Kapitel 128 - Heute und vielleicht für immer

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Aufgeregt wartete Lily auf Severus, der bald zurück nach Hogwarts kommen würde. Sie saß gerade mit Remus beim Abendessen, als er endlich die große Halle betrat und auf sie zugelaufen kam. Seine finstere Miene konnte nichts Gutes bedeuten und sie blickte ihm besorgt entgegen, bevor er sich schwerfällig neben sie auf den Stuhl fallen ließ. „Nicht gut?", fragte sie leise und Severus seufzte frustriert. „Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung.", erklärte er niedergeschlagen und schüttete sich ein Glas Kürbissaft ein. „Zunächst dachte ich, dass es gut lief, aber Patton, der leitende Zaubertrankmeister, hat nicht sonderlich beeindruckt gewirkt." Lily runzelte die Stirn. „Bist du denn zu einem passablen Ergebnis gekommen? Also waren die Tränke wie beschrieben?", fragte sie und musterte ihn neugierig. „Ja. Eigentlich schon. Aber ich war viel zu früh fertig.", erwiderte er skeptisch und Lily lächelte sanft, während sie ihre Hand beruhigend auf seinen Arm legte. „Vielleicht warst du tatsächlich einfach nur schnell.", sagte sie optimistisch. „Kann sein.", antwortete er knapp und blickte gedankenverloren auf seinen Teller. „Was hast du denn heute gemacht?", fragte er, um vom Thema abzulenken und war überrascht, als er Lilys unsichere Miene bemerkte. Sie blickte sich kurz um und beugte sich leicht zu ihm herüber, bevor sie zu sprechen begann. „Erzähle ich dir später.", flüsterte sie und Severus wunderte sich über diese ungewöhnliche Geheimniskrämerei. Erst als sie wenig später alleine im Gemeinschaftsraum der Gryffindors saßen, rückte Lily mit der Sprache heraus. „Dumbledore hat mich heute in sein Büro gebeten.", sagte sie und Severus hob verwundert eine Augenbraue. „Was wollte er?", fragte er misstrauisch und beobachtete aufmerksam Lilys Gesichtszüge, während sie sprach. „Er hat eine Art Vereinigung gegründet.", erklärte sie leise und Severus beschlich ein mulmiges Gefühl. „Was für eine Vereinigung?", fragte er und spürte wie jeder Muskel in seinem Körper sich anspannte. „Ein Orden, der mit seinen Mitgliedern gegen Du-weißt-schon-wen und seine Anhänger kämpft. Dumbledore hat mich gefragt, ob ich mich ihnen anschließen möchte, und ich habe ja gesagt." Lilys Worte hallten unheilvoll in seinen Ohren nach und er hatte das Gefühl, in einen tiefen Abgrund gestoßen zu werden. „Was soll das bedeuten?", fragte er, um Fassung bemüht, während er seine Hand unwillkürlich in die Lehne des Sofas krallte. „Das bedeutet, dass ich jetzt diesem Orden angehöre und aktiv gegen Voldemort kämpfen werde", sagte sie ruhig und Severus bemerkte das entschlossene Funkeln in ihren grünen Augen, welches er sonst so sehr liebte und bewunderte, das ihm aber in diesem Moment einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. Er nickte stumm und Lily betrachtete ihn misstrauisch. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie und er nickte erneut, bevor er plötzlich aufstand. „Ja. Ich muss nur kurz nochmal los.", erklärte er verstreut und versuchte ein gezwungenes Lächeln. Lily sprang ebenfalls vom Sofa und musterte ihn. „Sev. Ich kann verstehen, dass diese Situation komisch für dich sein muss.", sagte sie sanft, doch Severus wehrte ab. „Bitte entschuldige mich, Lily." Er musste hier raus, bevor die Wut ihn übermannte.

Lily runzelte die Stirn, ließ ihn aber ohne weiteren Kommentar ziehen. Verwirrt blickte sie ihm hinterher, als er eilig durch das Porträtloch nach draußen kletterte. Sie konnte verstehen, dass es für ihn merkwürdig sein musste wenn sie sich plötzlich so offensiv gegen eine Seite stellte, auf der er noch bis vor kurzem selbst gestanden hatte. Außerdem hatte er vermutlich Angst um sie, was sie natürlich auch nachvollziehen konnte. Trotzdem verletze und verunsicherte sie seine heftige Reaktion. Seufzend ließ sie sich wieder in die Polster fallen, zog ihre Beine an ihren Körper und schlang die Arme um ihre Knie. Sie dachte eine Weile darüber nach, was sie jetzt tun sollte, entschied sich dann aber schließlich dafür, Severus erst einmal seinen Freiraum zu lassen und zu warten, bis er sich wieder beruhigt hatte.

Atemlos kam Severus am Büro das Schulleiters an. Er kannte das Passwort noch und stand jetzt direkt vor Dumbledores Tür, an der er ungeduldig mit seiner Faust hämmerte. „Herein.", hörte er den Schulleiter rufen und öffnete die Tür. Dumbledore saß mit einer Feder in der Hand vor einer Rolle Pergament und blickte auf, als Severus eintrat. Er sah keineswegs überrascht aus ihn hier zu sehen und lächelte ihm sogar freundlich entgegen. „Mr. Snape. Bitte, nehmen Sie Platz.", begrüßte er ihn und deutete mit der Feder in seiner Hand auf den Sessel vor seinem Schreibtisch. Widerwillig setzte Severus sich, obwohl er so voller Wut war, dass er nicht glaubte, diese im Sitzen weiterhin bändigen zu können. „Ich habe mir gedacht, dass sie mich heute noch besuchen. Wie lief Ihr Brautest im St. Mungos?, fragte Dumbledore, offenbar tatsächlich daran interessiert. „Gut, Sir. Aber deswegen bin ich nicht hier.", erklärte Severus knapp. „Das habe ich mir gedacht. Ich schätze, dass ihr Besuch etwas mit Miss Evans neuer Aufgabe zu tun hat.", sagte Dumbledore und Severus schnaufte verächtlich. „Sir, bei allem Respekt. Wieso haben Sie das getan? Wieso ziehen sie Lily da mit rein?", fragte er wütend, woraufhin Dumbledore ihn erstaunt ansah. „Ich bin wohl kaum derjenige, der Miss Evans in diese Sache hineingezogen hat.", stellte Dumbledore klar. „Sie wollten sie schützen.", presste Severus hervor. „Mr. Snape, genau das tue ich. Ich tue genau das, worum sie mich gebeten haben. Ich schütze Lily Evans.", erklärte Dumbledore in einer Ruhe, die Severus noch mehr zum rasen brachte und ihn an den Rand seiner Selbstbeherrschung kommen ließ. „Schützen? Sie schützen sie, in dem Sie sie noch mehr zur Zielscheibe machen?", rief Severus aufgebracht und sprang von seinem Platz auf. „Mr. Snape.", begann Dumbledore, aber Severus schnitt ihm das Wort ab. „Sie retten sie nicht, sie bringen sie um.", rief er und starrte den Schulleiter von Hogwarts dabei wütend an. Dieser betrachtete ihn nachdenklich. „Mr. Snape. Ich habe Lily Evans wichtig für Voldemort gemacht. Wenn Sie mich ausreden lassen würden, könnte ich es Ihnen erklären.", sagte Dumbledore mit fester Stimme, während Severus ruhelos in dem Büro auf und ab lief und verzweifelt den Kopf schüttelte. „In dem Sie Lily in den Krieg schicken?", fragte er provokant und blieb vor dem Schreibtisch stehen. „Wie machen Sie Lily  dadurch wichtig für den dunklen Lord?", fragte Severus verständnislos. „Weil sie wichtig für die Erfüllung Ihrer Aufgabe in diesem Krieg ist.", begann Dumbledore langsam. „Bitte setzen Sie sich und lassen uns in Ruhe reden." Severus sah ihm in seine blassblauen Augen und ein ungutes Gefühl überkam ihn. „Was für eine Aufgabe?", fragte Severus misstrauisch, nachdem er sich widerwillig wieder in den Sessel gesetzt hatte. „Sie werden sich weiterhin mit Voldemort und seinen Anhängern treffen. Sie werden voll und ganz zu ihnen gehören und Voldemort mit Informationen aus dem Orden versorgen, die sie vorgeblich von Miss Evans erhalten.", erklärte Dumbledore und Severus erstarrte. Dumbledores Worte drangen nur langsam in seinen Verstand ein und seine Gedanken begannen zu rasen. „Ich soll als Doppelagent arbeiten?", fragte er ungläubig, woraufhin Dumbledore ihn forschend über seine halbmondförmige Brille ansah und schließlich nickte. „Ja.", sagte er und wieder rang Severus um Fassung. „Und wie ist Lily damit geholfen? Für mich klingt es, als wäre dieser Plan einzig und allein ein Vorteil für Sie und Ihren Orden.", sagte Severus, wobei er das letzte Wort besonders betonte und das Gesicht verzog, als würde er sich ekeln. „Ich möchte nicht abstreiten, dass dieses Arrangement auch für mich einige Vorteile mit sich bringt. Aber nicht für mich persönlich. Bitte vergessen Sie nicht, dass alle Mitglieder des Ordens, mich natürlich eingeschlossen, dafür kämpfen, Voldemort zu stürzen. Lily Evans ist geschützt, weil Voldemort denken wird, dass sie Sie mit Informationen versorgt.", erklärte Dumbledore. „Und was haben Sie davon dem dunklen Lord Hinweise über Ihren Kampf gegen ihn zu liefern?", fragte Severus und runzelte misstrauisch seine Stirn. „Wir führen Krieg, Severus. Das sollte Ihnen bewusst sein. Durch das gezielte durchsickern von internen Informationen, kann man durchaus das Handeln des Gegners beeinflussen und planen. Vorausgesetzt, dass Sie mich im Gegenzug ebenfalls mit Informationen versorgen.", sagte Dumbledore und Severus starrte ihn fassungslos an. „Sir, bei allem Respekt, wie soll ich das anstellen? Und wie soll ich Lily das Ganze erklären?", fragte Severus und spürte das Beben, das unwillkürlich durch seinen Körper ging. Dumbledore lehnte sich in seinem Stuhl zurück, musterte ihn eindringlich und faltete seine Hände in seinem Schoß zusammen. „Sie sind ein kluger Mann, Severus. Und haben bereits Voldemorts Vertrauen erlangt. Ich bin mir sicher, dass Ihnen etwas einfallen wird." bestürzt schüttelte Severus den Kopf. „Und Lily?", fragte er tonlos. „Miss Evans darf davon nichts erfahren.", erklärte Dumbledore ernst. „In gar keinem Fall darf überhaupt irgendjemand von unserem kleinen Arrangement wissen.", sagte Dumbledore mit so einer Dringlichkeit und Strenge in seiner Stimme, dass Severus mutlos in sich zusammen sackte. Er hatte keine andere Wahl, das wurde ihm in diesem Moment klar. „Oder haben Sie eine andere Idee?", fragte Dumbledore, natürlich ebenfalls in dem Wissen, dass es keine andere Lösung für Severus Problem gab. Wenn Severus als Doppelspion arbeitete, würde er Voldemort nicht mehr entkommen müssen, und auch Lily hätte den bestmöglichen Schutz, wenn sie währenddessen ein nützliches Mitglied im Orden war. Das verstand Severus, wollte es aber nicht wahr haben. „Sie wollten die Seiten wechseln. Jetzt können Sie beweisen, wie ernst Sie es meinen.", unterbrach Dumbledore das Schweigen zwischen Ihnen und Severus verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Es fühlte sich für ihn an, als müsse er Lily nun doch opfern, obwohl er nichts mehr wollte, als sie zu schützen. Das alles machte in seinem Kopf keinen Sinn und er sträubte sich innerlich noch gegen Dumbledores Plan, obwohl er wusste, dass dieser zweifellos das beste für sie alle versprach. Schließlich nickte Severus. „Ja.", flüsterte er. „Ich schätze, dass es tatsächlich die einzige Möglichkeit ist.", sagte er leise und dachte gleichzeitig an das Versprechen, dass er Lily erst vor ein paar Tagen am See gegeben hatte. Dass er sie niemals anlügen würde. Heute würde er dieses Versprechen brechen. Heute, und vielleicht für immer.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt