Lily saß an diesem Sonntagmorgen besonders früh in der großen Halle beim Frühstück, weil sie direkt im Anschluss zu Professor Slughorn gehen wollte, damit Remus und sie so schnell wie möglich ihren Aufsatz über den Euphorie-Trank zu Ende schreiben konnten. Nachdem sie schnell den letzten Schluck Kürbissaft getrunken hatte verabschiedete sie sich von Remus und machte sich auf den Weg zu den Kerkern, in dem sich auch Slughorns Büro befand. Als sie die Steinstufen hinabstieg hoffte sie, dass er überhaupt dort sein würde und überlegte, wo sie ihn ansonsten finden könnte, oder ob sie dann doch lieber Severus nach seinem Aufsatz fragen sollte. Aber ihre Sorge war unbegründet. Die Tür zu Slughorns Büro stand einen Spalt breit auf und Licht drang aus dem Inneren des Raumes in den halbdunklen Flur, was sie vermuten ließ, dass der Professor dort war. Zügig ging sie an die Tür heran und klopfte beherzt an ihr. Der Hall schallte laut durch den stillen Gang und noch bevor sie die Hand an die Türklinke legen konnte, steckte Professor Slughorn den Kopf heraus und atmete erleichtert aus, sobald er Lily erblickte. „Miss Evans, Sie sind es. Bitte kommen Sie doch rein." Lily lächelte. „Guten Morgen, Professor." Sagte sie und Slughorn schloss die Tür hinter ihr, nachdem sie eingetreten war und eilte danach um den Schreibtisch herum, wo er auf seinem klobigen Lederstuhl Platz nahm. „Bitte setzen sie sich meine Liebe." Sagte er mit einer ausladenden Handbewegung und Lily folgte auch dieser Einladung. Sie musterte Slughorn, der wie seit Monaten abgehetzt und müde aussah. „Was kann ich für sie tun?" Fragte er mit einem herzlichen Lächeln, das Lily ebenso herzlich erwiderte. „Professor, entschuldigen Sie bitte die Störung an einem Sonntagmorgen." Begann sie, aber Slughorn winkte ab. „Schon gut meine Liebe, für so talentierte und fleißige Schüler wie Sie steht meine Tür immer offen. Also, was kann ich für Sie tun?" Fragte er und Lily spürte Erleichterung darüber, dass er ihr diese Störung offenbar nicht übel nahm. „Remus Lupin und ich arbeiten seit einigen Tagen an unserer Hausarbeit." Erklärte sie schnell. „Der Aufsatz über die Beschaffung der Zutaten für den Euphorie-Trank." Unterbrach Slughorn sie und Lily nickte. „Ja. Bei einigen Zutaten haben wir Schwierigkeiten. Wir haben bereits sämtliche Bücher über Kräuterkunde gewälzt und konnten noch immer nicht alles über die benötigten Zutaten herausfinden. Die entsprechenden Bücher scheinen alle verliehen oder nicht da zu sein." Erklärte sie frustriert und Slughorn lächelte verständnisvoll. „Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, Miss Evans." Sagte er und Lily hörte aufmerksam zu. „Nicht alle Zutaten haben unbedingt nur etwas mit der Zaubertrankkunst zu tun." Erklärte er und Lily runzelte nachdenklich die Stirn. „Nun, manche Zutaten werden auch in einer anderen Art von Büchern sehr detailliert erklärt. Ich bin mir sicher, dass sie darauf kommen werden." Sagte er zwinkernd und Lily lächelte dankbar. Das war doch schon mal besser als nichts, und tatsächlich fielen ihr jetzt ein paar Bücher ein, in denen sie fündig werden könnte. Sie bedankte sich und stand auf, wobei sie zufällig bemerkte, wie Slughorn einen nervösen Blick zur Tür warf. „Alles in Ordnung, Professor?" Fragte sie besorgt und Slughorn blickte sie an, als hätte er sie vollkommen vergessen. „Bitte?" Sagte er zerstreut und Lily wiederholte ihre Frage. „Ich wollte wissen, ob alles in Ordnung bei Ihnen ist." Sagte sie zögerlich. „Ich möchte keinesfalls aufdringlich wirken, aber ich habe das Gefühl, dass sie die letzten Monate etwas beschäftigt." Erklärte sie und Slughorn bedachte sie mit einem väterlichen Lächeln. „Wie nett von Ihnen, dass sie sich um einen alten Mann wie mich sorgen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass es mir gut geht." Sagte er in bemüht fröhlichem Tonfall, seufzte jedoch, bevor seine Miene sich verdüsterte. „Wir leben einfach in schwierigen Zeiten." Fügte er gedankenverloren hinzu und Lily nickte stumm. Sie wusste was er meinte. Der Krieg in ihrer Welt beschäftigte sie alle auf die ein oder andere Weise, und wer weiß inwieweit Slughorn persönlich davon betroffen war. Aber diese Frage stand ihr definitiv nicht zu, weshalb sie geduldig wartete, bis Slughorn nach einer kurzen Pause wieder das Wort ergriff. „Ach Miss, Evans. Wo Sie schon einmal hier sind." Rief er aus und griff zu einem Stapel Pergamentrollen auf seinem Schreibtisch, aus dem er eine einzelne heraus zog und ihr reichte. „Die Einladung zu meiner jährlichen Weihnachtsfeier." Erklärte er und Lily nahm die Rolle Pergament entgegen. „Sie sind die erste die eine bekommt." Verriet er ihr. „Und ich kann Ihnen versprechen, dass an diesem Abend viele wichtige Leute kommen werden. Wie mir ein Vögelchen gezwitschert hat, sucht das St. Mungos in diesem Jahr einen Lehrling zum Zaubertrankmeister. Ich könnte Sie mit dem Leiter des St. Mungos, Professor Doktor Chamberlain bekannt machen." Sagte er mit verschwörerischer Stimme, als er Lily zur Tür begleitete. „Danke für dieses durchaus attraktive Angebot." Sagte sie lächelnd. „Aber ich sehe meine Bestimmung eher in dem Einsatz für den Erhalt unserer Zaubererwelt." Erklärte sie ernst und Slughorn musterte sie nickend. Sie hatte sich lange Gedanken über ihre berufliche Zukunft gemacht und sie wusste mittlerweile, dass sie in jedem Fall etwas machen wollte, bei dem sie etwas verändern konnte. „Ich verstehe." Antwortete er, wobei Lily nicht der gekränkte Unterton in seiner Stimme entging, der bei seinen nächsten Worten schon wieder wie weggeblasen war. „Ich habe eine noch viel bessere Idee wen ich Ihnen vorstellen könnte. Warten sie nur ab, Miss Evans." Erklärte er mit strahlendem Gesicht und Lily lachte fröhlich. „Danke. Ich bin gespannt." Sagte sie und sie verabschiedeten sich voneinander.
Auf dem Weg zurück nach oben fragte sie sich nicht zum ersten mal, ob Slughorn wohl eine Familie hatte. Er hatte noch nie etwas in diese Richtung erzählt und sie dachte daran, dass er unheimlich einsam zu sein schien. Nicht ohne Grund scharrte er ständig irgendwelche Schüler um sich herum und umgarnte diese, wie ein Bär einen vollen Honigtopf. Natürlich war Lily bewusst, dass diese Beziehungen vorrangig dazu dienten, sein Leben durch Annehmlichkeiten zu bereichern und seine Vorteile daraus zu ziehen. Allerdings hatte sie schon immer hinter der Umtriebigkeit des Professors eine einsame Seele vermutet, die auf ihre eigene Art auf der Suche nach Anerkennung und wahrer Zuneigung war, und nicht bloß nach irgendwelchen nützlichen Beziehungen. Lily dachte noch einmal über Slughorns sonderliches Verhalten in den letzten Monaten nach, während sie direkt den Weg zur Bibliothek einschlug, wo Remus schon auf sie warten würde. Irgendetwas stimmte mit Slughorn nicht, das sagte ihr ihr Bauchgefühl, aber was? Das einzige was sie wusste war, dass Slughorn eine kleine Aufmunterung gebrauchen könnte, und sie beschloss noch heute nach einem bestimmten Buch zu suchen, in dem sie vor einigen Monaten einen interessanten Zauber entdeckt hatte, den sie seitdem schon immer einmal ausprobieren wollte.
In der Bücherei angekommen fand sie Remus, der bereits über einer Rolle Pergament saß und erwartungsvoll aufsah, als sie durch die Tür geeilt kam. „Und?" Fragte er, aber Lily grinste bloß und ging geradewegs auf eines der Regale auf der linken Seite der Bibliothek zu. Sie stellte sich davor, fuhr mit den Fingern an den Buchrücken entlang, zog hier und da eines der Bücher heraus, schlug es auf und überflog kurz die Inhaltsangaben, bevor sie es wieder zurück stellte und unbeirrt weiter suchte. Remus war mittlerweile zu ihr getreten und beobachtete sie neugierig. „Kochbücher?" Fragte er zweifelnd, aber in diesem Moment jubelte Lily bereits leise auf und streckte ihm triumphierend ein Buch entgegen. Freudestrahlend tippte sie auf eine Stelle im Inhaltsverzeichnis und schlagartig erhellte sich auch Remus Miene. „Magische Kräuter zum Verfeinern von Speisen – alles was Sie darüber wissen müssen" las Remus leise und lachte vergnügt auf. „Lily Evans, du bist ein Genie." Lily lachte ebenfalls. „Naja nicht ganz. Professor Slughorn hat mir den Tipp gegeben." Flüsterte sie und sie gingen zurück zu dem Tisch, an dem Remus schon seine Sachen verteilt hatte. „In einem Zauber Kochbuch zu suchen?" Fragte er neugierig. „Nein. Aber er meinte, dass manche Zutaten auch in einer anderen Art von Büchern zu finden sind. Und ich habe einfach darüber nachgedacht, wofür man die Zutaten, die uns fehlen, noch so verwendet, und da fielen mir nur Kochbücher ein." Erklärte sie während sie bereits eilig in dem Buch blätterte, um die passenden Seiten zu finden. „Stimmt, das hat mit Genialität ja überhaupt nichts zu tun. Vor allem wenn man unter Muggeln aufgewachsen ist und gar keine Zauber-Zutaten für Kochrezepte kennen kann." Erwiderte Remus ironisch, jedoch mit einer unüberhörbaren Bewunderung in der Stimme. „Ich habe irgendwo mal davon gelesen." Erklärte sie schulterzuckend, ohne dabei aufzusehen. „Lass uns lieber anfangen, damit wir schnell fertig werden." Fügte sie abwesend hinzu, weil sie sich bereits in den Text vor ihr vertieft hatte. Remus setzte sich auf den Stuhl neben sie und sie begannen die passenden Informationen in ihre Aufsätze einzuarbeiten.
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Lily und Severus - Der Kampf zwischen Schatten und Licht
FanfictionDie Geschichte einer Liebe, die in einem Kampf zwischen Schatten und Licht ausgetragen wird. In einem stetigen Kampf zwischen den verschiedensten Gefühlen, Ängsten und Sorgen, müssen Lily und Severus Entscheidungen treffen, die ihr Leben für immer v...