der Hirsch stupste Lily mit seiner Schnauze an und warf den Kopf mit seinem eindrucksvollem Geweih nach hinten. Was wollte dieser Hirsch von ihr? Es schien ihr, als wolle er dass sie mit ihm kam. Wollte er ihnen helfen? Der Hirsch schaute sie mit seinen großen dunklen Augen an und für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl ihn zu kennen. Severus Rufe holten sie in die Wirklichkeit zurück. „Lily. Nimm Amber und steig auf." Lily schaute zu Amber die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren rechten Fußknöchel hielt. Sie überlegte nicht länger sondern handelte intuitiv. Sie hob ihren Zauberstab, richtete ihn auf Amber und murmelte: „Wingardium Leviosa". Amber stieg langsam in die Luft und Lily steuerte sie vorsichtig auf den Rücken des Hirsches und ließ sie dort so sanft wie möglich nieder. Amber stöhnte kurz auf und der Hirsch nickte mit seinem großen schönen Kopf. Lily ging ebenfalls zu ihm herüber. Sie schaffte es zunächst nicht auf den hohen Rücken des Tieres zu kommen, aber mit Ambers Hilfe gelang es ihr schließlich. Der Hirsch scharrte ungeduldig mit den Hufen. Severus hatte Mühe den Fesselzauber aufrechtzuerhalten, denn der Werwolf kämpfte unermüdlich gegen die Seile die ihn festhielten. Lily spürte Panik in sich aufsteigen. Der Hirsch drehte sich und setzte sich in Bewegung. Was würde aus Severus werden? Sie konnten ihn nicht einfach hier zurück lassen. Der Hirsch galoppierte los und sie warf einen letzten Blick über ihre Schulter. Mit Entsetzen konnte sie gerade noch erkennen, wie etwas dunkles aus dem Unterholz gesprungen kam und Severus zu Boden riss. Lily schrie auf, dann konnte sie nichts mehr erkennen. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Severus. Sie musste zurück. Sie musste ihm helfen. Die Angst um Severus schnürte ihr die Kehle zu. Der Hirsch galoppierte unermüdlich weiter, aus dem verbotenen Wald und hinauf zur Schlossmauer. Dort angekommen blieb er stehen. Mit zitternden Knien kletterte Lily von seinem Rücken und half danach Amber von ihm herunter zu steigen. Sie setzte Amber auf den Boden ins Gras und drehte sich zu dem Hirsch um, der sich gerade wieder in Richtung Wald wandte. „Warte!" Rief Lily, und fasziniert beobachtete sie, wie der große Hirsch tatsächlich inne hielt, den Kopf in ihre Richtung drehte und sie ansah, als würde er sie verstehen. Er schaute ihr direkt in die Augen und Lily hatte wieder dieses Gefühl ihm schon einmal begegnet zu sein. „Kannst du mich wieder zurück bringen? Ich kann Severus nicht im Stich lassen." Der Hirsch schüttelte seinen großen Kopf mit dem imposanten Geweih und Amber sah Lily erschrocken an. „Lily, du kannst nicht zurück. Das ist zu gefährlich!" Aber Lily schüttelte ungeduldig den Kopf. „Ich werde gehen. Auch ohne den Hirsch." Sagte sie bestimmt und marschierte los. Der Hirsch machte einen Satz und stellte sich ihr in den Weg. Sie funkelte ihn wütend an. „Geh beiseite. Ich lasse Severus nicht im Stich. Ich muss ihm helfen!" Der Hirsch schaute sie einen Moment an. Sie musste dringend zurück zu Severus und dieser Hirsch schien sie einfach nicht zu verstehen. Doch dann ging er an ihr vorbei und zur Mauer. Lily und Amber sahen ihm schweigend zu, wie er mit seinem rechten Vorderhuf gegen einen Stein klopfte. Lily verstand und eilte zu ihm herüber. Er wollte ihr etwas zeigen. Sie betrachtete den Stein und griff nach ihm. Er war lose. Sie zog ihn heraus und entdeckte einen kleinen Hohlraum dahinter. Sie fasste hinein und zog etwas weiches heraus, das sich wie ein Stück Stoff anfühlte. Sie schaute auf einen silbrig schimmernden Umhang, den sie jetzt in den Händen hielt. Der Hirsch nahm vorsichtig den Umhang in seine Schnauze und zog ihn von Lilys Schoß. Er ging hinüber zu Amber, warf den Umhang mit einer schnellen Kopfbewegung über sie, und plötzlich war Amber verschwunden. Lily schreckte zurück, beruhigte sich aber wieder als sie begriff, dass dies ein Tarnumhang sein musste. In diesem Moment hörten sie ein kurzes aber qualvolles Jaulen aus dem Wald kommen. Lilys Herz schlug ihr bis zum Hals und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Der Hirsch scharrte erneut ungeduldig mit den Hufen und sie kletterte wieder auf seinen Rücken, diesmal schaffte sie es ohne große Mühe. „Lily! Pass auf dich auf!" Rief Amber ihr mit ängstlicher Stimme hinterher. Lily nickte ihr Stumm zu und der Hirsch galoppierte los. Lily klammerte sich fest an seinen starken Hals. Sie spürte den kalten Wind in ihren Haaren, spürte die Wärme des muskulösen Tieres unter sich. Sie versuchte ihre Angst zu unterdrücken und einen klaren Kopf zu bewahren. Sie mussten sich beeilen. Severus brauchte sie. 

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt