Mit einem leisen Plöpp landete Severus fast zeitgleich mit Dutzenden anderen Todessern auf der Lichtung und bildete mit ihnen gemeinsam den üblichen Kreis am Rande des Waldes. Gegen seinen Willen musste Severus sich eingestehen, dass es ein unglaubliches Gefühl war, mit all diesen maskierten Gestalten eine Mauer des Zusammenhalts zu bilden, auch wenn das nicht das war, was er fühlen sollte. Er war hier unter Menschen, die ihn verstanden, die die gleiche Faszination für die schwarze Magie teilten und ihn als einen von ihnen akzeptierten, ohne viele Fragen zu stellen. Viel mehr noch, der dunkle Lord höchst persönlich hielt große Stücke auf ihn und sein umfangreiches Wissen über die dunkle Kunst der Magie. Vor allem durch seine selbst kreierten Zauber und Tränke hatte Severus sich in den letzten Monaten den Respekt und die Anerkennung des dunklen Lords und seiner Todesser verdient und war gewissermaßen sogar stolz darauf. Erhobenen Hauptes blickte er jetzt in die Mitte der Lichtung, auf der wie immer zwei große Gefäße mit den grünlichen Flammen standen und ihnen gerade so viel Licht spendeten, wie sie benötigten. Zwischen den Flammen stand Voldemort mit zum Gruß erhobenen Armen und blickte zufrieden in die Runde der silbernen Masken. „Meine treuen Diener.", begrüßte er sie, während seine riesige Schlange vor ihm über den Boden glitt und jeden einzelnen von ihnen mit ihrem bohrenden Blick zu erfassen schien. „Wie schön, dass ihr euch alle hier eingefunden habt.", begann er feierlich, bevor seine Stimmung sich sichtlich verdüsterte. „Leider gibt es außer dem freudigen, auch ein äußerst blamables Ereignis, das uns heute hier zusammenführt." Eine eisige Stille trat ein und Severus hatte das Gefühl, dass sogar die Natur den Atem anhielt, bis der dunkle Lord endlich weiter sprach. „Ich möchte Horret und Ashton bitten, ein Stück vorzutreten.", sagte er und seine Stimme hallte unheilvoll über die halbdunkle Lichtung. Wieder war es still, wieder rührte sich niemand. „Nur nicht so schüchtern.", rief Voldemort und winkte ungeduldig mit seinem Zauberstab umher. Severus schlug das Herz bis zum Hals und es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis zwei der Todesser endlich zögernd vortraten und sich vor Voldemort verbeugten. „Mein Herr.", sagten sie fast synchron und die Angst, die in beiden Stimmen im gleichen Maße mitschwang, war für Severus fast greifbar. „Ihr könnt euch sicherlich denken, warum ich euch nach vorne gebeten habe.", fuhr Voldemort fort und Severus spürte wie eine Gänsehaut seine Haut überzog. Die Männer schwiegen und Voldemort ging einen Schritt auf die beiden zu, während er sie mit seinem lodernden Blick fixierte. „Nun?", fragte Voldemort mit züngelnder Stimme, woraufhin einer der Männer sich unsicher räusperte. „Mein Herr. Es war ein Versehen. Eine kleine Unachtsamkeit.", erklärte der Mann mit heiserer Stimme und knetete nervös seine Hände, ohne Voldemort dabei direkt anzusehen. Voldemort musterte ihn wie ein Raubtier seine Beute und legte den Kopf etwas schief. „Eine kleine Unachtsamkeit.", wiederholte Voldemort, woraufhin sich auch der andere Mann zu Wort meldete. „Mein Herr, wir konnten nicht ahnen, dass Auroren in der Nähe sind.", sagte er und lachte nervös. Voldemort bleckte seine Zähne, und Severus war sich nicht sicher, ob er grinste, oder ob es die blanke Wut war, die sein Gesicht zu dieser grotesken Grimasse verzerrte. „Genau dafür sind die Befehle, die ich euch erteile, und die Schutzzauber, die ihr JEDES Mal benutzen sollt.", zischte Voldemort eisig und schüttelte tadelnd den Kopf, so wie man es mit einem unartigen Kleinkind tat. „Ihr habt den gesamten Plan mit eurer... kleinen Unachtsamkeit... gefährdet." In Severus Kopf arbeitete es und seine Hände fühlten sich plötzlich kalt und feucht an. Die Auroren, von denen Voldemort sprach, waren Mitglieder des Ordens, und nur Dumbledore und er wussten, dass sie nur durch seine Informationen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle gewesen waren. Durch einen glücklichen, oder für Ashton und Horret eher unglücklichen Zufall, hatten sie im richtigen Moment vergessen ihre Zauber zu verschleiern und waren von den Auroren aufgespürt worden, während sie gerade versucht hatten, bereits einige Versiegelungszauber auf die Gebäude der Universität zu legen. Die Zauber waren dazu gedacht gewesen, die Türen während der Angriffe der Todesser im richtigen Moment zu verriegeln und den Studenten somit die Fluchtmöglichkeiten zu nehmen. Severus hoffte inständig, dass man keine Verbindung zu ihm herstellen würde und er versuchte sich selbst zu beruhigen, indem er sich immer wieder einredete, dass in diesem Fall jeder von einem Zufall ausgehen musste. „Severus. Trete auch du bitte vor.", unterbrach plötzlich Voldemorts Stimme seine Gedanken und er schrak innerlich zusammen. Er war ein Narr. Wie hatte er denken können, dass Voldemort nicht eins und eins zusammen zählen konnte. Wie ferngesteuert trat er einige Schritte in die Mitte der Lichtung, blieb direkt neben Ashton und Horret stehen und verbeugte sich ebenfalls vor seinem Herren. Ein tröstendes Gefühl überkam ihn, wenn er daran dachte, dass er mit der Gewissheit sterben würde, dass Lily ihn zumindest genug geliebt hatte, um für eine kurze Zeit mit ihm zusammen zu sein. Es würde ihr und ihm erspart bleiben, dass er ihr Herz brechen musste, weil sie die Wahrheit über ihn erfuhr, dachte er fast erleichtert und versuchte dabei seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, indem er seine Atmung unter der schweren Maske so ruhig wie möglich hielt. „Severus, vielleicht kannst du die Situation etwas entschärfen.", sagte Voldemort und Severus starrte voller Beklemmung in das Schlangenartige Gesicht, dessen rote Augen ihn auf hypnotische Weise taxierten. „Gibt es diesbezüglich Neuigkeiten von diesem lächerlichen Orden?", fragte Voldemort mit solch einer Freundlichkeit, dass Severus schlecht vor Angst wurde. Er schwitze und fror gleichzeitig und er war sich nicht sicher, ob ihm Voldemorts Wut, oder seine Freundlichkeit in diesem Moment mehr Angst einjagte. Er schluckte. „Mein Herr, der Orden hat aufgrund dieses Vorfalls bewirkt, dass rund um die Uhr Auroren die University of London überwachen.", sagte Severus bemüht ruhig und war fast erschrocken, als seine Stimme kräftig und sicher durch die Nacht hallte, ohne eine Spur seiner Angst Preis zu geben. Voldemort drehte sich langsam zu Ashton. „Offensichtlich war eure Unachtsamkeit doch nicht so klein, wie du sie mir verkaufen wolltest.", sagte Voldemort und legte seinen Kopf erneut wie ein Raubtier in eine bedrohliche Schräglage, während er die beiden Männer neben Severus aufmerksam durch seine schmalen Augen betrachtete. „Mein Herr... ich, also wir...", stotterte Ashton, aber Voldemort ließ ihn mit einer Geste seiner Hand verstummen. „Ich will deine Ausreden nicht hören.", zischte Voldemort und richtete seinen knöchernen Zauberstab auf Ashton, der so leise aufstöhnte, dass Severus sicher war, dass nur er, und vielleicht noch Horret es hatten hören können. Trotzdem ging ihm dieser Laut durch Mark und Bein. Dieses leise Geräusch aus der Kehle dieses Mannes, das dessen Schicksal verriet, noch bevor es ausgesprochen wurde. Der Mann wusste was geschah, genauso wie Severus wusste, was jetzt geschehen würde. „Ich frage euch, meine treuen Anhänger, können wir einen solchen Verrat an unserer harten Arbeit dulden?", fragte Voldemort in die Runde, während er wieder wie zur Begrüßung die Arme ausbreitete. Noch bevor einer der Todesser ihm zustimmen konnte, hatte Voldemort seinen Zauberstab wieder auf Ashton gerichtet, der unmittelbar anfing aus voller Kehle zu schreien. Er schrie. Vor Überraschung. Vor Entsetzen. Vor Schmerz. Er schrie und fiel auf die Knie, kippte zur Seite und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf den Waldboden auf, während er sich vor Schmerzen unnatürlich zusammen krümmte. Horret trat entsetzt einen Schritt zurück, aber Severus rührte sich nicht, starrte bloß auf den sich windenden Körper, direkt vor ihm auf den Boden, hörte dabei Voldemorts Gelächter und war wie gelähmt vor Angst. „Nur zu Ashton, lass uns hören, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast.", rief Voldemort, natürlich in dem Wissen, dass Ashton unter dem Cruciatus Fluch nichts mehr machen würde, außer sich wie ein Wurm in der Erde zu winden. Plötzlich stoppte Voldemort und Ashton keuchte auf, wie ein Ertrinkender, der verzweifelt nach Luft schnappte. „Steh auf.", sagte Voldemort in bedrohlichem Tonfall zu ihm und Severus beobachtete, wie Ashton unter größter Anstrengung versuchte, sich aufzurichten. „Beeil dich.", schrie Voldemort ungeduldig und Ashton gelang es irgendwie, wieder auf die Beine zu kommen und sich sogar einigermaßen gerade zu halten. „Danke, mein Herr.", keuchte er heiser und verbeugte sich zitternd, während er weiterhin versuchte das Gleichgewicht zu halten. In der nächsten Sekunde zuckte ein grüner Lichtblitz durch die Luft, und Severus spürte wie der Körper wieder mit einem dumpfen Geräusch direkt vor seinen Füßen landete, noch bevor er ihn sah. Leblos lag Ashton vor ihm im Gras, die Augen vor Überraschung und Entsetzen weit aufgerissen. „Severus, schließ ihm die Augen. Dieser jämmerliche Anblick soll uns nicht die gute Stimmung verderben.", drang Voldemorts gelangweilte Stimme nur langsam an sein Bewusstsein und zwang ihn sich aus seiner Erstarrung loszureißen. „Ja, mein Herr.", antwortete er schließlich mit heiserer Stimme, kniete sich neben Ashton und schloss ihm mit einem Wink seines Zauberstabs die Augen, bevor er sich mit schweren Gliedern wieder erhob. Den Rest der Versammlung verbrachte Severus wie in einem Nebel. Einem Nebel aus Entsetzen, Todesangst und einem unvorstellbarem Grauen. Voldemort hatte diesem Mann das alles bloß wegen eines kleinen Fehlers angetan. Was würde er mit ihm machen, wenn er heraus bekäme, dass er für den Orden des Phönix spionierte? Nein, dachte er entschlossen und verbot sich diesen Gedanken. Angst würde ihm nichts bringen. Angst brachte bloß Fehler mit sich, und die durfte er sich in keinem Fall erlauben.
Lily saß gerade beim Mittagessen, als plötzlich etliche Eulen durch die großen Dachfenster herein geflattert kamen. Irritiert blickte sie nach oben. Für gewöhnlich kamen die Briefeulen nur morgens, weswegen sich eine ungewöhnliche Unruhe wie ein Lauffeuer unter den Schülern ausbreitete. Lily beobachtete, wie die Eulen vor einige der Schüler kleine Rollen Pergament fallen ließen, bevor sie sich eilig wieder auf den Rückweg machten. Auch vor ihr landete eine dieser Rollen, die sie als Sonderausgabe des Tagespropheten erkannte. Ungeduldig rollte sie das Extrablatt auseinander und hielt den Atem an, während sie die Zeilen unter der Überschrift „Du-weißt-schon-wer will Muggeln das Fürchten lehren - Anschlag auf Muggeluniversität in London ", überflog. Hastig las sie die Sätze, die in ihrem Kopf keinen Sinn zu ergeben schienen. Es war die Rede von der Brunel University, aber Lily wusste aus der letzten Versammlung des Ordens, dass der Anschlag auf die University of London geplant gewesen war. Wieso waren du-weißt-schon-wer und seine Anhänger auf eine andere Uni umgeschwenkt? Gut war in diesem Fall, dass auch an dieser Universität sofort Auroren vor Ort gewesen waren, die rechtzeitig eingegriffen und somit das schlimmste verhindert hatten. Es gab bloß einige Verletzte, aber wenigstens keine Toten, dachte Lily erleichtert und blickte sich suchend nach Severus um. Sie fühlte sich aufgewühlt und hatte das Bedürfnis, mit ihm darüber zu sprechen. Nach einigen Sekunden entdeckte sie ihn am Slytherintisch, wie er mit ausdrucksloser Miene ebenfalls auf ein solches Blatt Pergament blickte. Sie stand auf und ging mit schnellen Schritten zu ihm. Er bemerkte sie, ließ das Extrablatt achtlos auf den Tisch fallen und stand ebenfalls auf. „Sev.", begrüßte sie ihn aufgeregt. „Was für ein Alptraum.", fügte sie fassungslos hinzu, und er zog sie sanft am Arm in Richtung Ausgang. „Lass uns ein Stück gehen.", sagte er leise, blickte sich kurz um und ergriff ihre Hand. Sie schwiegen eine Weile, während sie in Richtung Innenhof liefen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, bis Lily schließlich weiter sprach. „Diese Kreaturen machen wirklich vor nichts Halt.", sagte sie voller Wut und konnte die Abscheu in ihrer Stimme nicht verbergen. Sie spürte eine tiefe Betroffenheit darüber, dass die Todesser immer mehr Unschuldige und vor allem zum Teil wehrlose Muggel ins Visier nahmen. „Ja.", sagte Severus knapp und Lily musterte ihn vorsichtig von der Seite. Er war blass und sah angespannt aus, wie bereits in den letzten Tagen und sie konnte nicht einschätzen, was in ihm vorging oder wie er über den Anschlag dachte.
Severus war müde. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und es fiel ihm schwer, seine Gefühle gegenüber Lily zu verbergen. Ihre forschenden Blicke durchbohrten ihn förmlich und er fühlte sich hilflos. Wie gerne würde er sich ihr einfach anvertrauen oder sie um Rat fragen. Stattdessen war er allein. Musste alles mit sich selbst ausmachen. Er war nach dem Treffen auf der Lichtung in der letzten Nacht noch bei Dumbledore gewesen, weil er nicht bis heute hatte warten können. Er hatte Dumbledore berichten müssen, dass Voldemort wegen der Entdeckung der Auroren seinen Plan geändert und eine andere Universität in London als Ziel gewählt hatte. Die Todesser hatten nur diese Nacht gehabt, um ihre Pläne für den heutigen Tag umzusetzen und waren dementsprechend schlecht vorbereitet an die Sache herangegangen. Das war ein großer Vorteil für die erfahrenen Auroren gewesen, die bereits vor Severus Bericht davon ausgegangen waren, dass Voldemort seinen Plan kurzfristig noch ändern würde. Sie hatten laut Dumbledore gehofft, dass er tatsächlich nur eine andere Uni, und nicht direkt ein ganz anderes Ziel wählen würde, weil so die Auswahl der Ziele überschaubar geblieben war. „Alles in Ordnung?", fragte Lily ihn und riss ihn damit aus seinen Erinnerungen. „Ja. Ja natürlich. Entschuldige.", stammelte er verwirrt und nestelte unwillkürlich an seinem linken Ärmelsaum. „Das Ganze nimmt mich etwas mit.", sagte er und dachte daran, dass diese Aussage noch nicht einmal gelogen war. Lily lächelte traurig und küsste ihn sanft auf die Wange, bevor sie die Arme um ihn legte und fest an sich drückte. Er schloss die Augen und fühlte sich trotz den liebevollen Berührungen verloren. Langsam begann das Doppelleben ihn auszulaugen, vor allem bei dem Gedanken daran, dass an ein Ende dieses ganzen Versteckspiels noch lange nicht zu denken war. Denn dies war erst der Anfang.
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Dieses Kapitel ist meiner lieben Leserin SarahBlack92 gewidmet, ohne die es dieses Kapitel gar nicht geben würde ;-)
Danke für den kleinen (ungewollten) Popotritt und die Inspiration
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Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...