„Sev.", hörte er Lily rufen, als er am Morgen an den Tisch trat und augenblicklich erfüllte ihn eine Woge des Glücks. Lily sprang lächelnd auf und küsste ihn sanft, bevor sie ihn auf den Platz neben sich zog. Lupin saß auf ihrer anderen Seite und hob zum Gruß die Hand, bevor er wie üblich seine Nase in den Tagespropheten steckte. Sie frühstückten gemeinsam und Severus spürte langsam wie er sich von der Weihnachtsstimmung der anderen anstecken ließ. Er sah zu Lily und bemerkte, dass sie ihr Gesicht nach oben gerichtet hatte. Er folgte ihrem Blick und sah zu der verzauberten Decke, an der unzählige weiße Wattewolken zu sehen waren, aus denen große, umhertänzelnde Schneeflocken fielen. „Genau das richtige Wetter für einen Winterspaziergang.", bemerkte Lily fröhlich und blickte fragend zu ihm herüber. „Gerne.", sagte er lächelnd und spürte eine unbändige Vorfreude darauf, ein wenig Zeit mit Lily alleine zu verbringen.
Nach dem Frühstück traten sie, beide in ihre Winterumhänge gehüllt, auf das eingeschneite Schlossgelände. Lily strahlte, als sie die weißen Flocken betrachtete, die unablässig auf sie hinab schneiten. Unvermittelt zog sie ihren Zauberstab und ließ eine Woge des glitzernden Pulverschnees in einem kleinen Wirbel um sie herum sausen. Severus spürte das kalte Kribbeln der Flocken auf seinem Gesicht, die durch die Wärme seiner Haut unmittelbar nach der ersten Berührung zu schmelzen begannen und eine angenehme Kälte zurück ließen. Lily jauchzte vergnügt, während sie mit ausgestreckten Armen durch den kleinen Schneewirbel tanzte und die Augen fest zum Schutz vor dem Schnee zusammen kniff. Severus fühlte sich wie berauscht von Lilys Unbeschwertheit und ließ sich buchstäblich von ihr mitreißen, als sie nach ihm griff und lachend in ihren winzigen Schneesturm bugsierte. Er zog sie an sich und blickte in ihr vor Aufregung gerötetes Gesicht, betrachtete die kleinen Schneekristalle, die an ihren Augenbrauen und Wimpern hängen geblieben waren und küsste sie. Er schmeckte die kalten Kristalle, die er zwischen ihren Lippen eingeschlossen hatte und die sich augenblicklich in der Wärme zwischen ihnen auflösten. Lily öffnete ihren Mund und er spürte wie ihre Zunge vorsichtig nach seiner tastete. Auch er öffnete seine Lippen, erwiderte ihre zärtlichen Bewegungen, während seine Hand ihr sanft über den Rücken streichelte. Ein leiser Seufzer entfuhr Lilys Kehle und er spürte ein aufgeregtes Ziehen in seinem Bauch. Sanft löste Lily sich von ihm und grinste. „Wir sollten besser weiter gehen.", sagte sie und Severus verspürte ein leichtes Bedauern darüber, dass wieder ein magischer Moment zwischen ihnen vorbei war. Sein einziger Trost war die Erkenntnis, dass er Lily jetzt immer so nah sein konnte, auch wenn er es immer noch nicht so recht glauben konnte. Lily wollte ihn. Sie wollte ihm genauso nah sein wie er ihr. Schüchtern griff er nach ihrer Hand, um sich zu vergewissern, dass er sie wirklich berühren konnte. Und tatsächlich erwiderte Lily den Griff. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und gemeinsam spazierten sie am See entlang.
Lily spürte die Kälte kaum. Sie glühte förmlich vor Aufregung über Severus Nähe, seine Küsse, ihre Haut, die sich an ihren Händen berührte. Sie liefen eine Weile schweigend, genossen bloß diese lang ersehnte Zweisamkeit und warfen sich nur gelegentlich ein verlegendes Lächeln zu. Für sie beide war diese Vertrautheit ungewohnt, aber sie fühlte sich richtig an. „Wann musst du zu deinem Eignungstest?", fragte Lily irgendwann neugierig und blickte zu Severus, der so überrascht von ihrer Frage war, dass er kurz überlegen musste. „Nach Weihnachten irgendwann.", sagte er und Lily nickte. „Möchtest du vorher üben?", fragte sie und Severus runzelte leicht die Stirn. „Um ehrlich zu sein, habe ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht.", gestand er und lächelte zaghaft. „Ich hatte anderes im Kopf.", erklärte er und Lily drückte liebevoll seine Hand. „Wir können einige Tränke der höheren Zaubertrankkunst brauen. Am besten welche, die man an einem Tag bewältigen kann, das grenzt das Ganze zumindest schon mal etwas ein.", überlegte Lily und wieder lächelte Severus. Sie unterhielten sich angeregt über einiger solcher Tränke, von denen ihnen bereits spontan einige einfielen, weil sie irgendwo einmal davon gelesen hatten. Gerade überlegten sie, ob Slughorn ihnen einige Zutaten aus seinem Vorrat für diesen Zweck zur Verfügung stellen würde, als Lily plötzlich inne hielt. Wie angewurzelt stand sie am Ufer und starrte auf eine Stelle unweit von ihnen. Severus folgte ihrem Blick und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Das hier war die Stelle an der James Severus damals kopfüber in der Luft hatte hängen lassen.
Die Stelle an der alles zerbrochen war, weil Severus sie Schlammblut genannt hatte. Das Ganze war im Frühling fast zwei Jahre her, aber noch immer schmerzten sie die Erinnerungen daran. Die Erinnerungen und vergessen geglaubten Gefühle von damals, die mit einem Mal wieder in ihr aufflammten, weil sie mit Severus genau hier stand. An dieser Stelle. Mit gequältem Gesichtsausdruck wandte Severus sich ihr zu und nahm zögerlich auch ihre zweite Hand in seine. „Lily.", flüsterte er verzweifelt. „Es tut mir so unendlich Leid." Lily blickte ihn mit traurigen Augen an. „Ich weiß.", erwiderte sie heiser, bemüht den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Unsicher sah Severus sie an. „Ich war so verletzt. Es war mir peinlich. Vor allem vor dir. Ich wollte einfach, dass du gehst. Dass du mich nicht so siehst.", sagte er leise und Lily bemerkte die Tränen, die in seinen Augen glänzten. „Glaubst du, dass wir Schlammblüter weniger Wert sind?", fragte sie tonlos und Severus zuckte merklich bei dem Wort „Schlammblüter" zusammen. Sein erschrockener Ausdruck wich einem entsetzen. „Nein. Lily, nein, das glaube ich nicht. Und ich habe es niemals geglaubt.", erklärte er hastig und schüttelte verzweifelt den Kopf. Lily musterte ihn, spürte den Schmerz, der sie beide offenbar gleichermaßen quälte. Sie spürte wie eine Flut von lang unterdrückten Gefühlen sie überrollte, und sie wusste nicht wie sie damit umgehen sollte. Sie spürte die Verletzung und die Demütigung so plötzlich und intensiv, als wäre das alles gerade erst passiert. „Aber du hast dich Du-weißt-schon-wem angeschlossen.", flüsterte sie und Severus ließ ihre Hände los, starrte sie mit ausdrucksloser Miene an und trat einen Schritt zurück. „Lily. Du musst mir glauben. Ich war so allein, ohne dich. Dieser Schmerz den ich dir zugefügt habe und den ich selbst erlitten habe. Ich dachte einfach ich habe nichts besseres verdient, als zu den Todessern zu gehören.", erklärte er mit brüchiger Stimme. „Ich dachte, dass mein Platz dort ist. Verstehst du?", fragte er, aber Lily schwieg. Sie spürte wie Tränen die kalte Haut auf ihrem Gesicht hinab liefen. Endlose Stunden hatte sie darüber nachgedacht, warum Severus sie beleidigt hatte, warum er die Seiten gewechselt hatte, und in gewisser Weise konnte sie ihn tatsächlich verstehen. „Ich werde alles tun um dir das zu beweisen.", rief er so verzweifelt, dass Lily wieder einen Schritt auf ihn zu ging. Ihr Herz brach bei seinem Anblick. Wie er mit hängenden Schultern vor ihr stand, die Haare vom Schnee durchnässt und mit bebenden Lippen. Sie hatte sich dazu entschieden ihm zu verzeihen, und sie glaubte ihm. Sie konnte seine Verzweiflung und seine Angst sie zu verlieren fast körperlich spüren. Er würde sich für sie von Du-weißt-schon-wen abwenden, das wusste sie. „Es tut so schrecklich weh, Severus.", sagte sie leise und sah in sein trauriges Gesicht. „Aber ich glaube dir.", sagte sie mit fester Stimme und trat dicht an ihn heran, schlang die Arme um seinen angespannten Körper und lehnte ihren Kopf an seine Brust, lauschte seinem schnellen Herzschlag. Einen Moment stand Severus immer noch wie versteinert da, dann legte er langsam ebenfalls seine Arme um sie. Erst zögerlich, dann fester, und Lily spürte das Beben in seiner Brust. Sie löste sich leicht von ihm, und einen kurzen Augenblick betrachteten sie das tränennasse Gesicht des anderen. „Versprich mir, dass du immer ehrlich zu mir bist.", wisperte Lily so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob Severus sie verstanden hatte. Aber er nickte stumm, legte seine Hände an ihre Wangen und küsste sie mit so viel Liebe auf die Stirn, dass ihre Haut zu prickeln begann. „Ich verspreche es.", flüsterte er und Lily schmiegte sich erleichtert wieder an seinen Oberkörper, vergrub ihr Gesicht in seinem Umhang und hielt ihn fest an sich gedrückt. „Du frierst.", bemerkte Severus und schob sie ein Stück von sich weg, um den Arm um sie zu legen. „Lass uns ins Schloss zurück gehen." Lily nickte und schlang ebenfalls einen Arm um ihn.
Gerade als sie völlig durchgefroren die Eingangshalle betraten, wurden sie von Professor Slughorn abgefangen, der mit winkenden Armen auf die zugelaufen kam. „Mr. Snape, wie schön, dass ich Sie so schnell finde." Er hielt inne, als er Lily in Severus Arm bemerkte und sah kurz von einem zum anderen. „Oh, Miss Evans. Guten Morgen meine Liebe.", fügte er hinzu und wandte sich sichtlich verstreut wieder an Severus. „Äh, Mr. Chamberlain hat mir geschrieben. Der Brautest im St. Mungos findet zwei Tage nach Weihnachten statt. Ich werde sie dorthin begleiten, als moralische Unterstützung wenn sie es so sehen wollen.", erklärte Slughorn und wandte sich wieder an Lily. „Miss Evans. Da ich Sie jetzt auch zufällig hier treffe.", sagte er und sah erneut zwischen Lily und Severus her, die immer noch Arm in Arm vor ihm standen. „Ich habe eine Einladung für Sie ins Zaubereiministerium. Von Mrs. Anderson, der Leiterin der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe.", sagte er lächelnd und Lily strahlte ihn an. „Kommen Sie nachher doch in mein Büro. Dann gebe ich sie Ihnen.", fügte er hinzu und verabschiedete sich von den beiden.
Severus blickte besorgt zu Lily, die jetzt noch mehr vor Kälte zitterte, als gerade schon und zog sie sanft zum Treppenabgang. „Die Räume der Slytherins sind näher.", erklärte er, als er ihren fragenden Gesichtsausdruck bemerkte. Lily nickte dankbar lächelnd und sie stiegen gemeinsam die Stufen hinab.
DU LIEST GERADE
Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...