Kapitel 155 - Schweres Gepäck

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Lily hievte ihren Koffer über das Gleis in Hogsmeade und hielt nervös nach Severus Ausschau, der mit einigen anderen Slytherins in einer späteren Kutsche mitgefahren war. Plötzlich spürte sie, wie ihr Koffer in ihrer Hand federleicht wurde und drehte sich um. Severus stand hinter ihr und hatte seinen sonst so ernsten Mund zu einem leichten Lächeln verzogen. „Ich hätte selbst drauf kommen können.", sagte Lily lachend und umarmte ihn. „Guten Morgen.", flüsterte er mit tiefer Stimme und drückte sie sanft an sich. Lily spürte die Gänsehaut und das wohlige Kribbeln auf ihrer Haut und vergrub ihr Gesicht in seinem Umhang, atmete seinen Geruch ein und vergaß für einen Moment den Abreisetrubel um sie herum. „Ich glaube wir müssen los.", brummte Severus leise und schob Lily sanft ein Stück von sich weg. Lily seufzte und zog ihren Zauberstab. „Diesmal übernehme ich.", sagte sie fröhlich und ließ ihren Koffer nur wenige Zentimeter vom Boden aufsteigen und vor sich her zum Hogwartsexpress schweben.

Severus sah ihr nach und spürte die Wehmut, die ihm unwillkürlich die Brust zuschnürte. Das letze Mal, dass er in den Hogwartsexpress steigen würde. Das letzte Mal, dass er Lilys rote Mähne mit seinen Blicken zwischen all den anderen Schülern suchen würde. Das letzte Mal, dass er dieses Bahngleis verließ. Mechanisch hob er seinen Zauberstab und ließ auch seinen Koffer neben sich her zum Einstieg schweben, vor dem Lily jetzt bereits stand und auf ihn wartete. „Nach Ihnen, Mr. Snape.", sagte sie grinsend und deutete mit einer ausladenden Geste auf den Waggon.

Wenig später hatten sie ihre Koffer in den Gepäckfächern über ihnen verstaut sahen stumm aus dem Fenster, als der Zug langsam anrollte. Severus beugte sich leicht über Lily, der er den Fensterplatz überlassen hatte und warf gemeinsam mit ihr einen letzten Blick auf das große Schloss, welches in dem hellen Sonnenlicht noch imposanter aussah als sonst. Es fühlte sich absurd an, dass es einfach so ungerührt da stand, obwohl sich für Lily und ihn so viel ändern würde. Er konnte sich immer noch kein Leben ohne Hogwarts vorstellen und der Gedanke daran löste eine tief verwurzelte Angst in ihm aus. Trieb sie an die Oberfläche und ließ ihn hart schlucken. Ab jetzt gab es keinen sicheren Ort mehr auf dieser Welt. Keinen Platz mehr für ihn. Einen Platz, den es ohnehin nie gegeben hatte, dachte er verbittert und versuchte seine Gedanken auf irgendetwas anderes zu lenken. In dem Moment ging die Abteiltür auf und Potter streckte seinen Kopf herein. „Hier bist du.", sagte dieser zu Lily, ohne Severus dabei auch nur eines Blickes zu würdigen. „Hier sind noch freie Plätze.", rief Potter noch in den Gang hinaus, bevor er seinen Koffer ebenfalls in die Ablage bugsierte und mit einer arroganten Selbstverständlichkeit gegenüber von Lily Platz nahm.

Das war nicht ganz die Ablenkung, die Severus sich gewünscht hatte, aber immerhin vertrieben der Hass und die Wut auf Potter seinen Kummer für eine kurze Zeit. „Die anderen müssten auch jeden Moment hier sein.", erklärte Potter unbekümmert an Lily gewandt und schlug die Beine übereinander. Es gefiel Severus nicht, wie Potter Lily anstarrte, aber Lily schien es noch nicht einmal zu bemerken. Sie lächelte bloß und richtete ihren Blick sofort danach wieder aus dem Fenster. Potter beobachtete sie wie ein Tier seine Beute, dachte Severus verächtlich und verzog das Gesicht. „Krone!", grölte eine vertraute aber verhasste Stimme in diesem Moment und Severus verdrehte die Augen, als Sirius Black, gefolgt von den anderen Anhängseln, in das Abteil stürmte. Auch sie nahmen ungefragt Platz, obwohl Severus das Unbehagen des Werwolfs deutlich spüren konnte, als er sich mit einem kurzen Nicken neben ihn setzte. Man sah es ihm an. Lupin sah müde und kränklich aus, was nicht am Mond liegen konnte, der noch lange nicht wieder voll sein würde. Auf eine unangenehme Weise konnte er Lupins Schmerz verstehen, der ihm deutlich ins Gesicht geschrieben stand und er fragte sich, warum seine wunderbaren Freunde dies nicht ebenfalls erkannten. Weil sie sich nur für sich selbst interessierten, beantwortete er sich die Frage augenblicklich selbst und beobachtete argwöhnisch, wie Potter immer noch ständig zu Lily blickte. Wieder öffnete sich das Zugabteil und der unverkennbare Lockenschopf von Amber Prewett schob sich hinein. „Macht mal Platz.", raunte sie Black zu, der sie lachend auf seinen Schoß zog, während sich Pettigrew verlegen in seine Ecke drückte. Auch Amber lachte und küsste Black auf den Mund, bevor sie sich vorbeugte und nach Lilys Hand griff, die ruhig auf ihrem Oberschenkel gelegen hatte. „Alles in Ordnung, Lil?", fragte sie sanft und es dauerte einen Moment, bevor Lily antwortete. Verwirrt blickte sie auf und lächelte verstreut. „Ja... ja natürlich. Ich war nur in Gedanken.", sagte sie schnell und Amber nickte verständnisvoll.

Lily fühlte sich aufgewühlt, aber es schien niemandem außer Severus aufzufallen, dass sie nicht so richtig bei der Sache war und den Gesprächen der anderen nur halbherzig folgte. Sie verstand die Aufregung der anderen, aber trotzdem fragte sie sich, ob ihnen der Abschied und die Reise in das Ungewisse denn überhaupt nicht schwer fielen. Sie plauderten munter über die Ferien und die Pläne, die sie für ihre freien Wochen gemacht hatten. Lily blickte zu Severus, der völlig regungslos neben ihr saß und nach draußen auf die vorbeiziehende Landschaft starrte. Vorsichtig griff sie nach seiner Hand und blickte in seine unergründliche Miene. Er musterte sie kurz, bevor ein fast unmerkliches, aber sanftes Lächeln seine Lippen umspielte. Lily erwiderte sein Lächeln, verschränkte ihre Finger mit seinen und lehnte sich in ihrem Sitz zurück, um ebenfalls aus dem Fenster zu sehen.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt