Kapitel 139 - Maskerade

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Unruhig lief Severus in dem zerfallenen Gebäude umher. Er wartete bereits eine ganze Weile und wurde langsam ungeduldig. Die morschen Balken knarzten unheilvoll unter seinem Gewicht, aber er lief unbeirrt weiter in dem Raum umher, in dem alles von einer dicken Staubschicht überzogen war. Vor lauter Anspannung nahm er die vielen Geräusche um ihn herum kaum war. Er hörte weder das leise Heulen des Windes, noch das durch den selbigen verursachte Scheppern einer losen Fensterlade, oder das knisternde Rascheln der Mäuse und sonstigen Kreaturen, die sich mit ihm in der alten Hütte aufhielten. Er war völlig auf das konzentriert, was vor ihm lag, als plötzlich ein lautes, nicht zu der gewohnten Geräuschkulisse passendes, Knarren Severus Gedanken unterbrach. Sofort nahm er eine Verteidigungsposition ein und richtete seinen Zauberstab mit ausgestreckten Arm auf die Tür, durch die jetzt eine große schlanke Gestalt trat. Erst als die Gestalt ihre Kapuze von ihrem Kopf zog, senkte Severus seinen Arm wieder und entspannte sich etwas. „Guten Abend Severus.", sagte der Mann und trat einen Schritt näher an ihn heran. „Guten Abend, Professor.", erwiderte Severus mit dunkler Stimme und wartete gespannt darauf, was Dumbledore ihm zu sagen hatte. „Sind Sie bereit?", fragte Dumbledore und Severus nickte stumm, obwohl er sich überhaupt nicht so fühlte. „Gut.", sagte Dumbledore und strich sich nachdenklich über den langen Bart, bevor er das Wort mit ernster Miene wieder an Severus wandte. „Sie haben nicht viel Zeit. Deshalb mache ich es kurz.", sagte er. „Die Informationen, die Sie das letzte mal für mich hatten, waren sehr hilfreich. Ich möchte Sie bitten, Voldemort zu berichten, dass der Orden von dem geplanten Anschlag auf die Universität der Muggel erfahren hat und die Gebäude seitdem rund um die Uhr überwachen lässt. Selbstredend ist natürlich, dass Sie ihn nicht wissen lassen, woher der Orden diese Information hat und dass Sie ihre Gedanken entsprechend manipulieren. Allerdings wird er ihnen vermutlich auch so glauben, da diese Information bereits durch eine Patrouille der Auroren durch London bestätigt wurde. Voldemort wird dieses Mal noch denken, dass es sich um einen Zufall gehandelt haben muss, aber seien Sie auf der Hut, Severus.", erklärte Dumbledore zügig und blickte ihn unvermittelt dabei an. Severus runzelte die Stirn. „Natürlich, Sir. Aber glauben Sie, dass sich der dunkle Lord auf diese Weise von seinem Plan abhalten lassen wird?" Er wusste, dass ihm diese Frage nicht zustand, und er konnte nicht einschätzen, ob Dumbledore ihm diesen Einwand übel nahm, oder ob er ihn sogar kurz überdachte, da er ihn bloß mit unergründlicher Miene weiter anblickte. „Vielleicht.", antwortete er schließlich und warf einen schnellen Blick aus einem der Fenster. „Sie sollten sich auf den Weg machen.", fügte er hinzu und ging bereits zur Tür zurück. An dem halb ausgerissenen Türrahmen blieb er stehen und drehte sich noch einmal zu Severus um. „Viel Erfolg, Severus.", sagte er mit ernstem Gesichtsausdruck, und war bereits verschwunden, bevor Severus irgendetwas erwidern konnte.

„Wieso hast du mich nicht um Hilfe gebeten?" Lily trat gerade an die Tür des Jungenschlafsaals, als sie eine Diskussion aus dessen Inneren vernahm. Unsicher blieb sie stehen und wollte gerade wieder gehen, als eine der Stimmen endgültig ihre Aufmerksamkeit erregte und sie inne halten ließ. „Was schnüffelst du in meinen Sachen herum?", hörte sie Remus in einem ungewohnt schroffem Tonfall fragen. „Das spielt jetzt wohl keine Rolle.", hörte sie James ruhig erwidern und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Sie konnte schlecht hier stehen bleiben, aber nachdem was sie gehört hatte, konnte sie auch nicht einfach gehen. Remus wurde selten lauter, und schon gar nicht gegenüber James. Wie gebannt stand sie in dem leeren Flur und lauschte der merkwürdigen Unterhaltung zwischen den beiden Freunde. „Und ob es das tut! Es ist MEIN Leben und geht dich nichts an.", rief Remus noch aufgebrachter als zuvor. Was in Merlins Namen ging da vor sich, fragte sich Lily und hielt gespannt den Atem an. „Dein Leben geht mich nichts an?", fragte James, der jetzt ebenfalls seine Stimme erhoben hatte und ein freudloses Lachen von sich gab. „Aber, dass wir drei.." Er legte eine kurze Pause ein, und Lily vermutete, dass er bei diesen Worten auf die leeren Betten von Sirius und Peter deutete. „..dass wir alle seit sieben verdammten Jahren, jeden verfluchten Monat unsere Leben für dich riskieren, das ist schon okay, oder was?", rief James wütend, woraufhin eine unheimliche Stille eintrat. Lily nahm einen tiefen Atemzug und legte ihre Hand langsam auf die Türklinke, dessen Metall sich glatt und kühl auf ihrer warmen Handfläche anfühlte. „Das habe ich nie von euch verlangt.", hörte sie Remus jetzt sagen, bevor sie sich einen Ruck gab und die schwere Türklinke hinunter drückte. Im nächsten Moment stand sie James gegenüber, der offenbar gerade den Raum verlassen wollte. Er nickte ihr kurz zu, drängte sich ohne ein Wort zu sagen an ihr vorbei und war im nächsten Moment die Treppen nach unten verschwunden. Unschlüssig was sie tun sollte, blickte sie zu Remus, der mit dem Rücken zu ihr stand und die Hände an einen seiner Bettpfosten gestützt hatte, während er den Blick gesenkt hielt. „Remus?", fragte sie leise und wartete auf eine Reaktion. Als keine kam, ging einen Schritt auf ihn zu und sprach ihn noch einmal etwas lauter an, weil sie dachte, dass er sie vielleicht nicht gehört hatte. Jedoch rührte er sich immer noch nicht. Sie bemerkte, dass seine Fingerknöchel sich bereits weiß verfärbt hatten, weil er sich mit solcher Kraft in das dunkle Holz krallte, als würde sein Leben davon abhängen. Vorsichtig ging sie weiter auf ihn zu, bis sie direkt neben ihm stand und zögerte kurz, bevor sie tröstend eine Hand auf seinen Rücken legte. Es versetze ihrem Herzen einen Stich, als sie spürte, wie sein gesamter Körper unter ihrer Berührung zu beben begann. „Oh Remi.", sagte sie leise, und legte den Arm um ihn, woraufhin er sich überraschenderweise zu ihr umdrehte und sie fest an sich zog. Sofort erwiderte sie seine verzweifelte Umarmung und legte ihren Kopf an seine Brust. „Möchtest du darüber sprechen?", flüsterte sie nach einer Weile, aber Remus schwieg und sie erkannte an den leichten Bewegungen seines Oberkörpers, dass er seinen Kopf schüttelge. „Okay.", antwortete sie sanft und hielt ihn weiter fest in ihrer Umarmung.

Severus spürte den kühlen Wind auf seinem Gesicht, als er aus der heulenden Hütte trat und seinen Zauberstab wieder aus der Tasche seines Umhangs zog. Er ignorierte seine innere Unruhe, hob seinen Zauberstab an sein Kinn und flüsterte iniuarum Larva, woraufhin sein Gesicht leicht zu brennen begann, als würde es erst in Eiswasser getaucht, und danach an ein loderndes Feuer gehalten werden. Eine schwere Metallschicht legte sich über seine Züge, und obwohl er seine Maske bereits mehrere Male hatte tragen müssen, konnte er sich nur schwer an das Gefühl darunter gewöhnen. Tagelang hatte er damals an dem Maskeradenzauber gearbeitet, hatte Bücher gewälzt und stundenlang irgendwelche Zauber ausprobiert, bevor er endlich den richtigen gefunden hatte. Er erinnerte sich an das Gefühl der Erleichterung, als ihm seine Todessermaske endlich gelungen war, aber auch an ein anderes Gefühl, welches er seitdem immer wieder zu verdrängen versuchte. Denn gegen seinen Willen hatte er auch Stolz empfunden. Er war stolz auf seine Leistung gewesen. Stolz darauf seine eigene Maske kreiert zu haben. Eine Maske, die so sehr sein wahres Gesicht zu zeigen schien, dass es ihn gleichermaßen befreite und auf unheimliche Weise fesselte. Vielleicht gehörte er doch mehr zur dunklen Seite, als er sich eingestehen wollte, dachte er und sah unwillkürlich zu der Stelle an seinem Unterarm hinab, unter dessen Stoff die schwarze Zeichnung verborgen war, die ihn gleich mit einem stechenden Schmerz zu sich rufen würde. Zumindest hatte Malfoy es ihm so beschrieben. Denn er selbst wusste nicht, wie es sich anfühlte vom dunklen Lord gerufen zu werden. Da er noch Schüler in Hogwarts war, wurden ihm Einladungen meist über die Hauselfen der Malfoys übermittelt und er schlich sich dann für gewöhnlich zum richtigen Zeitpunkt aus dem Schloss. Obwohl aus dem Schloss schleichen nicht ganz richtig war. Er leitete die Daten an Dumbledore weiter, indem er sie verschlüsselt auf ein Pergament schrieb und dem steinernen Wasserspeier beim Vorbeigehen in das verzauberte Maul steckte. Dumbledore traf sich dann vor den Versammlungen mit ihm in der heulenden Hütte, wo sie die neusten Informationen austauschten. Danach trennten sich ihre Wege für gewöhnlich schnell wieder und Severus machte sich auf den Weg nach draußen, von wo er zu dem Waldstück apparierte, durch das er gehen musste, um zu der Lichtung zu gelangen, auf der regelmäßig die großen Treffen der Todesser mit Voldemort abgehalten wurden. Heute würde der Ablauf etwas anders sein. Severus sollte an der heulenden Hütte warten, bis Voldemort ihn über das dunkle Mal zu sich rief, und daraufhin direkt zu der Lichtung apparieren, so wie es die anderen Todesser auch taten. Er vermutete, dass er oft genug bewiesen hatte, dass er pünktlich und vermeintlich unbemerkt aus dem Schloss verschwinden konnte, sodass er jetzt ohne den Umweg auf der Lichtung erscheinen durfte. Trotzdem machte ihn diese Änderung nervös. Nervöser als er vor den Versammlungen sowieso schon war. Er sah sich auf dem kleinen Hügel um, auf dem die halbzerfallene Hütte stand und von dem man tagsüber ganz Hogsmeade überschauen konnte, welches sich jetzt nur durch einige Lichter in der Dunkelheit abzeichnete. Severus überlegte gerade wie schön die Aussicht hier am Tag sein musste, als ein brennender Schmerz ihn zusammen zucken ließ. Er krallte sich in seinen Arm, drückte diesen fest an seinen Körper und disapparierte zu dem Ort, zu dem er gerufen wurde.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt