Severus saß gerade beim Frühstück und war so sehr in seine Gedanken an den letzten Abend versunken, dass er zunächst noch nicht einmal die Eule bemerkte, die direkt vor ihm auf dem Tisch gelandet war. Erst als diese laut krächzte, sah er auf und starrte sie ungläubig an. Er erkannte die Eule sofort und sein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Langsam hob er seine Hand, nahm die kleine Pergamentrolle von dem Bein der Eule und scheuchte sie unsanft davon, bevor er das Stück Pergament entrollte. Eine dunkle Vorahnung beschlich ihn und holte ihn gleichzeitig in die Realität zurück, die er seit gestern erfolgreich verdrängt hatte. Wie hatte er so töricht sein können zu glauben, dass er Voldemort einfach so entkommen konnte? Er starrte auf die Worte der Nachricht. „Heute, 10 Uhr im Eberkopf. M." Wütend zerknüllte er das Papier in seiner Hand und sah zu den Gryffindors hinüber. Er hatte gehofft Lily heute zufällig in Hogsmeade zu begegnen, stattdessen musste er Malfoy in diesem schäbigen Pub treffen. Sein Blick huschte suchend über die Köpfe der Gryffindor Schüler und er entdeckte Lily an einem der äußeren Plätze in der Nähe der großen Eichentür. Sie sah ein wenig müde aus, aber unterhielt sich angeregt mit Amber, die rechts neben ihr saß und den Kopf zu ihr geneigt hatte. Frustriert wandte er den Blick ab und sah auf die zerknüllte Nachricht, die er immer noch fest in seiner Hand umschlossen hielt. Er könnte einfach hier im Schloss bleiben. Was sollte Malfoy machen? Er war kein Schüler mehr und würde nicht einmal in die Nähe von Hogwarts kommen, überlegte Severus, verwarf diese Idee jedoch wieder. Er war kein kleines Kind mehr was sich versteckte wenn es unangenehm wurde. Ungeduldig schob er seinen Teller von sich weg und stand auf. Sollte er Malfoy gestehen, dass er nicht vorhatte weiter für den dunklen Lord zu arbeiten? Nein, das wäre sein sicheres Todesurteil. Aber wie sollte er heile aus der Sache herauskommen? Wenn er mit Lily zusammen sein wollte, würden sie fliehen müssen, sobald sie die Schule beendet hatten und nicht mehr im Schutz von Hogwarts lebten. Aber der dunkle Lord würde sie finden, dessen war er sich sicher. Was hatte er bloß getan? Eilig stand er auf und verließ die große Halle, ohne einen Blick nach rechts und links zu werfen. Er würde das Spiel erst einmal weiter spielen müssen, bis ihm eine Lösung einfiel. Aber wie sollte er das vor Lily rechtfertigen? Wie sollte er sie schützen wenn er selbst sie zur Zielscheibe des mächtigsten Zauberers aller Zeiten machte? Severus atmete schwer, während er über das Schlossgelände lief. Er musste die Ruhe bewahren, erstmal abwarten was Malfoy von ihm wollte. Danach hätte er immer noch Monate Zeit bis sie die Schule abgeschlossen hatten und ihm etwas einfallen musste.
Lily blickte in den trüben Himmel und blinzelte gegen die kleinen Schneeflocken an, die wie Puderzucker auf das Schlossgelände rieselten und über Nacht bereits eine dünne Schneeschicht hinterlassen hatten. Es war der ersten Schnee in diesem Winter und die meisten Schüler freuten sich darüber und schmissen sich ausgelassen Schneebälle zu, oder ließen lachend kleine Schneewehen mit ihrem Zauberstab um ihre Freunde kreisen. Lily lief lächelnd zwischen ihnen her und wurde zugleich etwas wehmütig, weil es ihr letzter Winter in Hogwarts sein würde. Sie genoss diese kleinen kostbaren Momente und schloss sie fest in ihrem Herzen ein. Eigentlich waren sie gar nichts besonderes, aber für Lily verkörperten diese Kleinigkeiten den Geist Hogwarts und sie würde es schrecklich vermissen diesen Ort ihr Zuhause nennen zu dürfen. Sie musste unwillkürlich daran denken, dass ihre Eltern da mittlerweile ganz anderer Meinung waren und Lilys Schulabschluss kaum abwarten konnten. Nach dem Überfall auf Lily und dem Vorfall in der Winkelgasse waren ihre Eltern beide Male außer sich gewesen, und hatten sogar überlegt sie von der Schule zu nehmen. Es waren viele Briefe und viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen, damit sie nicht hier aufgetaucht waren um ihre Tochter ohne Umschweife zurück nach Cokeworth zu nehmen. Lily hätte sich weigern können, weil sie in der Zaubererwelt bereits volljährig war, aber sie war doch froh, dass sie das Ganze auch ohne einen größeren Streit hatte lösen können. Fröstelnd zog sie ihren Umhang enger um ihren Körper und blickte zum Eingang des Schlosses, aus dem jetzt auch ihre Freunde kamen und winkend auf sie zu liefen. Lily war bereits in der Hoffnung vor gegangen, dass die kühle Luft ihre müden Geister etwas belebte, und tatsächlich fühlte sie sich schon ein wenig besser. James ging etwas schneller als die anderen und sobald er sie erreicht hatte, hakte er sich freudestrahlend bei ihr unter. „Dann mal los Evans." Sagte er grinsend und sie verabschiedete sich von ihren Freunden und liefen die kleine Straße zum Dorf hinunter. Sobald sie in Hogsmeade angekommen waren steuerten sie wie selbstverständlich die drei Besen an. In dem gemütlichen Pub war es wohlig warm und ein angenehm süßlicher Duft lag in der Luft. Lily schnupperte neugierig, während sie sich einen Platz nahe am Kamin suchten. Sie erkannte Zimt, Anis und eine Spur Vanille, und gemischt mit dem holzigen Geruch des brennenden Holzes im Kamin fühlte sie sich plötzlich nach Cokeworth versetzt. Bilder von vergangenen Weihnachten tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Weihnachtstage an denen sie fast den ganzen Tag mit einem Buch und einem Teller voller Weihnachtsplätzchen vor dem Kamin gesessen hatte. Mit Severus, dachte sie und blickte zu James, der gerade den Schnee aus seinem Haar strubbelte, bevor er sich ebenfalls an den kleinen runden Tisch setzte. Seit sie und Severus sich kannten hatte er die Weihnachtstage fast komplett bei ihr Zuhause verbracht. Er hielt nichts von Weihnachten, trotzdem wusste sie, dass er die Zeit bei den Evans genossen hatte. Auch sie hatte es geliebt wenn sie sich stundenlang aus ihren Lieblingsbüchern vorgelesen hatten. Oft hatten sie ganz eng beieinander gesessen, mit dem Rücken an das Sofa gelehnt und in eine kuschelige Wolldecke gewickelt. Ob er dieses Jahr wieder in Hogwarts bleiben würde? „Lily?" Fragte James und Lily sah überrascht zu ihm herüber, dann zu Madam Rosmerta die mit erwartungsvollem Blick an ihrem Tisch stand und offenbar ihre Bestellung aufnehmen wollte. „Oh. Entschuldigung. Für mich bitte ein Butterbier." Sagte Lily hastig und lächelte verlegen. Madam Rosmerta lächelte verständnisvoll zurück und ging zum nächsten Tisch. „Na, wovon hast du geträumt? Etwa von mir?" Fragte James grinsend und Lily lachte. „Ich muss dich leider enttäuschen." Sagte sie und wickelte ihren Schal in den Farben Gryffindors von ihrem Hals und hing ihn über ihre Stuhllehne. „Wovon solltest Du sonst träumen?" Fragte er feixend. Lily legte den Kopf schief und betrachtete ihn kurz, bevor sie antwortete: „Von Weihnachten." Überrascht hob James die Augenbrauen. „Weihnachten?" Fragte er erstaunt und sie nickte. Ihr Butterbier kam und sie unterhielten sich noch eine Weile über dieses Thema, da James sich brennend dafür interessierte wie Muggel ihre Weihnachten verbrachten und deshalb wie gebannt Lilys Erzählungen lauschte. „Klingt fast so wie bei uns. Nur nicht so magisch." War sein Fazit und Lily lachte leise. „Stimmt." Sagte sie und dachte daran wie schön es wäre, wenn sie dieses Jahr endlich ein wenig echte Magie in das Haus ihrer Eltern bringen könnte. Sie schmunzelte und erzählte James von ihren Plänen, der sofort Feuer und Flamme war und selbst einige mehr oder weniger geeignete Ideen einbrachte. Vor allem wenn man bedachte, dass sie dieses Jahr bei Tunia und ihrem Mann eingeladen waren, war eigentlich jegliche Magie einfach undenkbar. Sie demonstrierte James den Gesichtsausdruck den Vernon machen würde, wenn sie Kerzen durch den Raum schweben lassen würde, oder wenn kleine festlich gekleidete Waldelfen in dem Weihnachtsbaum umher kletterten und die Dursleys mit den Weihnachtskugeln bewarfen und sie mussten beide herzlich darüber lachen. Sie tauschten noch einige Ideen und Anregungen aus und die Zeit verging wie im Flug, auch wenn Lily immer wieder an Severus denken musste. Sie konnte ihn an Weihnachten nicht alleine lassen, das wurde ihr immer klarer, je mehr sie darüber nachdachte. Und noch bevor sie sich mit James auf den Weg machte um einige Weihnachtseinkäufe zu erledigen, fasste sie einen Entschluss.
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Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...