Kapitel 110 - Taktik der Selbstzerstörung

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Der Winter war nun vollkommen in den schottischen Highlands angekommen und ein strahlendes Weiß dominierte die Landschaft rund um Hogwarts. Lily und ihre Freunde fieberten bereits den ersehnten Winterferien entgegen, die in wenigen Tagen beginnen würden. Wie fast jeden Abend verbrachten sie auch heute die Zeit nach dem Lernen zusammen im Gryffindor Gemeinschaftsraum. Lily war froh, einfach noch ein wenig lesen zu können und hatte sich mit einem spannenden Buch in einen Sessel gekuschelt. „Hey Evans." Rief James vom gegenüber liegenden Sofa. „Bist du dir sicher, dass du mich nicht zu Slughorns Party mitnehmen willst?" Fragte er das gefühlt einhundertste mal, weshalb Lily diese Frage noch nicht einmal mehr ein müdes Augendrehen entlocken konnte. Sie ignorierte ihn und las weiter in ihrem Buch. „Amber und Moony haben doch keine Lust, also könntest du einfach mich mitnehmen." Flehte er, aber Lily blieb stur. „Weißt du was, Lily." Begann Remus sich einzumischen. „Ich glaube ich komme doch mit." Sagte er genervt und erntete einen wütenden Blick von James. „Das geht nicht." Protestierte James und sah zu Lily hinüber, die mittlerweile von ihrem Buch aufsah und die beiden beobachtete. „Klar. Gerne." Antwortete sie lächelnd an Remus gewandt und vertiefte sich wieder in ihr Buch. James starrte sie mit großen Augen an und schnappte nach Luft. „Das könnt ihr nicht machen!" Rief er empört und sah zwischen Lily und Remus hin und her, die sich beide unbeeindruckt zeigten. „Wieso nicht?" Fragte Remus freundlich und sah James dabei unvermittelt an. „Weil ich mit ihr dort hin wollte." Maulte James. „Sie möchte aber offensichtlich nicht mit dir hingehen. Und da du kein ‚nein' akzeptierst, werde ich mit ihr gehen. Dann ist endlich Ruhe." Erklärte Remus und steckte seine Nase ebenfalls wieder in sein Buch. James blickte fassungslos zu Sirius, der grinsend die Schultern zuckte. „Was machst du für ein langes Gesicht, Krone?" Fragte er provokant und zielte einigermaßen unauffällig mit seinem Zauberstab auf James, woraufhin sich James Gesicht unnatürlich in die Länge zog. Erschrocken betastete James sein Kinn, das ihm wenige Sekunden später bereits bis zur Brust reichte, während Sirius sich lachend auf seinem Sessel zusammen rollte. „Sehr lustig, Tatze." Fauchte James, was Sirius noch heftiger zum lachen brachte. Auch Lily, Remus und die anderen beobachteten amüsiert, wie James jetzt ebenfalls seinen Zauberstab zog und auf Sirius zielte, dem augenblicklich und unaufhaltsam seine gesamte Gesichtsbehaarung zu wachsen begann. Nun war es an James in schallendes Gelächter auszubrechen, während sein Freund verzweifelt versuchte seine Augenbrauen zur Seite zu schieben, die mittlerweile Kinnlänge erreicht hatten und ihm dadurch jegliche Sicht nahmen. Verzweifelt versuchten die beiden jetzt ihre Gesichter mit den passenden Gegenzaubern in ihre Ursprungsformen zurück zu versetzen, wobei sie kläglich scheiterten und laut fluchend mit ihren Zauberstäben herumfuchtelten. Als Sirius schwarzer Bart langsam den Boden erreichte, wandten die beiden sich fast gleichzeitig an Lily und Remus. „Macht doch etwas." Rief Sirius, während James nur ein flehendes „Lily" hervorbrachte. Lily und Remus warfen sich einen kurzen Blick zu, bevor sie aufstanden und jeder von ihnen einen der Streithähne von seinem Fluch befreiten. „Danke." Seufzten James und Sirius erleichtert und Remus setzte sich kommentarlos wieder mit seinem Buch in seinen Sessel, während Lily mit verschränkten Armen vor James stand und ihn mit unergründlicher Miene betrachtete. „Das ist einer der Gründe, warum ich mit Remus zu der Party gehen werde." Sagte sie ruhig und James blickte sie irritiert an. „Weil Sirius und ich uns einen kleinen Streich gespielt haben?" Fragte er verwundert, aber Lily schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Das war ziemlich komisch." Gab sie schmunzelnd zu, wurde jedoch sofort wieder ernst. „Aber wie könnt ihr beiden mit Flüchen um euch werfen, dessen Gegenzauber ihr noch nicht einmal kennt?" Fragte sie und sah jetzt auch Sirius an, der hilfesuchend zu Amber blickte, die bloß mit hochgezogener Augenbraue die Schultern zuckte. „Aber..." Begann James, aber Lily unterbrach ihn. „Es gibt kein ‚aber', James Potter." Sie nickte den beiden zu. „Ich wünsche euch allen eine gute Nacht." Verabschiedete sie sich und ging in ihren Schlafsaal.

Gedankenverloren starrte Severus hinauf zum Baldachin seines Bettes, der sich gänzlich in der Schwärze der Nacht verbarg und auch nach stundenlanger Betrachtung keine Antworten für ihn bereit hielt. Er blieb stumm, und Severus mit seinen Gedanken allein. Zaubertrankmeister. War es das was er wollte? Was wollte er denn überhaupt? Diese Fragen beschäftigten ihn seit Tagen und wenn er ehrlich zu sich war, überforderten sie ihn auch in seiner momentanen Lage. Er wusste, dass er Lily wollte. Schon immer und für immer. Daran würde nichts etwas ändern. Aber seine Zukunft bestand nicht nur aus Lily. Oder doch. Denn egal was er sich ausmalte und was er zu träumen wagte, er musste sich in Zukunft irgendwie seinen Lebensunterhalt verdienen. Wenn er einen guten Job hätte, würde sich Lily dann vielleicht für ihn entscheiden? Dieser Gedanke war mehr als töricht, weil sie niemals auf die Weise für ihn empfinden würde, wie er es sich wünschte. Aber was wenn doch? Er musste Geld verdienen. Und wenn sie sich niemals für ihn interessieren würde? Selbst dann würde er von etwas leben müssen, dachte er niedergeschlagen und rollte sich auf die Seite. Wenn er zumindest als Freund ein Teil von Lilys Leben sein wollte, sollte sein eigenes Leben einigermaßen geordnet sein. Niemals würde er Lily ein Gringotts Verlies voller Galleonen bieten können, anders wie Potter. Mit einem verächtlichen Schnaufen schob er seinen Arm unter sein Kissen, während die bekannte Eifersucht wieder einmal seinen gesamten Verstand einnahm. Ob Lily und Potter doch zusammen waren? Für den Weihnachtsball hatte sie ihm eine Abfuhr erteilt, aber das hieß nicht, dass sie bloß einen Streit hatten, jedoch trotzdem ein Paar waren. Manchmal erweckte es zumindest den Anschein, aber er konnte sich auch täuschen. Potter war schon immer selbstgefällig und selbstverliebt und stolzierte herum, als würde ihm dieses Schloss höchstpersönlich gehören. Genauso tat er es des Öfteren mit Lily, und Severus war sich nicht sicher, ob Potter einfach nur penetrant aufdringlich war, oder ob Lily in der Zwischenzeit wirklich mit diesem Nichtsnutz zusammen gekommen war. Und wenn es so wäre? Unwillkürlich krallte er seine Hand in sein Kissen und versuchte die bedrohlich aufsteigende Flut von Gefühlen zurück zu drängen. Er könnte Lily einfach fragen. Aber wollte er es wirklich wissen? Wollte er wirklich, dass sie ihm ins Gesicht sagte, dass sie einen anderen liebte? Oder war das ganze nur wieder eine selbstzerstörerische Taktik seiner selbst sich diese Horrorgeschichten auszumalen? Auch diese Möglichkeit war durchaus denkbar. Vielleicht würde er morgen auf Slughorns Weihnachtsfeier mehr erfahren. Wenn die beiden wirklich ein Paar waren, würde Lily ihren Potter wohl mitbringen, überlegte er und grämte sich mit der Vorstellung, die beiden den ganzen Abend turteln zu sehen. Diese Nacht, das wusste er, würde er auf jeden Fall keine Ruhe mehr finden.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt