Kapitel 67 - Eine unsichtbare Macht

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„Hey Lil." Begrüßte Remus Lily fröhlich und ließ sich neben sie in einen der Sessel fallen. Lily klappte ihr Buch zu und sah lächelnd zu ihm hinüber. „Hallo Remus. Wo sind die anderen?" Fragte sie neugierig und Remus seufzte. „Keine Ahnung. Ich habe irgendwas von Wabbelbeinzaubern gehört und dachte mir, dass ich hier besser aufgehoben bin." Lily lachte leise und sah aus dem Fenster. „Es wird erst in einer Stunde dunkel." Stellte sie fest. „Wie sieht es aus? Kleiner Spaziergang gefällig?" Remus grinste, stand auf und hielt ihr seine Hand hin. „Mir haben unsere kleinen Spaziergänge um den See schon gefehlt." Lily ergriff seine Hand und ließ sich schwungvoll von ihm aus dem Sessel ziehen. Sie holten ihre Umhänge und wenig später traten sie bereits hinaus auf das Schlossgelände, wo Lily wie so oft ihr Gesicht der Sonne entgegen streckte, um auch dem kleinsten Sonnenstrahl die Chance zu geben, ihr Gesicht mit seiner wohligen Wärme zu berühren. Und auch Remus genoss es sichtlich nach einem langen Winter wieder hier draußen zu sein. Es war windig, aber das Rauschen der Blätter des nahegelegenen Waldes hatte etwas beruhigendes auf sie, und ganz gemächlich schlugen sie ihre gewohnte Runde am Ufer des Sees entlang ein. „Wie läuft's mit James?" Fragte Remus jetzt und Lily sah ihn überrascht an. „Müsstest du das nicht genauso gut wissen wie ich?" Fragte sie und zog die Augenbrauen dabei hoch, was Remus zum schmunzeln brachte. „Mhm, nun, das kann gut sein." Lily lachte fröhlich. „Ich dachte mir, dass er sich dir anvertraut." Sagte sie und Remus lächelte schüchtern. „Schon gut." Sagte Lily sanft. „Es gibt nichts zu erzählen, was ich dir nicht auch erzählen würde." Sie hakte sich bei ihm unter, und in einträchtigem Schweigen gingen sie eine Weile nebeneinander her. „Mhm, meinst du, dass es was ernstes zwischen euch werden könnte?" Fragte Remus irgendwann und Lily überlegte einen Moment. „Nun, um ehrlich zu sein. Ich weiß es nicht. Könnte sein." Remus nickte nachdenklich. „Ich verbringe gerne Zeit mit ihm und ich fühle mich wohl in seiner Nähe, aber..." Lily suchte nach einer passenden Beschreibung, die ihrer Gefühle gerecht wurde, weil sie nicht wusste, wie sie es ihm erklären sollte. „Aber er ist nicht Severus." Vollendete Remus schließlich den Satz für sie und Lily erschrak kurz über seine direkten Worte. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. „Remus, ich..." Begann sie doch Remus winkte ab. „Du musst dich nicht rechtfertigen oder entschuldigen oder so." Sagte er ruhig und Lily lächelte dankbar. Remus hatte ausgesprochen, was ihr selbst nicht klar gewesen war, beziehungsweise, was sie immer noch nicht wahr haben wollte, obwohl auch Amber sie immer wieder auf Severus ansprach. War das auch der Grund, warum der Funke in Bezug auf James immer noch nicht so richtig bei ihr über sprang? Wegen Severus? Nach fast einem Jahr in dem sie bereits zerstritten waren? Sie seufzte. „Möchtest du darüber reden?" Fragte Remus und sah sie mitfühlend an, aber Lily schüttelte traurig den Kopf. „Nein. Nein, ich glaube nicht. Ich weiß selbst nicht was ich denke, oder fühle, oder wie es weitergehen soll." Sagte sie und kickte frustriert mit ihrer Schuhspitze einen kleinen Stein in Richtung See. Die Sonne ging langsam unter und tauchte die gesamte Landschaft in ein goldenes Licht. der See schimmerte in ihrem Schein in einem satten orange und insgeheim fragte sie sich, wie der Lichteinfall der untergehenden Sonne das Licht im Gemeinschaftsraum der Slytherins veränderte, und ob Severus gerade zufällig dort saß und ebenfalls die Farbe des sich zu Ende neigenden Tages bewunderte. „Keine Zeit darüber nachzudenken, was?" Unterbrach Remus ihre Gedanken und schmunzelte wieder. „Das Gefühl kenne ich." Fügte er hinzu und Lily lachte leise. „Ja." Sagte sie bloß und dachte über seine Worte nach, während sie gemächlich weiter gingen. Sie hatte wirklich kaum Zeit in Ruhe über irgendetwas nachzudenken, und auch Remus verbrachte viel Zeit mit Lernen in der Bibliothek und verstand von ihren Freunden wohl am besten, unter welchem Stress sie stand. Natürlich verbrachten die anderen mittlerweile auch mehr Zeit mit ihren Schulaufgaben und dem Lernstoff, aber niemand war so ehrgeizig wie Remus und sie. Bei ihr lag es auf der Hand, warum sie sich so abmühte. Sie war muggelstämmig und wollte allen beweisen, dass ihre Fähigkeiten ihren Mitschülern aus Zaubererfamilien in nichts nachstanden. Bei Remus war es etwas anders. Lily vermutete, dass sein Ehrgeiz daher rührte, dass er Bestnoten als einzige Chance sah, in der Zaubererwelt überhaupt irgendetwas für sein Leben zu erreichen. Er war sich sicher, dass er aufgrund seiner Krankheit nach Hogwarts das Leben eines Aussätzigen führen würde und es schmerzte Lily, wenn sie daran dachte, dass er so schnell aufgab und sich einfach so damit abfand, wie er und andere Werwölfe in ihrer Welt behandelt wurden. Sie betrachtete ihn von der Seite, während er einen kleinen Ast von einem der Bäume abknickte und ihn gedankenverloren durch seine Finger zwirbeln ließ. Im Moment schien es ihm sehr gut zu gehen und sie beschloss, das Thema „Zukunft" vielleicht bei einer anderen Gelegenheit nochmal anzusprechen. Sie spürte, dass jetzt nicht der Richtige Moment dafür war und so verbrachten sie den Rückweg damit, über unverfänglichere Themen wie den anstehenden Apparierunterricht und die neusten Streiche von James und Sirius zu sprechen. Sie schlenderten in ihr Gespräch vertieft weiter am See entlang, bis Lily plötzlich eine Gestalt wahr nahm, die nur noch wenige Meter von ihnen entfernt war. Sie verstummte und auch Remus sagte nichts mehr. Sie versuchte zu erkennen, wer die Person war, die reglos am Rande des Wassers stand und auf den großen See hinaus starrte. Es war bereits dämmrig und die letzten Sonnenstrahlen verschwanden jetzt langsam hinter den Hügeln der schottischen Highlands, weshalb sie große Mühe hatten, mehr als den Umriss dieser Person zu erkennen. Lily spürte, wie Remus Körper sich immer weiter anspannte, und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus, dass er seinen Zauberstab aus seinem Gürtel gezogen hatte und ihn leicht erhoben vor sich hielt. Sie gingen weiter, kamen der merkwürdigen Gestalt immer näher. „Lass uns besser gehen." Flüsterte Remus nervös, aber Lily konnte sich nicht von dem Anblick der Gestalt in dem schwarzen Umhang abwenden, die etwas dunkles und düsteres, aber zugleich auch eine unendliche Traurigkeit ausstrahlte. „Lily." Flüsterte Remus, diesmal etwas lauter und ungeduldiger. Sie wusste nicht was sie antrieb oder warum sie es tat. Umbeirrt von Remus Rufen ging sie weiter auf die Person vor ihr zu, wie durch eine unsichtbare Macht angezogen, von der sie nicht wusste woher sie kam. Sie spürte nur, dass sie keine Angst haben musste, und dass es richtig war jetzt weiter zu gehen. Es gab keinen anderen Weg für sie, dessen war sie sich in diesem Moment sicher, so sicher wie sich die Erde um die Sonne drehte. Sie hörte Remus eiligen Schritte hinter sich, der versuchten sie wieder einzuholen, aber auch sie ging jetzt schneller. Sie war nur noch knapp zwei Meter von der Person entfernt, die sie bemerkt zu haben schien und sich jetzt langsam zu ihr umdrehte. Lily stockte der Atem, sie stand jetzt dicht vor ihm und ihr Herz raste, als sie in ein vertrautes paar Augen blickte. Tiefschwarze Augen, die genau die Traurigkeit widerspiegelten, die sie bereits gerade gespürt hatte.

Severus blickte unverwandt in Lilys warmen grünen Augen. Sie war ihm so nah, dass er einfach nur die Hand nach ihr hätte ausstrecken müssen, um sie berühren zu können. Im ersten Moment hatte er gedacht, dass sein Geist ihm einen Streich spielte, und dass er sich Lilys Anwesenheit nur einbildete, weil seine Gedanken so von ihr erfüllt gewesen waren. Aber sie war es wirklich. Lily. Sie war hier. Er nahm Lupin, der ein paar Schritte hinter ihr stand, nur beiläufig wahr. Er war für ihn nur der endgültige Beweis, dass Lily tatsächlich vor ihm stand. Denn wenn ihre Anwesenheit seiner bloßen Vorstellung entsprungen wäre, wäre der Werwolf dort wohl kaum in ihrer Nähe, dachte er zynisch und musterte Lily genauer. Das, was er in der Dämmerung von ihrem Gesicht erkennen konnte verriet ihm, dass sie besorgt war. Aber weshalb? War sie etwa um ihn besorgt? Sein Herz schlug schneller, er wusste nicht was er jetzt machen sollte. Sie sollte nicht hier sein, er war doch hier um sie zu vergessen, dachte er verzweifelt. Wie voneinander gebannt sahen sie sich immer noch in die Augen, beide unfähig sich zu bewegen und unwissend, was sie sagen oder tun sollten. „Sev." Flüsterte Lily schließlich und sein Herz machte einen Sprung. „Ist alles in Ordnung mit dir?" Fragte sie leise und ihm wurde vor Aufregung heiß und kalt zugleich. „Ja." Hauchte er heiser und beobachtete wie sie leicht die Stirn runzelte. „Was machst du hier?" Fragte er und ärgerte sich, noch während er die Frage aussprach über sich selbst. Es ging ihn nichts an und es interessierte ihn auch nicht, oder sollte es zumindest nicht. „Wir gehen spazieren." Antwortete sie und warf einen kurzen Blick zu Lupin, der unsicher da stand und sich in seiner Haut gerade äußerst unwohl zu fühlen schien. Severus antwortete nicht. „Und was machst du hier?" Fragte sie ihn ebenfalls, und er überlegte was er sagen sollte. Nichts! Antworte ihr NICHT. Geh! Geh fort von ihr. GEH du Narr. Schrie es in seinem Kopf und sein Magen verkrampfte sich. „Ich genieße bloß die Ruhe." Sagte er leise und Selbsthass loderte in ihm auf. Er sollte einfach gehen, so schnell er konnte fort von ihr. Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf, weil er wusste, wenn er sich jetzt nicht von ihr löste, würde er ihrem Bann niemals entfliehen. Als wenn das überhaupt noch möglich wäre, flüsterte eine leise und bis jetzt mehr oder weniger erfolgreich verdrängte Stimme in seinem Verstand. Er ballte die Hände zu Fäusten. „Entschuldige mich. Ich muss los." Sagte er mit brüchiger Stimme und wieder ärgerte er sich über sich selbst. Was für ein Schwächling war er, dass er noch nicht mal für ein paar Worte seine Stimme im Griff hatte. Lily verzog das Gesicht zu einer Art Lächeln. Ein merkwürdiges, und trauriges Lächeln. Die Länge eines Wimpernschlags wollte er dem Bedürfnis nachgeben, sie fest in seine Arme zu schließen, aber er unterdrückte diesen Impuls. Er sah zu Lupin, der ihn mit unergründlicher Miene ansah und wandte sich wieder Lily zu. „Okay." Flüsterte sie und mit der größten Mühe riss Severus sich von ihr los, ging mit rauschendem Umhang an ihr vorbei und verschwand wenige Sekunden später in der hereinbrechenden Dunkelheit. 

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt