Kapitel 122 - Ein kurzes Aufatmen

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Dumbledore hörte Severus mit unergründlicher Miene zu, und unterbrach ihn kein einziges Mal während seiner Schilderungen. Das machte es für Severus leichter dem Schulleiter zu erklären, wie er in den selbstzerstörerischen Sog der dunklen Magie und somit in Voldemorts Fänge geraten war, und wie verzweifelte er versuchte dort wieder heraus zu kommen. Es kostete ihn die größte Anstrengung zu versuchen kein Detail auszulassen und wirklich ehrlich zu Dumbledore und damit auch zu sich selbst zu sein. Als er geendet hatte starrte Dumbledore ihn eine Weile an, und Severus mied schuldbewusst seinen Blick. „Sie wissen, dass Sie alles verraten haben wofür jeden Tag unzählige Hexen und Zauberer unter Einsatz ihres Lebens und das ihrer Liebsten kämpfen, Mr. Snape?", fragte Dumbledore ruhig, schien jedoch keine Antwort zu erwarten, da er direkt weiter sprach. „Was erwarten Sie von mir, das ich tun soll?", fragte er, diesmal mit einem Tonfall in seiner Stimme, den Severus noch nie bei ihm gehört hatte. Er klang unbarmherzig und es schwang unverhohlene Wut darin mit. „Bitte, Professor. Helfen sie mir.", flehte Severus mit brüchiger Stimme und blickte dem Schulleiter direkt in die blassblauen Augen, in denen jedes gütige Funkeln einer unnachgiebigen Härte gewichen war. „Bitte.", wiederholte Severus eindringlich. „Ich erwarte keine Gnade, oder dass Sie mir helfen, aber bitte sorgen sie dafür, dass Lily in Sicherheit ist.", flehte Severus erneut. „Wenn Ihnen so viel an Miss Evans liegt, wieso haben Sie sie dann so verraten? Wieso haben Sie in Kauf genommen, dass Voldemort sie als Druckmittel gegen Sie einsetzt?", fragte Dumbledore und Severus zuckte bei dem Klang von Voldemorts Namen merklich zusammen. „Professor, Sie müssen mir glauben. Ich habe das alles nicht gewollt. Ich übe mich seit über einem Jahr fast täglich in der Okklumentik um Lily zu schützen. Um sie für Du-weißt-schon-wen uninteressant zu machen.", rief Severus ungehalten, sprang von seinem Stuhl auf und blickte mit verzweifelter Miene zu Dumbledore, der immer noch mit beängstigender Ruhe hinter seinem Schreibtisch saß und ihn nachdenklich musterte. „Mr. Snape, ich fürchte dafür ist es zu spät. Selbst wenn Voldemort wirklich glauben sollte, dass er Miss Evans nicht mehr als Druckmittel einsetzen kann, ist sie immer noch muggelstämmig. Über kurz oder lang wird er sie verfolgen und beseitigen. So wie jeden anderen, der für ihn von zweifelhafter Abstammung ist.", sagte Dumbledore unbarmherzig und seine Worte ließen Severus erneut zusammen zucken, bevor er schmerzerfüllt das Gesicht verzog und sich kraftlos und voller Resignation zurück in den Stuhl fallen ließ. Eine Weile schwiegen sie, bis Dumbledore die Stille in dem Büro durchbrach. „Was würden Sie tun um Lily Evans zu schützen?", fragte er ernst und Severus sah überrascht auf. „Sie zu schützen?", wiederholte Severus tonlos, woraufhin Dumbledore langsam mit dem Kopf nickte. „Alles.", sagte Severus und in seinen traurigen, schwarzen Augen blitzte eine Entschlossenheit auf, die dem Schulleiter nicht entgehen konnte. Er musterte Severus eindringlich und nickte erneut. „Ich werde darüber nachdenken, was ich für Sie tun kann.", sagte Dumbledore und Severus schloss kurz die Augen, während er erleichtert durchatmete. Es fühlte sich an, als hätte er das gesamte Gespräch die Luft angehalten und er spürte, wie unmittelbar ein kleiner Teil seiner Anspannung und Angst langsam von ihm abfielen. Er öffnete die Augen und wusste, dass dies nur ein kurzes Aufatmen vor einem großen Kampf gewesen war. Ein Blick in Dumbledores Gesicht verriet es ihm. „Es wird Sie etwas kosten.", sagte Dumbledore und Severus schluckte. „Ich weiß.", erwiderte er heiser und bemühte sich darum die Fassung zu wahren. „Und ich werde jeden Preis ohne zu zögern zahlen."

Lily sah unruhig auf die Uhr, um dann wieder zu Remus zu schauen, der im Schneidersitz auf dem Boden vor ihr saß und gedankenverloren in einem Buch blätterte. „Remus?", sprach Lily ihn an und er sah fragend zu ihr auf. „Meinst du ich könnte einen kleinen Blick auf die Karte werfen?", fragte sie kleinlaut und spielte nervös am Ärmelsaum ihres Umhangs. Remus grinste wissend und beugte sich ein Stück zu ihr herüber. „Doch nicht etwa die Karte, die massiv gegen die Privatsphäre jeder einzelnen Person hier in Hogwarts verstößt.", flüsterte er verschwörerisch und musterte sie amüsiert. Als sie nicht antwortete, sondern nur ungeduldig die Augen verdrehte, grinste er noch breiter. „Miss Evans, das ist höchst illegal.", sagte er tadelnd, griff in seine Schultasche, zog ein unscheinbares Stück Pergament heraus und tippte mit seinem Zauberstab darauf. „Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut.", murmelte er und das Stück Pergament in seiner Hand wurde langsam zu einer umfangreichen Karte des Schlosses, die ihnen offenbarte, was in Hogwarts vor sich ging und wer sich in diesem Moment wo aufhielt. Lily nahm ihm die Karte aus der Hand und fuhr eilig mit ihrem Finger die möglichen Orte entlang, an denen sich Severus für gewöhnlich aufhielt. „Glaub ja nicht, dass ich nicht weiß woher du wusstest, dass Severus gestern im Glockenturm war, Lupin." murmelte Lily beiläufig und suchte weiter die Karte ab, die sie jetzt komplett auf ihrem Schoß ausgebreitet hatte. Remus lachte leise und wandte sich wieder seinem Buch zu, als Lily plötzlich hektisch mit dem Zeigefinger auf die Karte tippte. „Da ist er Remus. Er kommt auf uns zu.", rief sie aus, sprang vom Sofa und lief eilig zum Porträtloch. Noch bevor Remus etwas erwidern konnte, war sie bereits nach draußen verschwunden.

Mit gemischten Gefühlen verließ Severus schließlich das Büro des Schulleiters von Hogwarts und schlug ohne weiter darüber nachzudenken den Weg zum Gryffindor Turm ein. Einerseits war er erleichtert darüber sich einem so mächtigem Zauberer wie Dumbledore anvertraut zu haben, auf der anderen Seite hatte ihn die unterkühlte Ablehnung des Schulleiters doch überrascht. Er hatte mehr Mitgefühl erwartet, stattdessen hatte Dumbledore ihm deutlich gemacht, dass nur er selbst für seine missliche Lage verantwortlich war und, dass er nicht so einfach aus der Sache herauskommen würde, wie er zwischenzeitlich gehofft hatte. Unwillkürlich dachte Severus über den Preis nach, den er würde zahlen müssen und es fröstelte ihn. Die Ungewissheit darüber, was Dumbledore von ihm verlangen könnte, machte ihm Angst, auch wenn er es nur ungern zugab. Severus würde zu seinem Wort stehen, aber langsam dämmerte ihm, dass ein riesiger Kraftakt auf ihn warten würde. Völlig in seine Gedanken versunken lief er auf den Eingang zum Gryffindor-Turm zu, als das Porträt der fetten Dame aufschwang und Lily herausgeklettert kam. Sie entdeckte ihn sofort und grinste, bevor sie auf ihn zugeeilt kam. Sein Herz machte einen Sprung und er drückte sie fest an sich, sobald sie die Arme um ihn geschlungen hatte. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, sog ihren blumigen Duft in sich ein, der allen Kummer in ihm vertrieb und ihn mit einem wohlig warmen Gefühl erfüllte. Sanft schob er sie von sich, betrachtete ihr Gesicht, das ganz nah bei seinem war und küsste sie sanft. Ein Kribbeln durchfuhr seinen Körper und er blickte wieder in ihr Gesicht, das ihn glücklich anstrahlte. Das musste ein Traum sein, dachte er und streichelte zärtlich über ihre Wange, um sich zu vergewissern, dass dem nicht so war. „Wo hast du denn gesteckt? Ich habe mir Sorgen gemacht.", sagte sie und griff nach seiner Hand. Er lächelte. „Das erzähle ich dir in Ruhe.", erklärte er und sah sich kurz in dem Gang um. Lily verstand und zog ihn mit sich. „Lass uns hinein gehen. Remus und ich sind die einzigen Gryffindors, die in den Ferien hier sind." Severus stockte kurz. „Woher wusstest du eigentlich, dass ich genau in diesem Moment hier her komme?", fragte er verwundert und Lily lachte leise. „Man könnte sagen, ich habe es kommen sehen.", erklärte sie vergnügt, bevor sie ihm voran durch das Porträtloch kletterte.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt