Kapitel 136 - Zeitverschwendung

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Angespannt saß Severus neben dem Werwolf auf einem der Sofas und fühlte sich völlig verloren. Er wollte nicht hier sein. Er gehörte nicht hier her. Aber er wollte Zeit mit Lily verbringen, deswegen musste er sich wohl oder übel auch mit Potter und seinen Freunden arrangieren, auch wenn er es für Zeitverschwendung hielt, sich mit Menschen zu umgeben, die ihn nicht leiden konnten. Potter ignorierte ihn bereits den gesamten Abend, was ihm allerdings durchaus Recht war. Black hingegen hatte sogar ein paar höfliche Worte mit ihm gewechselt und Amber schien seit ihrer Rettung vollkommen mit ihm versöhnt zu sein. Sie war wieder fast die alte und er war erleichtert, dass Lily seit der Versöhnung mit ihr endlich wieder glücklich zu sein schien. Zufrieden beobachtete er, wie sie mit ihrer Freundin lachte und bemerkte zunächst nicht, dass er selbst beobachtet wurde. „Mhm, es ist gut, dass die beiden sich wieder vertragen haben, findest du nicht auch?", sprach Lupin ihn plötzlich an und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung der beiden jungen Frauen. Severus nickte leicht. „Ja.", antwortete er und blickte verlegen auf die Butterbierflasche, die er nervös in seinen Händen drehte, weil er nicht wusste, was er sonst noch sagen sollte. „Es war sehr heldenhaft, Amber zu retten.", bemerkte Lupin und Severus zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Das hätte jeder getan.", sagte er leise und nahm einen Schluck aus seiner Flasche, während Lupin ihn forschend musterte. „Nein. Das hätte nicht jeder getan.", sagte Lupin ernst, bevor er ebenfalls einen Schluck von seinem Butterbier nahm. Ein unangenehmes Schweigen entstand und beide hingen eine Weile ihren Gedanken nach, während die anderen sich lauthals über das letzte Quidditchspiel ausließen. „Wie sieht es mit deiner Stelle im St. Mungos aus?", fragte Lupin plötzlich und Severus runzelte fragend die Stirn, schwieg jedoch, weil er eigentlich keine Lust hatte darüber zu sprechen. „Hast du die Stelle?", hakte Lupin neugierig nach und Severus zuckte die Schultern. „Keine Ahnung.", antwortete er knapp und blickte unwillkürlich wieder zu Lily, die wild gestikulierend ihre Erzählung untermalte. Sie war wunderschön, dachte er, nicht zum ersten Mal an diesem Abend, und spürte dabei ein prickelndes Gefühl in seinem Bauch. Lupin musterte ihn erneut, folgte dann seinem Blick und seufzte fast unhörbar. „Es würde mich für euch freuen, wenn du die Stelle bekommst.", sagte er leise und unterbrach damit die Stille zwischen ihnen. Severus blickte unsicher zu Lupin, weil er nicht wusste, was er von dessen Freundlichkeit halten sollte und ob dieser seine Worte vielleicht sogar ironisch meinte. Reflexartig ging Severus deswegen in den Angriff über, so wie er es sich über viele Jahre antrainiert hatte, und drehte den Zauberstab um. „Wenn wir schon mal bei diesem Thema sind.", begann er und spürte sofort, wie der Körper des Werwolfs sich versteifte, während sich gleichzeitig dessen Miene verfinsterte. „Hast du dich bei Chamberlain gemeldet?", fragte Severus, unbeirrt von Lupins offensichtlichem Unbehagen. „Nein.", knurrte Lupin und setzte erneut seine Flasche an den Mund. „Selbst Schuld.", sagte Severus provokant und beobachtete, wie Lupin die Flasche wieder absetze, um etwas zu erwidern. „Wer ist selbst Schuld? Und woran?", fragte Lily fröhlich, die plötzlich vor ihnen stand und sich zwischen sie beide auf das Sofa quetschte. Severus spürte ihre Wärme und erneut breitete sich ein aufgeregtes Kribbeln in ihm aus. Lily griff nach seiner Hand und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie fragend zwischen ihnen hin und her sah. „Und?", fragte sie grinsend und hob erwartungsvoll die Augenbrauen. „Schon gut.", sagte Lupin lächelnd und warf Severus einen bittenden Blick zu. Dieser seufzte innerlich und überlegte kurz, ob er Lupin diesen Gefallen tun sollte. Lily konnte ruhig wissen, dass Lupin durchaus eine Perspektive für seine Zukunft gehabt hätte. „Genießt du deinen Abend?", fragte er stattdessen sanft, woraufhin Lily ihn glücklich anstrahlte und Lupin sich sichtlich entspannte. „Ja. Es ist schön, dass ihr alle hier seid.", sagte sie und sah zufrieden in die Runde. „Vor allem, dass du hier bist.", flüsterte sie ihm ins Ohr und küsste ihn erneut auf die Wange.

Seit Wochen fühlte Lily sich das erste mal wieder völlig unbeschwert. Sie genoss es einfach ihre Freunde um sich zu haben, zu lachen und  für eine kurze Zeit nicht an die Zukunft denken zu müssen. In solchen Momenten war es ganz einfach die Bedrohung zu verdrängen, die unheilvoll auf sie alle wartete, und obwohl sie wussten, dass diese glückliche Zeit bald endete, sprach niemand von ihnen davon. Es war, als wollten sie die Freude in ihren Herzen einschließen, um davon zu zehren, wenn ihnen die Welt um sie herum dunkel wurde und das Böse sich verbreitete. Sie sah zu Severus, der rechts von ihr saß und Sophie zuzuhören schien, die gerade etwas erzählte. Dann sah sie zu Remus, der auf ihrer linken Seite saß und gedankenverloren in die Flammen des Kamins blickte. Er sah unglücklich aus und sie war sich sicher, dass er sich gerade wieder Sorgen über sein Leben nach Hogwarts machte. Wie ein Meermensch die Luft, mied er dieses Thema rigoros und gab niemandem preis, was er nach seinem Abschluss vorhatte. Lily vermutete, dass er überhaupt keine Antwort auf die Frage hatte, die sie und seine anderen Freunde ihm stellen würden. Unwillkürlich musste sie an das Gespräch zwischen Remus und Severus denken, das sie gerade unterbrochen hatte. Wovon hatten die beiden gesprochen? Wieso war Remus selbst Schuld, und vor allem, woran? Ob es bei der Unterhaltung um Remus Zukunft gegangen war? Aber wieso machten die beiden so ein Geheimnis daraus? Nachdenklich strich sie sich eine Strähne hinter ihr Ohr. Es war offensichtlich gewesen, dass die beiden nicht wollten, dass sie etwas von ihrer Unterhaltung erfuhr und deswegen so schnell wie möglich vom Thema abgelenkt hatten. Normalerweise mischte sie sich nicht in die Geheimnisse anderer, aber irgendetwas war merkwürdig an der Situation. Die beiden waren noch nicht mal befreundet, wieso teilten sie also Geheimnisse miteinander? Unwillkürlich dachte sie daran, dass sie seit langem das Gefühl hatte, dass die beiden etwas verband, das sie nicht verstand. Vielleicht waren die beiden doch so etwas wie Freunde, überlegte sie und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Sie blickte auf und sah geradewegs zu James, der mit unergründlicher Miene an ihr vorbei zu Remus sah, und für einen kurzen Augenblick hatte sie das dumpfe Gefühl, dass er über das gleiche nachdachte wie sie. Er saß nicht weit von ihnen entfernt und sie schätzte, dass er die beiden ebenfalls gehört haben könnte, wenn seine Aufmerksamkeit doch nicht Amber und Sophie gegolten hatte. Er schien gespürt zu haben, dass sie ihn beobachtete und plötzlich sahen sie sich direkt in die Augen, bevor er rasch seinen Blick wieder abwandte. Die letzten Tage hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen, auch wenn er fast jede freie Minute mit Sophie verbracht hatte und man deshalb denken könnte, dass er langsam über Lily hinweg kam, schien dem nicht so zu sein.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt