Kapitel 104 - Die Prophezeiung

24 3 2
                                    

Severus stand im Schutz des Schattens in einer kleinen Gasse gegenüber den drei Besen und beobachtete mit angehaltenem Atem, wie Lily und Potter vor dem Pub standen und sich kurz miteinander unterhielten, bevor sie schließlich zusammen weiter die Hauptstraße hinunter gingen. Er blickte ihnen nach und verspürte eine unbändige Eifersucht in sich auflodern, die sich wie ein wütendes Feuer durch seinen Körper brannte. Wie gerne wäre er jetzt mit Lily hier, anstatt alleine durch die verschneiten Gassen von Hogsmeade umher zu irren, bis er am vorgegebenen Treffpunkt erscheinen musste. Wie gerne hätte er jetzt mit Lily ein wärmendes Butterbier getrunken, anstatt sie schon wieder mit diesem arroganten Schnösel weggehen zu sehen, der neben ihr her stolzierte als würde sie ihm gehören, dachte er wütend und zog seine Kapuze tiefer in sein Gesicht, bevor er wieder auf die Hauptstraße trat und nach links bog. Er ging schneller als es hätte sein müssen, als könnte er damit die unerträglichen Bilder verdrängen, die sich heimlich und unerbittlich in seinen Geist stahlen. Bilder wie Lily vertraut den Kopf an Potters Schulter lehnte, oder wie sie sich an den Händen hielten, sich innig küssten. Diese Bilder entsprangen den selbstzerstörerischen Abgründen seiner Fantasie, trotzdem fühlten sich der verzweifelte Schmerz und die Wut darüber für ihn real an, als hätte er es tatsächlich mit eigenen Augen gesehen. Was fand sie nur an diesem Potter? Er schnaufte verächtlich, blieb kurz vor der Tür des Pubs „zum Eberkopf" stehen und entschied sich schließlich einzutreten. Ihm schlug der Geruch von abgestandener Luft gemischt mit schalem Alkohol entgegen und sein erster Impuls war sich umzudrehen und wieder zu verschwinden. Dieser unverkennbaren Pub Gestank, der ihn so sehr an seinen nichtsnutzigen Vater erinnerte und damit unschöne Gefühle ihn ihm herauf beschwor, war für Severus kaum zu ertragen. Trotzdem unterdrückte er seinen Ekel und das dringende Bedürfnis zu flüchten und ging ohne zu zögern weiter auf die Theke in der Mitte des Pubs zu. Er setzte sich unter den argwöhnischen Blicken des Wirts auf einen der wackeligen Hocker und sah sich rasch in dem fast leeren Pub um während er bestellte. „Doppelten Feuerwhiskey bitte." Sagte er und der Wirt musterte ihn misstrauisch. „Schon Volljährig?" Fragte er mürrisch und Severus hielt ihm kommentarlos seinen Zauberstab entgegen. Der Wirt tippte diesen mit seinem eigenen Zauberstab an und und ein grüner Schimmer leuchtete zwischen den beiden Stäben auf, den der Altersprüfzauber ausgelöst hatte. Im nächsten Moment hatte Severus bereits ein Glas mit einer Bernsteinfarbenen Flüssigkeit vor sich stehen und der Wirt widmete sich endlich wieder anderen Dingen. Zufrieden blickte Severus auf das Glas, griff danach und nahm einen kräftigen Schluck. Der Whiskey brannte stärker als er erwartete hatte und er musste einen heftigen Hustenreiz unterdrücken. Trotzdem hob er erneut das Glas und trank es leer. „Noch einen." Brummte er, als er das Glas mit einem hohlen Klonk auf die Theke zurück stellte. Der Wirt füllte ihm schweigend ein weiteres Glas, in dem er mit seinem Zauberstab erst auf die Whiskeyflasche und dann auf Severus Glas deutete. Severus wusste, dass er eigentlich schon genug hatte, aber er wollte den Schmerz in seinem Inneren betäuben. Wollte die Bilder von Lily mit Potter aus dem Kopf bekommen und am liebsten auch Malfoy und Voldemort vergessen. In diesem Moment hatte er das Gefühl, sein gesamtes erbärmliches Leben nicht mehr ertragen zu können. Er hob erneut das Glas und trank es diesmal in einem Zug aus. Dieser Feuerwhiskey brannte nicht so unangenehm in seiner Kehle wie der erste, aber er spürte jetzt bereits dessen Wirkung. Der Schmerz war immer noch da, aber er wurde stumpfer, rückte auf eine befriedigende Art in den Hintergrund seines Verstandes und wurde dadurch um einiges erträglicher. Nur Lily sah er noch ganz deutlich in seinen Gedanken, spürte sie Liebe zu ihr. Vielleicht könnte er sie doch noch irgendwie für sich gewinnen? Eine leise Hoffnung keimte in ihm auf und stahl sich zurück in sein Herz, als wolle sie ihn vor seiner Selbstzerstörung und seinen Selbsthass bewahren. Aber wie sollte er es anstellen, Lily für sich zu gewinnen? Wie sollte er gegen Potter bestehen? „Noch einen." Sagte er mit rauer Stimme und dem festen Entschluss, seine Selbstzweifel zu ertränken und sie wenigstens für kurze Zeit zum schweigen zu bringen. Der Wirt machte eine kritische Kopfbewegung und öffnete den Mund um etwas zu sagen, schien sich jedoch dagegen zu entscheiden und füllte Severus kommentarlos ein weiteres Glas. Er würde Lily nicht aufgeben. Um keinen Preis. Nicht bevor sie ihm nicht sagte, dass er sie in Ruhe lassen solle. Dieses Mal spürte Severus das Brennen des Alkohols überhaupt nicht mehr, aber die einnebelnde Wirkung sorgte dafür, dass sich eine angenehme Leere in ihm ausbreitete, bevor wenige Augenblicke später ein unerträglicher Schwindel diese Leere wieder ablöste. Taumelnd stand er auf, sah sich um und ging in den hinteren Teil des Pubs, wo er die Toiletten vermutete. Kopfschüttelnd beobachtete ihn der Wirt dabei, wie er schweren Schrittes in dem schmalen Gang verschwand, um sich danach direkt um die Bestellung eines anderen Gastes zu kümmern, dessen Gesicht vollkommen von der Mütze seines abgewetzten Umhangs verdeckt wurde. Im Bad angekommen klammerte Severus sich an dem schmutzigen Waschbecken fest und drehte dann das Wasser auf, welches bloß in einem kleinen Rinnsal aus dem Hahn lief. Er hielt seine Hände darunter und spürte augenblicklich die wohltuende Kühle, die jetzt um seine Handgelenke floss und wieder in das gesprungene Waschbecken tröpfelte, um dort in sich schlängelnden Linien dem kalkigen Abfluss zu verschwinden. In seinem Kopf pochte ein dumpfer Schmerz und er wölbte seine Hände unter dem Wasser, sammelte es darin, benetzte damit sein Gesicht und wiederholte diesen Vorgang mehrere Male, bis er sich wieder einigermaßen klar im Kopf fühlte. Mit tropfendem Gesicht sah er sich um, entdeckte aber kein Handtuch oder etwas Ähnliches und trocknete sich sein Gesicht unwirsch mit dem Ärmel seines Umhangs ab. Er unterdrückte zwanghaft die aufsteigende Übelkeit, als er die Toilettenräume wieder verließ und konzentrierte sich voll und ganz auf seine Bewegungen. Er war keinen Alkohol gewohnt, und schon gar nicht solch einen starken wie Feuerwhiskey. Langsam lief er den dunklen Gang entlang, der zum Gastraum zurück führte, bis ihm plötzlich eine Tür ins Auge fiel, die nur einen Spalt breit geöffnet war. Aus dem Raum hinter der Tür drangen Stimmen, und er wollte einfach daran vorbei gehen, bis er eine Stimme vernahm, die ihm durchaus bekannt war und ein gewisses Interesse in ihm weckte. Vorsichtig ging er an die Tür heran und versuchte zu verstehen, was die Personen in dem Raum sagten. Seine unbändige Neugierde verleitete ihn dazu, noch näher an die Tür heranzutreten und einen kurzen Blick in den Raum zu werfen. Mit wem sprach Dumbledore dort? Und warum war in diesem zwielichtigen Pub? Dumbledore saß mit dem Rücken zu Severus. Die andere Person, eine Frau, Severus schätzte sie auf Ende zwanzig, saß dem Schulleiter gegenüber und somit genau in Severus Blickfeld, sodass er sie ausgiebig mustern konnte. Sie trug einen Umhang in schrillen Farben, über den sie mehrere bunte Tücher und Schals gewickelt hatte, und an ihren Handgelenken klimperten bei jeder Bewegung unzählige Armreifen und Armbänder mit kleinen Anhängern und Symbolen. Um ihren Hals hingen verschiedene Perlenketten und ihre Augen wirkten durch dicke Brillengläser seltsam vergrößert, was der Frau ein insektenhaftes Aussehen verlieh. „Wie Sie wissen bin ich die Ururenkelin der berühmten Seherin Cassandra Trelawny." Erzählte die Frau stolz und Severus sah, wie Dumbledore mit dem Kopf nickte. Bevor Dumbledore jedoch etwas erwidern konnte, erstarrte die Frau plötzlich wie zu einer Salzsäule und ihr Blick wurde leer. Severus erschrak als sie zu Zucken begann, ihren Kopf ruckartig nach hinten warf und scheinbar nach Luft rang. Dumbledore war mittlerweile aufgesprungen, hielt aber in der Bewegung inne, als die Frau wie in Trance und mit dunkler, krächzender Stimme zu sprechen begann:

Eine Macht, den dunklen Lord zu besiegen naht heran.

Durch das Schicksal der Geburten unter dem Herrschenden zusammengeführt,

dem Lord gemeinsam die Stirn geboten.

Zwei Seelen, eine der dunklen und eine der neuen Magie, vereint in einem Krieger.

Dieser vorherbestimmt den dunkelsten Magier unserer Zeit zu besiegen,

geboren während des fünften Mondes im Bilde der Gerechtigkeit der Capra.

Der Eine, mit der Macht den Unnennbaren zu besiegen,

und der dunkle Lord wird ihn als eben diesen zeichnen.


Doch der Krieger wird eine Macht besitzen, die der dunkle Lord nicht kennt.

Der eine muss durch die Hand des anderen sterben, keiner der beiden kann leben, während der andere überlebt.


Nachwort:
Ein Teil der Prophezeiung ist aus dem Original von J.K. Rowling. Ich habe sie nur für meine Zwecke etwas umgeschrieben.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt