Kapitel 141 - Frühlingswärme

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Seit dem Anschlag waren fast zwei Wochen vergangen und langsam kehrte wieder Ruhe im Schloss ein. Heute war ein außergewöhnlich warmer Sonntagnachmittag im April, weshalb Severus und Lily spontan beschlossen hatten, eine Pause vom Lernen einzulegen und einen ausgiebigen Spaziergang um den See zu machen. An einer abgelegenen Stelle, einen guten Fußmarsch vom Schloss entfernt, hatten sie ihr Lager für den Nachmittag aufgeschlagen und lagen jetzt nebeneinander auf einer Decke, blickten in den Himmel und lauschten den Geräuschen der Natur um sie herum. Fast so wie in Cokeworth, unter ihrer Weide, dachte Lily und schloss zufrieden ihre Augen. Sie spürte wie sie sich langsam entspannte und die ganzen Strapazen der letzten Tage sie ganz allmählich los ließen. Nicht nur der Anschlag und die anderen Gräueltaten der Todesser hatten sie in letzter Zeit beschäftigt. Nach James Vater war auch einige Tage später seine Mutter den Drachenpocken erlegen und Lily war erst letzte Woche mit ihren Freunden zur Beerdigung der beiden nach Godrics Hollow gereist. James war nach dem Tod seiner Eltern stiller und ernster geworden, und er und die anderen drei Rumtreiber konzentrierten sich nun mehr auf das Lernen für ihre Abschlussprüfung, als auf irgendwelche Streiche oder Streifzüge durch das Schloss. Es tat ihr Leid, dass mit der Ernsthaftigkeit auch die Unbeschwertheit verloren gegangen war, aber irgendwann mussten sie alle erwachsen werden, dachte sie traurig und drehte sich zu Severus, der sie mit ernster Miene musterte. Liebevoll strich sie mit ihrem Zeigefinger über die kleine Falte, die sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet hatte, bevor sie mit ihrer Hand sanft über seine Stirn und hinab zu seiner Wange streichelte, wo sie inne hielt und ihm tief in seine schwarzen Augen blickte. Sie sah darin so viel Liebe, dass ihr Herz wie wild zu klopfen begann, während sich auf ihrer Haut eine wohlige Gänsehaut ausbreitete.

Langsam hob Severus seine Hand und strich Lily das Haar hinter ihr Ohr, das ihr ins Gesicht gefallen war, als sie sich zu ihm herüber gebeugt hatte. Ihre Berührungen hatten ein fast unerträgliches Kribbeln in ihm ausgelöst und er fühlte sich ausnahmsweise völlig losgelöst. Losgelöst von all den Sorgen und Problemen, die ihm täglich ein Stück mehr seiner Kraft raubten, wie ein hartnäckiger Parasit, der sich von der Kraft nährte und ihm dafür im Austausch umso mehr der Dunkelheit einflößte, die ihn so sehr quälte. Lily gab ihm durch ihre Liebe einen Teil dieser Kraft zurück, wofür er sie noch mehr liebte, falls das überhaupt möglich war. Sie hatte noch immer ihre Hand auf seiner Wange, als er seine in ihren Nacken legte und sie zu sich hinunter zog. Sie küssten sich und er hatte das Gefühl zu schweben. Wie jedes Mal glaubte er zu träumen und kostete jede Sekunde dieser Nähe in vollen Zügen aus. Sie war durch ihre Endlichkeit viel zu wertvoll, um auch nur eine einzige davon zu verschwenden. Doch daran wollte er jetzt nicht denken. Und das konnte er auch nicht, weil Lily all die düsteren Gedanken wie immer aus seinem Kopf vertrieb. Er spürte wie ihr Gewicht sich auf seinem Körper legte und es raubte ihm fast den Atem. Er keuchte leise auf und ließ es geschehen. Er war zu überwältigt davon, dass er Lily so nah bei sich spürte, und nur wenige Schichten Stoff zwischen ihnen lagen, um zu protestieren. Wieder schweiften seine Gedanken zu Szenen, die er sich regelmäßig verbot und auch jetzt versuchte er sie aus seiner Vorstellung zu vertreiben. Er durfte nicht an so etwas denken, was schwierig war, wenn man bedachte, wie stürmisch und drängend Lilys Küsse wurden. Sie konnte nicht ahnen, welche Gefühle sie damit in ihm auslöste und er versuchte sie sanft von sich hinunter zu schieben. „Lily.", murmelte er mit rauer Stimme und fühlte ihren Atem auf seinem Gesicht. Spürte ihre Lippen immer noch auf seinen. „Mhmm.", brummte sie, ohne sich von ihm zu lösen und er unterdrückte den Impuls, sie einfach mit mehr Kraft von sich wegzuschieben. Er wollte sie nicht wegstoßen, er wollte das hier mehr als alles andere auf dieser Welt, aber wenn sie nicht aufhörte, würde er mehr wollen. Mehr als sie vermutlich wollte. Das musste er um jeden Preis verhindern, er musste einen klaren Kopf behalten, sonst würde er Lily verlieren. Wenn sie seinen Arm aus Versehen sah... er schüttelte den Gedanken ab und versuchte erneut Lily ein Stück von sich hinunter zu schieben, aber es ging nicht. Er konnte nicht. Er vergrub seine Hände in ihren Haaren und sog den unverwechselbaren Geruch ein, den sie verströmten und verlor sich in den wohltuenden Zärtlichkeiten. Lily seufzte leise und biss ihm sanft auf die Lippe, was ihn fast in den Wahnsinn trieb. „Lily. Nicht.", flüsterte er erstickt. Sie richtete sich leicht auf. Ihre Wangen waren gerötet und in ihren Augen lag ein Ausdruck, den er noch nie bei ihr gesehen hatte und den er auch nicht deuten konnte.

Lily sah auf Severus hinab. Ihre Wangen glühten und sie atmete schwer. Sie war fast erschrocken über die ungewohnten, aber wunderschönen Gefühle, die sie übermannt und ihr Handeln gesteuert hatten. In diesem Moment wollte sie Severus nah sein. Noch näher. Aber er schien über ihre Leidenschaft regelrecht erschrocken zu sein, was sie verunsicherte. Begehrte er sie nicht so, wie sie ihn? Ging ihm das alles zu schnell? Oder hatte er bloß Angst entdeckt zu werden? Ihre Gedanken rasten, während sie in seine dunklen Augen blickte und nach Antworten suchte, die sie jedoch nicht fand. Sie hätte schwören können, ein Lodern in ihrer unendlichen Schwärze gesehen zu haben. Ein Lodern, das ihr eigenes Verlangen widerzuspiegeln schien. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie verunsichert. „Habe ich etwas getan, was du nicht magst, oder wobei dir unwohl ist?" Sie hielt den Atem an, während Severus sie mit unergründlicher Miene ansah und einen Moment schwieg. Erleichterung überkam sie, als er schließlich fast unmerklich den Kopf schüttelte und ihr sanft über die Wange strich. Sie lächelte und legte ihre Lippen wieder auf seine, während sie ihre Hand von seiner Brust hinab zu seinem Sweatshirtsaum wandern ließ. Langsam glitt ihre Hand unter das Shirt und Severus zuckte leicht, als ihre Finger seine Haut berührten. Er seufzte leise und wurde merklich unruhiger. Sie spürten seinen schnellen Herzschlag, die Wärme seiner Haut und sie dachte daran, wie es wäre, diese Wärme direkt auf ihrer eigenen Haut zu spüren.

Es kostete Severus all seine Kraft und seinen gesamten Willen Lily erneut zu unterbrechen. Er wollte nicht, dass es zu Missverständnissen kam und dadurch irgendetwas zwischen ihnen kaputt ging. Er hatte Angst. Nicht nur davor, dass Lily das dunkle Mal entdeckte. Er hatte auch Angst davor, ihr auf diese Weise näher zu kommen, wie er es oft in seinen Träumen erlebte. Lilys Hand glitt seinen Bauch hinauf zu seiner Brust und streichelte sanft über die Haut, die in Flammen zu stehen schien. Vorsichtig ließ er seine Hände ebenfalls an Lilys Körper hinab gleiten, während eine leise Stimme in seinen Kopf lautstark protestierte. Er durfte sie nicht so anfassen, dachte er und spürte wie seine Hände wie von selbst ebenfalls ihren Weg unter ihr Shirt suchten. Auch er berührte ihre Haut und hielt inne, als Lily sich plötzlich ruckartig aufrichtete und sich suchend umsah. „Hast du das gehört?", flüsterte sie und glitt von ihm hinunter. Trotz seiner Erleichterung für die Unterbrechung, verspürte er auch wieder diese widersprüchliche Enttäuschung, wie er sie auch die letzten Male verspürt hatte. Jedoch war auch er schlagartig in Alarmbereitschaft. „Nein.", raunte er und rappelte sich ebenfalls auf. „Was hast du gehört?", fragte er und griff nach seinem Zauberstab. „Da war ein Rascheln.", flüsterte sie leise und blickte angestrengt in den Wald hinein, der nur wenige Meter von ihnen entfernt war. Lily war mittlerweile aufgestanden und ging ein Stück auf den Waldrand zu, wobei sie ihren Kopf misstrauisch zur Seite gelehnt hatte und angestrengt lauschte. Er hatte nichts von dem Rascheln mitbekommen, weil er es in seinem Liebesrausch offenbar einfach überhört hatte. Jetzt ärgerte er sich über seine Unachtsamkeit, die fatal sein konnte, denn der Wald war voller magischer Wesen und somit auch voller Gefahren. Auch andere Schüler kamen gelegentlich hier vorbei, was in ihrer Situation ebenfalls unangenehm gewesen wäre. Er wollte nicht, dass man falsch von Lily dachte, wenn man sie hier so allein und eng umschlungen sah. „Lily. Dein Zauberstab.", rief er ihr leise nach, aber Lily winkte ab, blieb stehen, sah einen Moment wie gebannt in den Wald hinein und kam dann zu ihm zurück. „Da war definitiv etwas.", sagte sie, während sie sich zurück auf die Decke fallen ließ. Voller Unbehagen blickte Severus zu der Stelle, an der Lily gerade noch gestanden hatte und schnaufte leise. „Kann alles gewesen sein.", sagte er, ohne seinen Blick von der Stelle im Wald abzuwenden. Lily lachte leise. „Vermutlich bloß ein Niffler, oder sowas.", sagte sie unbekümmert und zuckte die Schultern, bevor sie sich wieder setzte und ihr Gesicht in die warmen Sonnenstrahlen hielt. Severus runzelte die Stirn und warf ihr einen besorgten Blick zu. „Ja. Vielleicht.", sagte er nur halbherzig überzeugt und versuchte ein Lächeln. Lily blickte wieder zu ihm, bemerkte seine Zweifel und streichelte ihm sanft über den Arm. Er erstarrte, als ihre Hand das Mal durch den dünnen Stoff berührte und er musste den Drang unterdrücken, den Arm von ihr wegzuziehen. „Es ist sowieso schon spät.", sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Wir sollten zurück." Severus nickte, stand auf und half auch Lily auf die Beine, bevor er die Decke mit einem Schlenker seines Zauberstabs verschwinden ließ und sie Hand in Hand zurück zum Schloss liefen.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt