Kapitel 33 - Süßer Trost und bittere Vergangenheit

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Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors war es menschenleer. Nur Lily Evans saß in eine Decke gerollt in einem der Sessel nahe am Kamin. Das Feuer in ihm war schon lange erloschen. Es war früh am Morgen, fast noch Nacht, aber Lily konnte nicht schlafen. Stundenlang hatte sie sich in ihrem Bett hin und her gewälzt bis sie schließlich aufgestanden und nach unten in den Gemeinschaftsraum gegangen war. Jetzt starrte sie in die Dunkelheit, unfähig noch einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, und doch schien ihr Kopf ununterbrochen zu arbeiten. Ihr Körper war erschöpft, ihr Geist Müde und sie sehnte sich nach einem tiefen traumlosen Schlaf. Fröstelnd schlang sie die Decke enger um ihren Körper. Ihr Verstand war so sehr mit anderen Dingen beschäftigt, dass ihr nicht in den Sinn kam, ein Feuer im Kamin zu zünden. Sie schloss die Augen. Sie versuchte ihren Kopf frei zu machen und die ganzen Fragen, Erinnerungen und Gefühle beiseite zu schieben. Sie atmete tief ein als sie plötzlich ein Geräusch wahr nahm. Im ersten Moment konnte sie es nicht einordnen, obwohl sie dieses Geräusch schon unendliche Male gehört hatte. Sie setzte sich auf und starrte wieder in die Dunkelheit. Das Geräusch war das Aufschwingen des Portraits der fetten Dame, das den Eingang zum Gryffindor-Turm verschloss. Ihr Herz schlug schneller als sie aufstand und ein paar Schritte in Richtung des Portraitslochs ging. Sie griff nach ihrem Zauberstab. „Wer ist da?" Flüsterte sie mit fester Stimme. Jemand murmelte „Lumos" und das Licht eines Zauberstabs erleuchtete einen Teil des Raumes. Lily schaute überrascht in die Gesichter von James Potter und Sirius Black, die von ihrer Anwesenheit ebenso überrascht zu sein schienen. „Lily." Sagte James atemlos und kam auf sie zu. „Lily geht es dir gut? Ist alles in Ordnung?" Er stand jetzt direkt vor ihr und zog sie in seine Arme. Sie vergrub ihr Gesicht in seinem Umhang und er drückte sie fester an sich. „Es ist alles in Ordnung, James." – „Was ist mit Amber?" Fragte Sirius besorgt. „Sie ist oben und schläft. Es geht ihr gut." Sagte Lily leise und James ließ sie los, da Sirius ihn beiseite schob um sie ebenfalls in den Arm zu nehmen. „Gott sei Dank seid ihr beide wohlauf." Flüsterte Sirius in ihr Haar. Er streckte Lily wieder von sich und sie sah ihn im Schein des Zauberstabs erleichtert Lächeln. „Wo wart ihr? Wir haben euch gesucht. Und wo kommt ihr jetzt her? Wo ist Remus?" Überstürzte Lily beiden mit Fragen. James sah sie nachdenklich an. „Lily, lass uns morgen in Ruhe darüber sprechen." Sie setzte sich müde auf eines der Sofas. Sie fühlte sich leer. „Tatze, ich würde gerne mit Lily alleine sprechen." Sirius nickte verständnisvoll, klopfte James auf die Schulter, drückte Lily noch einmal kurz an sich und verschwand nach oben in den Schlafsaal der Jungen. James setzte sich neben Lily und plötzlich schien all die Anspannung von ihr abzufallen. Ohne es zu wollen und ohne zu wissen warum, brach sie in Tränen aus. James zog sie an sich heran, legte den Arm um sie und sie begann hemmungslos zu schluchzen. Sie weinte all ihren Schmerz, all ihre Gefühle und wirren Gedanken aus sich heraus. Ihre Tränen spülten alle Ängste und Sorgen davon. James zog sie enger in seine Umarmung und streichelte sanft über ihr Haar, während er ihr unentwegt beruhigende Worte zuflüsterte. „Es ist alles in Ordnung, Lily. Allen geht es gut. Es ist alles vorbei." Nach einer Weile wurde sie ruhiger. Sie hörte seinen kräftigen und regelmäßigen Herzschlag, genoss die Nähe und das Gefühl nicht alleine zu sein. Sie löste sich von ihm und sah ihn an. Er streichelte ihr zärtlich über die Wange und küsste sie liebevoll auf die Stirn. Sie schmiegte sich wieder an ihn und er breitete die Decke über sie beide aus. Lilys Augenlieder wurden schwer und endlich fand sie in den ersehnten Schlaf.

Zur gleichen Zeit lag in den Kerkern Severus Snape schlaflos in seinem Bett und dachte an Lily. All die Okklumentik-Übungen schienen nutzlos gewesen zu sein, denn Lily nahm wieder jeden seiner Gedanken ein. Er hörte ihre Stimme so klar, als würde sie in diesem Moment vor ihm stehen und mit ihm sprechen. Spürte sie, als würde sie direkt neben ihm liegen. Er streckte die Hand aus und fühlte die Leere. Sie war nicht da und würde es auch niemals sein, dachte er verbittert. Er musste sich auf andere Dinge konzentrieren. Er würde in Zukunft dem dunklen Lord dienen und musste Lily endlich vergessen. Aber auch die Geschehnisse des Abends wollten ihn nicht los lassen. Wenn er die Augen schloss, sah er den Werwolf drohend auf sich zu kommen. Die Zähne gefletscht und jeden Moment zum Sprung bereit. Aus seinem Maul triefte der Speichel und er hörte in Gedanken wieder dieses unheilvolle und tiefe Knurren, das aus der Kehle des Monsters kam. Er spürte wieder die Angst, Angst Lily nicht beschützen zu können, Angst dass sie beide sterben würden. Es fühlte sich an als würde ein großes Gewicht auf seiner Brust liegen und ihn langsam und qualvoll erdrücken. Er schnappte nach Luft. Bemühte sich seine Gedanken wieder in die Gegenwart zu lenken. Es war alles gut, nichts war geschehen. Lily war in Sicherheit. Aber was war in Zukunft? So wie er Lily kannte würde sie sich um keinen Preis der Welt von Remus fern halten. Wut brannte in ihm auf. Wut darüber, dass er sie nicht immer vor Lupin schützen konnte. Wut darüber, dass sie lieber mit einem Werwolf befreundet war als mit ihm. Die Wut schlug in rasende Eifersucht um. Er hatte nur ein unbedachtes Wort gesagt, dieses Monster hatte sie umbringen wollen und sie würde trotzdem mit ihm befreundet bleiben. Wieso konnte Lily ihm nicht verzeihen? Er spürte wie die Verzweiflung ihn zu übermannen drohte. Wieso war er es nicht auch Wert von ihr geliebt zu werden? War er wirklich schlimmer als solch eine Kreatur wie dieser Lupin? Er nahm all seine Kraft zusammen und verjagte diese Gedanken aus seinem Kopf. Er würde aufhören müssen mit dieser Gefühlsduselei. Er war kein kleiner Junge mehr. Er brauchte Niemanden in seinem Leben. Er hatte immer für sich alleine gesorgt und würde das auch weiterhin schaffen. Severus schlug die Bettdecke zurück, zog sich etwas über und ging mit seiner Schultasche in den Gemeinschaftsraum der Slytherins. Es würde noch einige Stunden dauern bis die ersten Mitschüler aufstanden, somit hatte er genügend Zeit an seinen Zaubersprüchen weiter zu arbeiten. Die Arbeit würde ihm helfen sich abzulenken. Er konnte seine Gefühle für seine Zwecke Nutzen, denn oft entsprangen seinen düsteren Gedanken die besten Ideen für dunkle Zauber und Verwünschungen. Auch den Sectumsempra-Fluch hatte er in einem Moment erfunden, als er den Hass gegen seinen Vater kaum noch bändigen konnte. Damals war sein Vater, wie fast jeden Abend betrunken Nachhause gekommen. Severus hatte sich aus dem was er in den fast leeren Küchenschränken finden konnte ein Sandwich gemacht, als sein Vater schwankend die Küche betrat. „Was machst du da? Du Nichtsnutziger Parasit." Hatte sein Vater ihn ohne Vorwarnung angebrüllt. Im nächsten Moment hatte er auch schon direkt vor Severus gestanden und ihn am Kragen gepackt. „Was du da tust, habe ich dich gefragt." Hatte er seine Frage drohend wiederholt. Severus hatte seinen Vater einfach nur angesehen und mit ruhiger Stimme geantwortet: „Ein Sandwich. Für mich." Sein Vater hatte gelacht und nach dem schäbigen Teller der neben Severus auf der Küchenablage stand gegriffen. Aber Severus hatte den Arm seines Vaters gepackt um ihn aufzuhalten. Er hatte sich die Schikanen seines Vaters nicht länger gefallen lassen wollen und hatte mit fester Stimme gesagt: „Such dir gefälligst selbst etwas zu Essen." Severus hatte kaum ausgesprochen, als die Faust seines Vaters ihn fest ins Gesicht getroffen hatte. Severus war ins Taumeln geraten und hatte nach dem Messer gegriffen, dass noch auf der Küchenablage gelegen hatte. Ganz automatisch und ohne darüber nachzudenken hatte er das Messer erhoben und gegen seinen Vater gerichtet. Dieser war erschrocken einen Schritt zurück gewichen, hatte sich jedoch im nächsten Moment wieder gefangen und war erneut auf Severus los gegangen. Bevor Severus sich auch nur bewegen konnte, hatte sein Vater ihm das Messer aus der Hand geschlagen und ihn zu Boden geworfen. „Du kleiner Bastard wagst es mich zu bedrohen?" Er hatte Severus mit den Knien auf den kalten, harten Fliesenboden gedrückt. Severus hatte auf dem Rücken gelegen und resigniert auf den nächsten Faustschlag oder Tritt gewartet, so wie immer. Tobias Snape hatte jedoch nach etwas auf dem Boden getastet und Severus hatte mit Entsetzen festgestellt, dass es sich dabei um das Messer handelte. Er hatte in diesem Moment von Angst erfüllt überlegt was er tun konnte, aber sein Vater hatte ihn so fest gepackt, dass er sich nicht rühren konnte. Sein Zauberstab hatte in seinem Zimmer gelegen, da sein Vater diesen nicht in seinem Haus sehen wollte. Panik war in ihm aufgestiegen als sein Vater, mit dem Messer zwischen seinen Zähnen, Severus Arm gepackt und langsam den Ärmel seines alten Pullovers hochgeschoben hatte. Grinsend hatte sein Vater das Messer genommen und an Severus nackten Oberarm angesetzt. Mit einem kehligen Lachen hatte sein Vater die Klinge in seine Haut gedrückt und war mit ihr langsam Severus Arm hinunter geglitten. Severus hatte gespürt wie das warme Blut aus der Schnittwunde trat, über seine Haut lief und auf den Boden tröpfelte. Er erinnerte sich an den brennenden Schmerz, hörte in seiner Erinnerung seinen eigenen erstickten Schmerzensschrei. Als sein Vater an seinem Handgelenk angekommen war, hatte er das Messer auf den Boden geworfen, war aufgestanden und in Richtung Tür getaumelt. „Diese Sauerei machst du gefälligst weg." Hatte er Severus noch zugeraunt, bevor er schließlich im Wohnzimmer verschwunden war. Diese Erinnerung ließ Severus erschaudern und er griff unwillkürlich an seinen linken Arm, der seit diesem Abend von einer dicken Narbe über die gesamte Innenseite gezeichnet war. Seine Mutter hatte damals versucht die Wunde mit einem Zauber zu heilen, der allerdings nur bedingt funktioniert hatte. Sie hatte die Blutung zwar stoppen können, die Wunde war jedoch nicht sehr gut verheilt. Er erinnerte sich wie er nach diesem Vorfall in seinem Bett gelegen und voller Wut und Hass darüber nachgedacht hatte, wie er seinem Vater diese Pein heimzahlen konnte. Er hatte sich ganz von seinen düsteren Gedanken leiten lassen und es war die Idee zu dem Sectumsempra-Fluch entstanden. Severus Gedanken glitten in die Gegenwart zurück und er wandte sich jetzt dem Pergament zu, das vor ihm lag und er begann zu schreiben. 

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt