Kapitel 40 - Ein normales Leben

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Die nächsten Tage vergingen ohne größere Vorkommnisse, jedoch war Remus zu Lilys Bekümmern wieder häufiger in sich gekehrt und sprach kaum ein Wort mit jemandem. Sie hatte gedacht, dass es ihm nach ihren Gesprächen besser gegangen war, aber sie schien sich getäuscht zu haben. Remus war oft übellaunig und schnell gereizt. Selbst sie konnte nicht mit ihm sprechen, ohne Opfer seiner zynischen Antworten zu werden und es stimmte sie traurig, dass er sich so verhielt. Die ersten Tage hatte sie noch gedacht, dass er einfach nicht gut drauf war, aber langsam machte sie sich Sorgen um ihn. Eines Abends, als sie mit Remus allein in der Bücherei saß nutzte sie die Gelegenheit und sprach ihn an. „Remus?" Fragte sie leise und er sah auf. „Mhh?" Fragte er bloß und Lily beugte sich weiter über den Tisch. „Wie geht es dir?" Er runzelte die Stirn. „Gut." Sagte er überrascht aber Lily schüttelte abwehrend den Kopf. „Nein. Wie es dir wirklich geht, meine ich." Fragend sah er sie an und legte seine Feder beiseite. „Ich merke, dass es dir nicht gut geht. Und mich würde interessieren, warum." Hakte sie weiter nach und Remus seufzte. „Was glaubst du wie es jemandem wie mir gehen kann, Lily?" Fragte er ungeduldig und etwas zu laut, denn Mrs. Pince ermahnte sie mit einem strengen Blicken leiser zu sein. Lily lächelte ihr entschuldigend zu und als sie sich wieder Remus zu wandte sah sie mit Erstaunen, dass er bereits seine Sachen zusammen packte. Bevor sie etwas sagen konnte stand er auf, schulterte seine Tasche und ging. Lily beobachtete ihn einen Moment verwundert, bevor sie ebenfalls ihre Sachen in ihre Schultasche stopfte und Remus eilig folgte, der gerade dabei war die Bibliothek zu verlassen. Draußen auf dem Gang holte sie ihn schnell wieder ein und hielt ihn am Arm fest. „Remus, sei doch nicht sauer. Ich will dich doch bloß verstehen." Sagte sie verzweifelt. Remus blieb stehen und sah sie mit undurchdringlichem Blick an. „Es gibt nichts zu verstehen, Lily. Niemand kann mich verstehen." Murmelte er gereizt. „Lass es mich wenigstens versuchen." Flüsterte sie und Remus verzog gequält sein Gesicht. „Lily, das ist alles nicht so einfach. Weißt du,..." Er zögerte bevor er traurig weiter sprach. „Es gibt für mich einfach keinen Platz auf dieser Welt." Lily schnürte es die Kehle zu. „Das ist nicht wahr. Hier ist dein Platz." Antwortete sie bestürzt, aber Remus schüttelte den Kopf und lachte freudlos auf. „Für wie lange noch, Lily? Knapp ein Jahr und dann? Was ist dann?" Er wurde lauter und klang jetzt wütend. Lily hörte jedoch auch die Verzweiflung in seiner Stimme mitschwingen und spürte die Tragik, die hinter seinen Worten stand. Er hatte Recht. Aber es würde einen Weg geben. Es gab immer einen Weg. „Remus, du wirst deinen Platz finden. Da bin ich mir sicher. Ich werde dir helfen." Sagte Lily sanft und sah ihm direkt in die Augen, die sie nun nicht mehr wütend anfunkelten sondern sie mit einer Traurigkeit ansahen, die so unendlich tief war, dass sie glaubte er könne nie wieder aus ihr herausfinden. „Du kannst mir nicht helfen." Flüsterte er mutlos und Lily nahm seine Hände in ihre. Er ließ es geschehen, senkte jedoch den Blick. „Dein Weg wird vermutlich nicht einfach sein, das möchte ich gar nicht bestreiten, aber ich bin mir sicher, dass du ihn finden wirst. Wenn du das willst." Er biss sich betreten auf die Lippe. „Lily, ich werde nie ein normales Leben führen können, begreif das doch bitte." Lily musterte ihn nachdenklich. „Remus, es sind nur ein paar Tage im Monat. Dich macht doch noch so viel mehr aus als deine Krankheit." Er sah sie unsicher an. „Ich lasse nicht zu, dass du dich so hängen lässt!" Fuhr sie energisch fort. „Du bist einer der tollsten Menschen die ich kenne, Remus Lupin. Du bist der beste und loyalste Freund den man sich wünschen kann und du bist einfach zu jedem auf dieser Welt freundlich. Ich kenne wirklich niemanden, der dich nicht mag!" Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen und sie drückte wütend mit ihrem Zeigefinger auf seine Brust. „Und jetzt reiß dich zusammen, nimm dein Leben in die Hand und lasse nicht zu, dass deine Krankheit es komplett bestimmt!" Remus sah sie mit einer Mischung aus Rührung und Ehrfurcht an. „Lily, du kannst richtig gruselig sein wenn du wütend bist." Lily wurde rot und Remus lächelte zaghaft. „Lily ich... Danke." Sagte er mit leiser, ernster Stimme. „Ich glaube, das habe ich gebraucht." Lily lächelte, ging einen Schritt auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Lily zögerte einen Moment bevor sie schließlich fragte: „Sag mal Remus, ich wollte dich das schon lange fragen. Hast du schon eine Verabredung für den Weihnachtsball?" Sie spürte wie Remus Körper sich verkrampfte. Er löste sich aus ihrer Umarmung und sah sie zerknirscht an. „Nun, ich werde nicht hingehen." Lilys Gesichtsausdruck wurde wieder Ernst und sie seufzte tief. „Ich habe es geahnt, hatte aber die Hoffnung, dass du endlich begriffen hast, dass du zu uns gehörst und immer einen Platz in unserer Mitte haben wirst." Er lächelte gequält und sie sprach ungerührt weiter. „Wenn du dir wirklich ein normales Leben wünscht, dann fang endlich an ein solches zu führen und geh wie jeder andere sechszehnjährige zu diesem blöden Ball." Lily stemmte die Hände in die Hüften Remus grinste sie schief an. „Mh, ja. Nur dafür bräuchte ich auch jemanden, nun ja, jemanden der mit mir hingehen möchte." Lily grinste ihn an. „Würdest du mich zum Weihnachtsball begleiten?" Fragte sie ihn strahlend und er sah sie verdutzt an. „Aber,... James... ich dachte du gehst mit ihm?" Lily hob die Augenbrauen. „James kann mir im Moment wirklich gestohlen bleiben." Remus sah sie schuldbewusst an. „Lil, ich weiß nicht so Recht." – „Komm schon, Remus. James wird es verkraften und ich würde wirklich sehr gerne mit dir hingehen." Sie lächelte ihm aufmunternd zu und Remus nickte schließlich. „In Ordnung." Sagte er und Lily grinste ihn an. Er lächelte schüchtern und Lily stieß ihm neckend in die Seite, als sie sich jetzt auf den Weg machten. „Nun, ich wusste ja nicht, dass dieses Jahr Damenwahl ist." Sagte Remus schmunzelnd und Lily musste lachen. Sie grinsten sich an und gingen gemeinsam zurück in den Gryffindor-Turm.

Snape drückte sich noch fester mit dem Rücken gegen die Wand und hielt angespannt den Atem an, als Lily und Lupin an ihm vorbei gingen. Sie schienen ihn nicht bemerkt zu haben, denn sie liefen ohne sich noch einmal umzusehen den Gang entlang. Eigentlich hatte er nur in die Bibliothek gehen wollen um zu sehen, ob Regulus wieder dort herum schlich. Seit einiger Zeit hatte er ihn schon nicht mehr dort herumschleichen sehen und er fragte sich, ob Regulus sein Ziel bereits erreicht, oder ob er mittlerweile aufgegeben hatte. Wer weiß was für einen stumpfsinnigen Auftrag Regulus von Mulciber bekommen hatte, denn Mulciber war nicht gerade für intelligente Einfälle bekannt, sondern eher für impulsive und unbedachte Handlungen, die oft eine Menge Ärger nach sich zogen. Deswegen wunderte Severus sich über solch einen langwierigen Auftrag, den er Regulus offenbar erteilt hatte. Allerdings hatte Regulus sich bisher auch nicht gerade geschickt angestellt in die verbotene Abteilung der Bibliothek zu kommen, denn das sollte wahrlich kein Projekt für mehrere Wochen darstellen. Severus hatte eher das Gefühl, dass Regulus nur halbherzig bei der Sache war und er fragte sich warum, denn Regulus Black war definitiv nicht unintelligent. Natürlich, er hatte ähnliche Flausen wie sein großer Bruder im Kopf, aber im großen und ganzen schien er sogar ganz in Ordnung zu sein. Das war nicht das, was er von einem Black erwartet hatte, aber bei seinen Beobachtungen in den letzten Wochen war ihm aufgefallen, dass Regulus trotz seiner ständigen Streiche immer hilfsbereit seinen Mitschülern gegenüber war. Auch gegen Muggelstämmige schien er nicht das geringste zu haben. Im Slugclub hatte Regulus sich den ganzen Abend freundlich mit einer Muggelstämmigen Hexe aus Ravenclaw unterhalten und es machte nicht den Anschein, als würde ihre Herkunft ihn stören. Es hatte sogar so ausgesehen, als wären Regulus und das Ravenclaw Mädchen miteinander befreundet. Ihm fiel ein, dass er bei den früheren Treffen auch zu Lily stets freundlich gewesen war. Ein ungutes Gefühl beschlich Severus. Das würde nicht das sein, was der dunkle Lord von ihm hören wollte, wo dieser doch hoffte, den jüngsten Spross der Blacks als treuen Diener auf seiner Seite zu wissen. Severus hatte keine Zweifel, dass man Regulus für das Leben als Todesser begeistern können würde, denn er fand alles was mit dunkler Magie zu tun hatte spannend und war in diesem Bereich wohl auch relativ belesen, musste Severus feststellen. Aber war es das Leben, das seinem Wesen entsprach und das er verdiente? Er spürte, dass diese Frage nicht nur für Regulus Black galt und er schloss für einen Moment die Augen. Solche Gedanken musste er dringend verbergen. Der dunkle Lord würde jederzeit wieder in seine Gedankenwelt eindringen können wenn er ihn traf. Und er würde ihn treffen. Früher oder später musste er ihm wieder gegenübertreten. Severus lehnte immer noch fest mit dem Rücken an der Schlossmauer und spürte jetzt ganz deutlich, wie die Kälte durch seinen Umhang drang und ihm fröstelte. Lily und Lupin waren schon längst verschwunden und langsam trat er aus dem Schatten einer großen, alten Statue heraus. Er sah den Gang hinunter den Lily und Remus entlang gelaufen waren und dachte jetzt an das Gespräch zwischen den beiden, dass er mehr oder weniger unfreiwillig belauscht hatte. Lily würde also mit dieser Kreatur zum Weihnachtsball gehen. Er spürte wieder diese stechende Eifersucht in seinem Herzen. Allerdings war Lupin immer noch besser als dieser Trottel von Potter, dachte er missmutig. So wie er bemerkt hatte, sprachen Lily und Potter seit ihrer stummen Auseinandersetzung in Verwandlung nicht mehr miteinander und ein Gefühl der Genugtuung breitete sich in ihm aus. Er würde zu gerne Potters Gesicht sehen wenn er herausfand, dass Lily mit seinem Werwolf Freund ausgehen würde. Snape grinste. Sicherlich würde Potter sich maßlos darüber ärgern, und Snape hatte keine Zweifel daran, dass Potter dieser Seitenhieb in seinem ach so perfekten Leben ganz gut tun würde. Auch Potter durfte spüren, dass man nicht alles im Leben bekam was man sich wünschte. Verbittert dachte Snape an sein eigenes Leben und seine Stimmung verdüsterte sich schlagartig wieder. Bald waren Weihnachtsferien, und dieses Jahr würde er in Hogwarts bleiben. Allein. Die letzten Jahre war er an Weihnachten bei Lily eingeladen gewesen, hatte zum ersten Mal fröhliche Weihnachtsfeste erlebt und erfahren, wie es sich anfühlen mochte in einer liebenden Familie aufzuwachsen. Das war vorbei. Jetzt gab es keinen Grund mehr in den Weihnachtsferien nach Spinners End zurück zu fahren. Seine Mutter hatte ihm noch nicht einmal geantwortet, als er ihr in einem Brief mitgeteilt hatte, dass er an Weihnachten in Hogwarts bleiben würde. Er war ihr egal und es sollte ihm ebenfalls egal sein. Er brauchte weder Lily, noch seine Eltern. Er würde die Ruhe in Hogwarts genießen und genug Zeit haben ungestört an seinen Zaubern zu arbeiten oder Okklumentik zu üben. Entschlossen, nicht weiter über Weihnachten oder irgendwelche Gefühle nachzudenken ging er los und zurück in die Kerker hinab. 

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt