Severus saß im dunklen Gemeinschaftsraum der Slytherins und starrte durch die riesigen Fenster in den durch die Nacht geschwärzten See. Es war weit nach Mitternacht und die letzten Slytherins hatten den Raum bereits vor Stunden verlassen. Das Feuer im Kamin konnte kaum noch als Glut bezeichnet werden und in dem hohen Raum war es kühl. Aber Severus fror nicht. Er spürte nichts. Er saß einfach da, unfähig sich zu rühren. Wie sollte er es ertragen Lily endgültig loszulassen? Wie sollte er es ertragen wenn sie starb, nur weil er sie nicht los gelassen hatte? Er war gefangen in seiner eigenen düsteren Welt, die er sich selbst erschaffen hatte. Jetzt musste er in ihr leben, konnte nicht mehr aus ihr heraus. Vielleicht wäre es besser nach den Sommerferien nicht mehr zurück zu kehren, sich direkt den Todessern anzuschließen und das letzte Jahr in Hogwarts nicht anzutreten. Dann wäre Lily nur noch seine Vergangenheit und vollkommen aus seiner Zukunft verbannt. Das alles würde erträglicher werden, wenn er sie nicht mehr täglich sah, und gleichzeitig grausam unerträglich. Doch wie er es auch drehte und wendete, Lily hatte in seinem Leben keinen Platz mehr, und er schon gar nicht in ihrem. Es war als lebten sie in unterschiedlichen Welten, in denen der andere nichts verloren hatte und nicht überleben konnte. In ihm wohnte die Dunkelheit und er in ihr, und seine einzige Lichtquelle war erloschen, wegen eines schrecklichen Fehlers den er selbst begangen hatte. Wie sollte er sich nicht selbst dafür hassen? Oder war es vorherbestimmt? War ein Licht in seinem Leben vielleicht niemals vorgesehen gewesen? Tausende solcher Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, quälten ihn, zerrten an seiner Seele und seinem Herzen. Irgendwann am Morgen kamen die ersten Slytherins in den Gemeinschaftsraum, doch Severus bemerkte sie kaum. Er saß weiterhin still in einem der schwarzen Sessel mit Blick auf den See, regungslos, bis irgendwann das erste Tageslicht durch die Tiefen des Wassers drang, durch die hohen Fenster in den Gemeinschaftsraum schien und den Kerkerraum langsam in das gewohnte Smaragdgrüne Licht tauchte, dass er so hasste weil es ihn so sehr an die schönsten Zeiten erinnerte.
Lily setzte sich gähnend in ihrem Krankenbett auf, streckte sich ausgiebig und stellte erfreut fest, dass es ihr heute erstaunlich gut ging. Vorsichtig setzte sie ihre nackten Füße auf den kalten Steinboden und sah sich, noch etwas verschlafen, im leeren Krankenflügel um. Es war noch früh am Morgen und sie hätte noch genügend Zeit zu duschen, frische Kleidung anzuziehen und in Ruhe mit ihren Freunden zum Frühstück zu gehen, bevor der Unterricht begann. Sie wollte gerade aufstehen als Madame Pomfrey bereits lächelnd auf sie zu kam. „Guten Morgen Miss Evans, endlich haben Sie wieder etwas Farbe im Gesicht." Sagte sie fröhlich und Lily grinste. „Guten Morgen Madame Pomfrey. Dank ihrer guten Pflege geht es mir sogar ausgesprochen gut." Sie strahlte Madame Pomfrey an, die schmunzelnd Lilys Hals abtastete. „Ich glaube, es spricht nichts dagegen, dass sie heute wieder den Unterricht besuchen." Sagte sie schließlich und Lily freute sich über die Aussicht, endlich wieder hier raus zu kommen. „Wunderbar. Ich packe gleich meine Sachen." Sagte sie aufgeregt. „Machen Sie sich in Ruhe fertig. Miss Prewett hat Ihnen gestern Abend als sie geschlafen haben noch frische Kleidung vorbei gebracht." Madame Pomfrey deutete auf den Stuhl neben Lilys Bett, auf dem, fein säuberlich gestapelt, ihre Kleidung inklusive eines sauberen Umhangs lagen. Amber war ein wirklicher Schatz, dachte Lily lächelnd und öffnete das kleine Nachtschränkchen um es auszuräumen. Sie sah in die Schublade und war einen Moment lang überrascht, dass dort ein kleines Buch lag. Sie konnte sich nicht daran erinnern eines hineingelegt zu haben und nahm es aus der Schublade heraus um den Buchtitel lesen zu können. Das Buch über Gestaltwandler, stellte sie erstaunt fest und die Erkenntnis traf sie plötzlich wie ein Steinschlag. Natürlich, sie hatte das Buch bei dem Überfall in der Hand gehabt und musste es dabei fallen gelassen haben. Sie vermutete, dass es bei ihr gefunden wurde und dass Dumbledore selbstverständlich auch von solch vermeintlichen Kleinigkeiten in Kenntnis gesetzt wurde, falls diese etwas zu bedeuten hatte. Das würde auch erklären, woher er gewusst hatte welches Buch sie an diesem Abend in der Bibliothek gelesen hatte. Sie betrachtete das kleine Büchlein kurz und steckte es in ihre Schultasche, die man ihr neben das Nachtschränkchen gestellt hatte. Danach machte sie sich fertig und ging hinunter in die große Halle zum Frühstück, wo ihre Freunde sie freudig überrascht in Empfang nahmen. Amber schloss sie fest in die Arme und strahlte ihre Freundin glücklich an. „Du siehst schon viel besser aus, Lil." Sagte sie, aber Lily antwortete bloß mit einem Lächeln. Als sie sich setzte, fing sie James Blick ein, der sie keinen Augenblick aus den Augen gelassen hatte, seit sie durch die großen Flügeltüren in die Halle getreten war. „Schön, dass du wieder da bist, Evans." Sagte er sanft. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt." Rief Sirius grinsend, woraufhin Remus leicht verärgert die Stirn runzelte. „Ich denke, dass Lily nicht weniger Schrecken erlebt hat." Sagte er an Sirius gewandt, der jetzt die Augen verdrehte. „Bleib geschmeidig, Moony. Evans weiß wie ich das meine! Oder?" Fragte er jetzt mit leicht unsicherem Blick zu Lily, die daraufhin leise lachen musste. „Ist schon in Ordnung, Sirius. Ein bisschen Humor nimmt dem ganzen vielleicht ein wenig den Schrecken." Sirius nickte erleichtert und warf Remus einen triumphierend Blick zu, sagte aber nichts weiter. Lily sah zu Remus, der sie mit ernstem Gesichtsausdruck musterte, und bedeutete ihm mit einem Zucken der Mundwinkel, dass sie in Ordnung war und nicht weiter darüber reden wollte, und er schien zu verstehen. Er entspannte sich etwas und sie war dankbar, dass Amber jetzt das Thema wechselte und sie alle bei einer unverfänglichen Unterhaltung über das neue Angebot im Honigtopf in Ruhe frühstücken konnten.
DU LIEST GERADE
Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...