Kapitel 72 - Die Gebrüder Prewett

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An diesem Tag schien bereits die Sonne in den Mädchenschlafsaal, in dem Lily schlief und tauchte ihn in ein helles, warmes Licht, wie nur der Frühling es hervorzubringen vermochte. Gut gelaunt stand Lily an diesem Freitag Morgen auf und auch Amber grinste bereits vergnügt, als sie mal wieder viel zu spät aus ihrem Bett sprang um sich anzuziehen. „Bald ist Wochenende." Rief sie munter und Lily lachte leise. „Erstmal haben wir noch einige Stunden Unterricht und diesen nervigen Apparierunterricht abzusitzen." Bemerkte Lauren missmutig, was Amber aber in keiner Weise zu beeindrucken schien. Sie lächelte Lily bloß verschwörerisch zu, bevor sie eilig ihre blonden Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen band. Lily wartete geduldig bis Amber fertig war, obwohl Lauren und Mary bereits den Raum verließen und Amber und sie vermutlich mal wieder die letzten waren, die beim Frühstück eintrudeln würden. Aber eigentlich störte es Lily nicht weiter, dass sie morgens immer etwas später dran waren. Meistens gingen sie dann gemeinsam mit den Jungs nach unten, oder sie hatte ein bisschen Zeit, die sie mit Amber alleine verbringen konnte, was sie ebenfalls ganz schön fand. Als Amber endlich fertig war und nach ihrer Schultasche griff, stand Lily bereits an der Tür und hielt ihr diese lächelnd auf. Beschwingt ging Amber hindurch und sie machten sich zu zweit auf den Weg nach unten, wo ihnen, kurz bevor sie die marmorne Treppe in die Eingangshalle erreicht hatten, mit großen Schritten die abgehetzte McGonagoll entgegen kam. Mit angespanntem Gesichtsausdruck kam sie direkt auf sie zu und in Lilys Magengegend breitete sich ein ungutes Gefühl aus. Auch Amber schien dieses Unbehagen zu empfinden, denn sie blieb abrupt stehen und sah McGonagall unsicher an, die jetzt bereits direkt vor ihnen stand. „Miss Prewett. Gut, dass ich Sie finde. Ich dachte sie seien bereits beim Frühstück." Sie räusperte sich kurz, bevor sie weiter sprach. „Ich muss Sie bitten, mit in mein Büro zu kommen." Brachte sie mit gewohnt strenger Stimme hervor und sah Amber dabei eindringlich an. Lily war das leichte Beben in ihrer Stimme aufgefallen und das ungute Gefühl in ihr verstärkte sich. „Soll ich mitkommen?" Fragte Lily und McGonagall sah leicht überrascht zu ihr herüber, als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass sie die ganze Zeit direkt neben Amber gestanden hatte. „Miss Evans. Ja, das ist eine gute Idee, denke ich. Folgen Sie mir bitte." Amber und Lily warfen sich einen nervösen Blick zu, bevor sie wie angewiesen hinter Professor McGonagall hergingen, die zügig den Gang in Richtung ihres Büros entlang lief. Beklommen folgten sie ihr, ohne ein Wort miteinander zu sprechen oder sich anzusehen. Jede der Freundinnen war in ihre eigene Gedankenwelt vertieft und überlegte verzweifelt, was sie in McGonagalls Büro erwarten würde. Lily vermutete, dass es eher Amber als sie selbst betraf, weil McGonagall ihre Anwesenheit zunächst kaum bemerkt hatte, aber sicher sein konnte sie sich natürlich nicht. Ob etwas mit Sirius war? Aber dann hätte McGonagall außer Amber vermutlich eher James, als Lily dazugeholt, überlegte sie. War vielleicht etwas mit Remus? Jedoch wäre es auch in diesem Fall naheliegender, zuerst James und Sirius Bescheid zu geben, als Amber oder Lily. Lilys Herz klopfte wie wild, als sie endlich das Büro ihrer Hauslehrerin erreichten und sie spürte, wie Ambers kalte Hand sich um ihre schlang. Sie sah zu ihrer Freundin hinüber, die eine Sekunde zögerte, die Augen schloss und einen tiefen Atemzug nahm, bevor sie in das Büro traten, in dem ein wohliges Feuer brannte. Unsicher nahmen sie auf denen von Professor McGonagall angebotenen Stühlen vor ihrem klobigen Schreibtisch platz. Lily bemerkte, dass kaum Gegenstände auf dem Schreibtisch standen. Außer dem kleinen Stapel Bücher lagen nur eine Pergamentrolle, ein gläsernes Fässchen Tinte und eine große, elegante Schreibfeder auf dem Tisch und Lily wunderte sich, dass ihr gerade jetzt solche banalen Dinge auffielen, obwohl sie so angespannt war, dass sie das Gefühl hatte, es würde sie innerlich zerreißen. Sie hatten sich kaum gesetzt, da begann McGonagall auch schon zu sprechen, als wollte sie es schnell hinter sich bringen und Lily erlebte die folgenden Minuten nur noch wie in Zeitlupe. „Miss Prewett, ich habe sie hergebeten, weil ich..." Professor McGonagall zögerte, schien mit sich zu ringen. „...Nun ich habe Sie hier hergebeten, weil ich schlechte Nachrichten habe." Amber, die ihre Hand immer noch um Lilys geschlungen hatte, drückte unwillkürlich fester zu und setzte sich kerzengerade auf. Lily wurde übel, und sie wünschte sich um jeden Preis der Welt, dass McGonagall nicht weiter sprach, aber sie tat es. „Heute Nacht, hat es einen Angriff gegeben, auf eine U-Bahn-Station der Muggel in London. Es waren Todesser, die einen Anschlag verübten." Erklärte sie mit bemüht fester Stimme. „Ihr Vater und ihr Onkel haben auf der Seite des Ministeriums gekämpft und sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass bei diesem Unglück nicht noch mehr Menschen ums Leben gekommen sind." In Lilys Ohren begann es zu rauschen. McGonagalls Stimme wurde brüchig und hörte sich jetzt kaum noch gefasst an, als sie weiter sprach. „Leider, haben Ihr Vater und ihr Onkel nicht überlebt." Sprach McGonagall die unvermeidlichen Worte aus und in ihren Augen funkelten Tränen. Auch Lilys Augen begannen zu brennen und sie sah zu Amber, die McGonagall einfach nur ausdruckslos anstarrte. „Miss Prewett. Haben Sie verstanden, was ich Ihnen gerade..." – „Ja." Keuchte Amber. „Ja. Habe ich. Ich habe verstanden. Aber..." Lily spürte den Schmerz förmlich über Amber hinein brechen und sie glaubte, sich nie hilfloser als in diesem Moment gefühlt zu haben, in dem ihre beste Freundin neben ihr saß und den größten Schmerz ihres Lebens erfuhr, ohne dass sie ihr auf irgendeine Art helfen konnte. „Das kann nicht sein." Jammerte Amber. „Das kann nicht sein. Nein. Bitte." Flehte sie und Lily spürte, wie heiße Tränen ihre eigenen Wangen hinabrannen. „Ich fürchte doch." Sagte McGonagall betreten und wischte sich unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel. „Gideon und Fabian sind als Helden gestorben, Miss Prewett." Amber saß immer noch wie erstarrt auf ihrem Platz. „Nein." Flüsterte sie. „Nein. Nein." Wiederholte sie immer und immer wieder. Lily stand auf und legte den Arm um sie, was genau in diesem Moment alle Dämme bei Amber brechen ließ. Sie schrie verzweifelt auf und Lily war sich sicher, diesen Schrei niemals wieder vergessen zu können. Er ging ihr durch Mark und Bein und sie spürte mit Entsetzen, wie Amber jetzt schluchzend in sich zusammen sackte und hemmungslos weinte. Lily hielt sie in ihren Armen, strich ihr tröstend über den bebenden Rücken und fühlte sich wie gelähmt. Sie sah hilflos zu Professor McGonagall, die jetzt leise das Wort an sie gerichtet hatte. „Ihr Onkel Arthur kommt gleich und holt sie ab." Sagte sie ruhig und sah zum Kamin. „Mein Kamin ist für heute an das Flohnetzwerk angeschlossen. Professor Dumbledore und ich waren der Meinung, dass Miss Prewett so schnell wie möglich zu ihrer Mutter gebracht werden sollte." Erklärte sie und nahm ihre Brille von der Nase, um sich erschöpft die Augen zu reiben. Im nächsten Moment wurde das Feuer im Kamin grün und ein großer rothaariger Mann, mit müdem, abgekämpftem Gesichtsausdruck stieg aus ihm heraus. McGonagall setzte hektisch ihre Brille wieder auf und lief dem Besucher eilig entgegen. „Arthur, mein Lieber." Sagte sie und schüttelte Ambers Onkel die Hand, der ihre Hand wiederum mit seiner anderen herzlich umschloss und den Mund zu einem Lächeln verzog, was sein Gesicht jedoch nur noch müder und abgekämpfter aussehen ließ. „Professor McGonagall." Sagte er und McGonagall legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Wie geht es Stella und Molly?" Fragte sie leise und Arthur fuhr sich mit einer fahrigen Geste durch sein Haar. „Stella ist völlig aufgelöst." Flüsterte er. „Molly ist bei ihr und sie schenken sich gegenseitig Trost. Zwei enge Familienmitglieder in einer Nacht zu verlieren, ein Alptraum, Professor." Sagte er traurig und sah mit betretener Miene zu der zusammengekauerten Amber in Lilys Armen. „Hallo." Sagte Lily mit brüchiger Stimme, als er sie ansah und er schenkte auch ihr ein kurzes Lächeln. Seine Augen blickten sie mit einer ehrlichen Freundlichkeit an und er strahlte trotz der Umstände eine gewisse Ruhe aus. „Sie müssen Lily sein." Sagte er leise und Lily nickte stumm. Er kam auf sie zu, tätschelte kurz ihren Rücken und kniete sich dann zu Amber hinunter. Lily mochte ihn auf Anhieb und war erleichtert, dass Amber auf seine Anwesenheit reagierte. Sie hob den Kopf und sah ihn an, als er mit ruhiger, verständnisvoller Stimme zu ihr sprach. „Amber, ist schon gut. Lass es raus." Sagte er leise, während er ihre Hand ergrifft. „Ich bringe dich zu deiner Mum. Einverstanden?" Fragte er sanft und Amber nickte leise schluchzend. Lily ließ sie los, damit sie mit der Hilfe ihres Onkels aufstehen konnte. „Deine Mum und Tante Molly erwarten uns sicher schon." Wieder nickte Amber ohne etwas zu antworten. Stumm ging sie einen Schritt auf Lily zu und sie schlossen sich fest in die Arme, bevor Amber zu dem Kamin hinüber ging, an dem Arthur bereits stand und McGonagall und Lily kurz zum Abschied zunickte, um im nächsten Moment im grünen Feuer zu verschwinden. Mechanisch griff Amber zum Flohpulver, warf es in die Flamme und stieg hinein, machte einen tiefen Atemzug, genau wie vorhin vor der Bürotür, murmelte ihre Adresse und verschwand ebenfalls im Feuer. Lily und Professor McGonagall sahen noch einige Sekunden regungslos in die Flammen, bevor sie sich schließlich abwandten. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Miss Evans?" Fragte sie McGonagall besorgt und Lily winkte ab. „Ja." Sagte sie. „Ja. Also nein, natürlich nicht. Aber ja. Im Moment ja." Sagte sie verwirrt und ging auf die Tür zu. „Wenn Sie etwas brauchen, Miss Evans, dann melden sie sich bitte." Lily nickte, öffnete die Tür und trat in den leeren Gang. Sie schloss die Augen, versuchte die Tränen zu unterdrücken die in ihnen brannten, und ohne weiter nachzudenken, rannte sie los. 


**** N A C H W O R T ****

Die Gebrüder Prewett sind die beiden großen Brüder der uns bekannten Molly Weasly (geb. Prewett) Weder Gideon noch Fabian hatten Kinder, das ist die kleine Änderung, die ich für meine Geschichte vorgenommen habe. Jedoch sind beide tatsächlich im ersten Zaubererkrieg gegen Voldemort ums Leben gekommen, die genauen Umstände sind jedoch nicht bekannt.

Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt