392. Kapitel der Prachtkerl

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'Wie jetzt?' denke ich mir, 'bin ich etwa zu spät' und schaue deshalb etwas irritiert auf meine Uhr, was Sanna auflachen lässt "keine Angst, du bist wie immer überpünktlich. Ich, nein wir alle freuen uns nur so, dass du endlich mal wieder da bist und außerdem ist mein großer Bruder ebenfalls da und ihr könnt euch dann heute endlich kennenlernen." sprudelt sie vollkommen euphorisch los. Ich bin gerade dezent überfordert, diese Info hätte ich gerne zur seelisch-moralischen Vorbereitung schon früher gehabt. Da werde ich mich dann halt jetzt wohl in mein Schicksal ergeben müssen und diesen mir schon öfters angepriesenen Prachtkerl mal unter die Lupe nehmen. Hurra, ich kann mich vor erwartungsvoller Vorfreude kaum halten und bin gespannt, was das für ein Vogel ist. Sollte ihn ja schon öfters mal kennenlernen, hat aber nie so wirklich geklappt, da er seine Mama meistens kurz vorher telefonisch von irgendwelchen nicht verschiebbaren und ganz wichtigen Terminänderungen in Kenntnis gesetzt hat und somit dann doch nicht zur Verabredung aufgeschlagen ist. Ich stelle erstmal meine Taschen ab, nehme noch meine Geschenke heraus und trotte dann hinter Sanna in Richtung Wohnzimmer her. Aus diesem höre ich auch ihre beiden Mäuse fröhlich vor sich hin quietschen. Die amüsieren sie anscheinend prächig und anhand der Geräusche schließ ich einfach mal, dass sie mit diesem ominösen Prachtkerl am toben sind. Dann entkomme ich dieser Begegnung wohl anscheinend tatsächlich nicht. Yeah wie freue ich mich, stelle ich so im Stillen für mich fest. Normalerweise hab ich auch kein Problem damit irgendwelche neuen Leute oder Familienmitglieder von meiner Herzensfamilie kennenzulernen, aber bei diesem Herrn ist das irgendwie anders. Allein diese Unzuverlässigkeit und ständig die eigene Mama mit offensichtlich fadenscheinigen Entschuldigungen zu vertrösten und abzuspeisen, macht ihn mir nicht wirklich sympathisch und steigert auch nicht unbedingt meine Neugier und Verlangen nach einem Kennenlernen mit ihm. Eigentlich steht mir da kein Recht zu, irgendeine Wertung darüber vorzunehmen und Eve beteuert auch immer, dass er nunmal berufsbedingt ziemlich eingespannt ist und sehr flexibel sein muss. Er halt hart und viel arbeitet für seinen Erfolg, sie das aber versteht, weil sonst hätte er seine Ziele so nie erreicht, wie er das wohl getan hat. Sie wird auch nicht müde immer wieder gebetsmühlenartig zu äußern, dass er da ihr vollstes Verständnis und vor allem Rückhalt bekommt und es ihr nix ausmacht, ganz die stolze Mama halt. Sie sich dafür umso mehr freue, wenn er sich dann mal Zeit freischaufeln kann, diese dann sogar mit seiner alten Mutter verbringt, anstatt sich mal Zeit für sich oder seine Partnerin zu nehmen. 'Wers glaubt, wird selig' ist mein gedanklicher Kommentar dazu, sehe ja schließlich ihre Enttäuschung und die Wehmut in ihr, sage aber mal lieber nix. Weiß ja schließlich nicht, ob es tatsächlich so ist oder ob er seine Zeit lieber wo und mit wem anders verbringt und nur nicht ehrlich zu ihr sein will oder kann. Sanna quasselt in einer Tour vor sich hin und ich glaube, dass ich bereits alles wichtige der letzten Zeit erfahren habe. "Fein, dann können wir ja wieder gehen" befindet das Teufelchen auch daraufhin und das Engelchen zeigt ihm nen Vogel "ja nee, is klar du Knaller. Ohne Mama Eve gesehen und Hallo gesagt zu haben, ganz bestimmt nicht." Für mich selbst steht das auch gar nicht zur Diskussion, habe aber je näher ich dem Wohnzimmer komme, ein komisches Kribbeln auf der Haut und auch mein Herz meint, einem galoppierendem Fury Konkurrenz machen zu müssen. 

Wieso immer ich? Zweiter TeilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt