Severus schmerzten sämtliche Knochen seines Körpers und als er aufwachte, wusste er für den Bruchteil einer Sekunde nicht, wo er überhaupt war. Ihm fielen die Ereignisse des gestrigen Abends wieder ein und er blickte sich ungläubig um. Hatte er wirklich im Gryffindor Turm geschlafen? In seinem Kopf pochte ein stechender Schmerz und er blickte sich suchend um. Wo war Lupin? Er war doch wohl heute Nacht nicht doch noch... Dann erblickte er ihn, leise schnarchend auf dem Sofa, allerdings so in die dicke Wolldecke eingeschlungen, dass Severus ihn nicht sofort erkannt hatte. Zu seinem Unbehagen stellte er fest, dass er Erleichterung darüber verspürte Lupin wohlauf vorzufinden und ärgerte sich im gleichen Moment über sich selbst. Das fehlte ihm, jetzt auch noch sentimental zu werden, dachte er wütend und stand langsam auf. Leise schlich er an dem schlafenden Lupin vorbei und gerade als er den Ausgang erreicht hatte, ließ ihn eine Stimme erschrocken herumfahren. „Guten Morgen." Lupin saß auf dem Sofa und lächelte ihm fröhlich zu. „Morgen." Brummte Snape zurück. „Sollen wir zum Frühstück?" Fragte Lupin und sprang von dem Sofa auf. „Eigentlich, also ich wollte gerade..." Antwortete Snape unsicher, aber Lupin unterbrach ihn. „Oh, und frohe Weihnachten." Snape sah ihn irritiert an. „Äh ja. Dir auch." – „Also Snape, wie sieht's mit Frühstück aus? Ich schätze an Weihnachten wird es besonders leckere Dinge geben." Er zwinkerte und ging an Snape vorbei durch das Portraitloch. Snape blieb einen Moment unschlüssig stehen, bevor er Lupin unwillig folgte. Es blieb ihm keine Wahl, er musste in dieselbe Richtung wie Lupin, selbst wenn er direkt hinunter in die Kerker ging. Letzten Endes gingen sie schweigend nebeneinander her und unten angekommen auch gemeinsam zum Frühstück in die große Halle, wo bereits einige der Schüler an dem Tisch in der Mitte saßen und fröhlich miteinander sprachen. Sie setzten sich und Lupin lud sich mit großem Eifer seinen Teller voll und begann zu essen, während eine Scharr Eulen in die Halle geflattert kam. Einige von ihnen mit Briefen oder Karten und manche sogar mit kleinen Paketen, die vermutlich verspätete Weihnachtsgeschenke enthielten, denn die meisten Geschenke lagen am ersten Weihnachtstag bereits in den Gemeinschaftsräumen. Die letzten Tage hatte es stark geschneit und in den Schottischen Highlands war es ungemütlich, weshalb viele der Eulen vermutlich länger gebraucht hatten als gewöhnlich, um ihren Weg nach Hogwarts zu finden. Aber Severus beachtete die Eulen nicht weiter, sondern schenkte sich eine Tasse heißen Tee ein und nahm sich einen Toast von einer der Platten, als plötzlich eine Eule direkt vor Lupin auf dem Tisch landete. Die Eule hielt ihm ihr Bein mit einem kleinen Päckchen hin, das er direkt von ihr los machte. Severus erkannte die große Schleiereule als Lilys Eule Picaldi und wandte den Blick schnell ab. Er begann sein Toast zu buttern und versuchte den freudestrahlenden Lupin zu ignorieren, der jetzt sein Paket von Lily auspackte. Picaldi krächzte und Severus ignorierte ihn geflissentlich, bis Lupin sich räusperte. „Nun, ich denke, er fliegt erst davon, wenn du ihm seine Post abgenommen hast." Snape sah auf um zu sehen, mit wem Lupin sprach und war überrascht, dass dieser ihn belustigt ansah weil er offenbar ihn gemeint hatte. „Wie bitte?" Fragte Severus und Lupin deutete mit einem Nicken zu Picaldi, der unruhig vor Severus von einem Bein auf das andere hüpfte und jetzt genervt mit den Flügeln flatterte. „Ich glaube, Mhm, er hat da was für dich." Sagte Lupin schmunzelnd und widmete sich betont desinteressiert wieder seinem Frühstück. Jetzt sah Severus die Karte an dem anderen Bein der Eule und ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Das musste ein Versehen sein, aber das sah Picaldi nicht ähnlich und mit vor Aufregung zitternden Fingern löste er vorsichtig das Band mit dem die Karte festgebunden war. Zufrieden schnatternd flog Lilys Eule davon und er sah ihr nach, bis sie aus einem der großen Fenster verschwunden war. Ob sie auf direktem Wege zurück zu Lily fliegen würde? Er senkte den Blick und betrachtete die Karte in seinen Händen, die tatsächlich an ihn adressiert war. Er hatte Lilys Handschrift sofort erkannt und nach dem ersten Gefühl der Freude, hatte er Angst verspürt. Wieso schrieb Lily ihm eine Karte? Vielleicht war es besser sie gar nicht zu lesen, sie direkt in den Kamin zu werfen. Er wollte keine Vorwürfe von ihr lesen, aber würde Lily so etwas tun? Niemals, flüsterte eine innere Stimme ihm zu und er konnte sich schließlich durchringen, die Worte die auf der Karte standen zu lesen.
„Ich wünsche Dir frohe Weihnachten,
und alles Gute für das neue Jahr. L."
Ungläubig las er die Worte ein zweites und auch noch ein drittes Mal. Lily wünschte ihm frohe Weihnachten und er verstand die Welt nicht mehr. Wieso schrieb sie ihm das? Er drehte die Karte um und besah sich nun die Rückseite. Es war eine schlichte, aber sehr schöne Karte. Sie bildete einen Weihnachtsbaum ab, der mit goldenen und roten Kugeln und reichlich Lametta geschmückt war. Auf eine unbestimmte Weise weckte dieses Bild eine tiefe Sehnsucht in ihm und er strich gedankenverloren mit dem Zeigefinger über das Motiv. Vor kurzem hatte Lily diese Karte noch in ihren Händen gehalten, und trotz alledem was vorgefallen war, hatte sie sie für ihn geschrieben. Er spürte wie die Trauer ihm die Kehle zuschnürte. Diese Karte machte ihm deutlich, was er alles verloren hatte und was er vielleicht hätte haben können. Er hatte es zerstört. Alles in einem Moment der Demütigung und Wut zerstört. Er selbst hatte seine ganze Welt mit Fackeln des Zorns niedergebrannt und würde mit den Konsequenzen leben müssen. Dieses mittlerweile gewohnte Gefühl, dass die Reue ihn zerreißen würde, zerrte so sehr an ihm, dass es ihm die Luft zum Atmen nahm. Sein Selbsthass stieg ins Unermessliche und er hegte die schlimmsten Gedanken, wie er diese unerträglichen Gefühle für immer betäuben könnte. Jemand legte seine Hand auf seinen Unterarm und ein zweites Mal an diesem Morgen schrak er zusammen und sah unmittelbar danach in Lupins Gesicht. Diesmal jedoch sah Lupin ihn nicht belustigt sondern voller Mitgefühl an. „Mhm, Ich weiß nicht was Lily dir geschrieben hat. Aber wenn du mich fragst, ist es eine Chance, kein Schlussstrich." Lupin verzog die Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. „Nutze sie Severus, bevor es zu spät ist." Lupin stand auf, nickte ihm zum Abschied zu und verließ die große Halle. Severus blieb zurück, alleine mit seinen Gefühlen und unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Was geschah hier? Was sollte er tun? Was bedeutete das alles? Gab es vielleicht wirklich einen Weg zurück? Nein, gab es nicht, er wüsste nicht wie. Eilig stand er auf, steckte die Karte in seine Umhangtasche und stürmte in die Eingangshalle. Er brauchte dringend Luft und mit wehendem Umhang verschwand er aus dem großen Eichenportal nach draußen, wo die eisige Dezemberluft ihm unbarmherzig ins Gesicht schlug und im Gegenzug dafür sämtliche seiner Gedanken für einen Moment einfror und den Schmerz betäubte. Er spürte nur seinen frierenden Körper und mit großen Schritten setzte er seinen Marsch durch den hohen Schnee fort, ohne ein Ziel und ohne einen Plan, bis seine Beine ihn nicht mehr trugen und er vor Erschöpfung nicht mehr denken musste.
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Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...