Folge 1 - Teil 2: "Ich bin schwanger!"

228 3 0
                                    

Mehrere Minuten schon saß Philipp am Bett von Lea und machte sich sichtlich große Sorgen um seine Kollegin, die er schon seit dem Studium kannte. So lange waren die beiden damals gute Freunde gewesen, doch nie hatte der Arzt Lea so erlebt.
Bewusstlos lag sie vor dem Oberarzt und Philipp griff der Ärztin an die Stirn.

„Wie geht es ihr?", wollte die stellvertretende Oberschwester Ulrike Stolze wissen, als sie noch einmal nach der Ärztin sah. „Hat sich ihr Zustand wenigstens ein bisschen gebessert?" „Nein... Ich habe eher das Gefühl, ihr Zustand hätte sich noch verschlechtert. Die Kollegin macht mir momentan ziemlich große Sorgen... Ich wünschte, wir wüssten, was mit ihr los ist...", seufzte Philipp, als Ulrikes Blick auf seine Hand, die Leas Hand fest umschloss, fiel.

„Herr Dr. Brentano. Dr. Heilmann wird bestimmt alles unternehmen, um eine Diagnose bei der Kollegin zu stellen. Machen sie sich bitte keine Gedanken..."
„Ich mache mir ja auch keine Gedanken, dass wir nicht heraus bekommen, was mit Lea... mit Dr. Peters los ist. Ich mache mir nur Gedanken, dass wir es zu spät herausfinden und ihr dann nicht mehr helfen können. Was ist, wenn sich der Verdacht von Dr. Heilmann nicht bewahrheitet und... Und sie stirbt..."

Schwester Ulrike nahm sich das Thermometer von Leas Nachttisch und maß im Ohr der Neurochirurgin noch einmal kontrollierend die Temperatur, während sie Philipp beruhigend versprach, man würde alles für die Ärztin tun.

„Dr. Brentano, Dr. Heilmann und Dr. Globisch haben die Patientin gründlich untersucht. Frau Dr. Peters zeigt alle typischen Symptome für eine akute Appendizitis... Auch in der Sonografie. Ich war doch dabei, als Dr. Heilmann die Patientin untersucht hat. ... Wir kontrollieren regelmäßig ihre Temperatur... 37,9 Grad... noch ist alles im grünen Bereich, Dr. Brentano. Sie brauchen sich keine Sorgen um die Kollegin zu machen."
„Ich mache mir aber Sorgen um Dr. Peters. Ich kenne die Kollegin schon eine ganze Weile, wir haben zusammen studiert. Sie jetzt hier so liegen zu sehen... Das geht selbst mir an die Nieren...", erwiderte Philipp und verließ, mit einem kurzen besorgten Blick auf Lea, das Zimmer der Chirurgin.

Auch Schwester Ulrike, die den aktuellen Temperaturwert der Neurochirurgin in die Krankenakte eingetragen hatte und nun die Infusion kontrollierte, sah noch einmal auf die Patientin und verließ dann das Zimmer.



„Ich kann mir immer noch nicht erklären, was mit der Patientin Peters... mit unserer Kollegin los ist. Sie liegt jetzt schon seit gut einer Stunde ohne Bewusstsein auf der Station. ... Haben sie noch einmal die Temperatur der Kollegin kontrolliert?" „Ja, ich habe vor zehn Minuten gemessen. Da hatte sie 37,9... Die Temperatur steigt zusehends.", erklärte die Vertretungs-Oberschwester und zeigte Roland die Aufzeichnungen über die Temperatur von Lea.
„Innerhalb von einer dreiviertel Stunde? Die Entzündungswerte sind auch gestiegen...", erkannte Roland anhand des aktuellen Labors. „Ich mache mir langsam große Sorgen um unsere Kollegin. Dass sich der Zustand von ihr nicht bessert... Die Temperatur steigt, sie kommt aus ihrer Bewusstlosigkeit einfach nicht wieder. ... Wir werden zur Sicherheit den Neurologen anpiepen.", wies Roland an, als sich die Tür zu seinem Büro öffnete und seine Tochter Lisa ins Zimmer schlich.

Seit Pias Tod war Roland kaum noch zu Hause, er verkroch sich mehr und mehr in der Klinik, sodass seine Tochter und sein Enkel Jonas grundsätzlich den Weg zu ihm in die Klinik suchen mussten.

„Papa... Ich brauche mal deinen Rat...", erklärte Lisa ihren Besuch und nachdem Schwester Ulrike das Zimmer von Roland verlassen hatte, bat der Chefarzt seine Tochter, sich zu setzen.
„Was gibt es denn für Probleme, Lisa?" „Ich habe eine Freundin in der Schule, die... Die Paula. Die kennst du doch..." „Ja, sie war ja zu deinem letzten Geburtstag da.", wusste Roland und wieder kamen ihm die Bilder in den Kopf.

Der letzte Geburtstag seiner Tochter, zu dem Pia damals extra ein großes Paket aus Italien geschickt hatte. Es war das letzte Paket gewesen, was die langjährige Chefarztgattin geschickt hatte.

„Und was ist mit dieser Freundin?", wollte Roland die Erinnerungen an Pia sogleich wieder auslöschen. „Hat sie ein medizinisches Problem?"
„Woher weißt du das denn, Papa?" „Sonst würdest du ja nicht zu mir kommen... Was gibt es denn für Probleme?" „Also... Paula hat im letzten und im vorletzten Monat... ihre Regel nicht bekommen."
„Hat sie einen Freund?" „Ja. Sie ist mit Benjamin zusammen, wieso?"

„Haben die beiden schon miteinander...? Du weißt schon", forschte Roland weiter und Lisa nickte.

„Da hast du doch schon den Grund... Deine Freundin sollte mal den Weg zum Gynäkologen antreten. Gibt es sonst noch etwas?" „Ja... Warum bist du in den letzten Tagen nicht mehr zu Hause gewesen?", fragte Lisa nun ihre eigentliche Frage. „Ich... Ich war doch zu Hause...", redete sich Roland heraus, doch Lisa schüttelte den Kopf. „Das kann gar nicht sein. Charlotte meinte, dass du nicht zu Hause gewesen bist. Und sie wird es ja wohl wissen, Papa..."

„Ich war zu Hause, OK?!", fuhr Roland seine Tochter an, bevor Lisa die Hutschnur platzte. „Papa, wir haben alle Verständnis für deine Situation. Auch für uns ist es nicht einfach, dass Pia nicht mehr da ist. Wie du vielleicht noch weißt, war sie nicht nur deine Frau, sondern auch meine Stiefmutter und Jonas' Großmutter. Wir vermissen Pia alle... Aber... Wenn du dich jetzt hier wieder einigelst und keinen an dich heran lässt... Ich mache mir Sorgen um dich, Papa. Du kannst nicht einfach so aus unserem Leben verschwinden wollen. Komm bitte heute Abend wieder nach Hause. Wir warten auf dich..."
„Das geht leider nicht. Wir haben Probleme mit unserer Dr. Peters. Sie liegt unten auf der Station und kommt einfach nicht wieder zu sich. Ich möchte ungern..."

„Schieb' doch ruhig wieder deine Patienten vor, damit du ja nicht mehr zu uns nach Hause kommen musst... Wir sind ja nur deine Familie...", beschwerte sich Lisa bei ihrem Vater und sah ihn böse an.
„Ich schiebe gar keine Patienten vor, Lisa. Ich muss mich um meine Patienten kümmern. Und dann habe ich auch noch Verwaltungskram zu erledigen. So eine Klinik managt sich nicht von alleine...", redete sich Roland heraus und seiner Tochter reichte es nun endgültig.

„Papa, wir vermissen dich seit Pias Tod genauso sehr, wie wir Pia vermissen. Jonas und ich brauchen dich genauso sehr, wie die Klinik oder deine Patienten. Aber das ist dir ja egal... Ich bin diejenige, die schwanger ist...", brüllte Lisa ihrem Vater entgegen und der Chef der Sachsenklinik sah seine Tochter erschrocken an.
„Du? Schwanger? Lisa. Du bist wirst erst in ein paar Wochen 16 Jahre alt... Bist du denn verrückt? Du kannst doch... Lisa. Wir reden heute Abend miteinander... Ich komme heute Abend nach Hause...", erklärte Roland, als sich wieder die Tür öffnete und Schwester Ulrike mit einem Indiz für Leas Zustand, das sie im Papierkorb in der Frauentoilette gefunden hatte

„Dr. Heilmann... Ich habe einen Verdacht, was mit Dr. Peters los ist..." Schwester Ulrike betrat mit dem Schwangerschaftstest in der Hand das Büro des Chefarztes und legte die Packung auf den Tisch.
Roland nickte kurz und fragte, wo Ulrike den Test gefunden habe und woher sie wüsste, dass er von Lea war. „Dr. Peters war vorhin, kurz, bevor sie zusammen gebrochen ist, auf Toilette und kam dann völlig kreidebleich wieder heraus. Und das habe ich im Papierkorb in der Frauentoilette gefunden..."

„Ein Schwangerschaftstest? Sind sie sicher, dass der von unserer Kollegin ist? Gerade von ihr? Ich meine, vielleicht ist er auch von einer Patientin. Oder... von einer Krankenschwester..."

„Sie ist komplett neben sich. Und Dr. Kaminski meinte, sie hätte sich bei seinen Nordseekrabben fast übergeben... Und der Zusammenbruch... Dr. Heilmann. Ich habe diese Packung... nicht nur in der Frauentoilette gefunden, sondern habe sie heute Morgen auch in der Handtasche von Frau Doktor Peters gesehen. ... Sehen sie sich doch mal unter dem Verdacht das aktuelle Labor von Frau Dr. Peters an... Ich bin mir zwar nicht hundertprozentig sicher, aber... Ich war selbst, als ich mein erstes Kind bekommen hatte, ein wenig schachmatt gesetzt. Warum sollte das bei Frau Dr. Peters anders sein?"
„Eine Schwangerschaft kann aber in dem Fall nicht vorliegen... im Ultraschall haben wir keinen Anhaltspunkt für eine bestehende Schwangerschaft gefunden... Natürlich sieht man in den ersten Wochen der Schwangerschaft auch durch die Bauchdecke der Patientin keinen Anhaltspunkt dafür... Aber eine Sono durch unsere Gynäkologin können wir auch momentan nicht anweisen. Dafür muss entweder ein Notfall vorliegen oder wir haben die Einwilligung der Patientin..."

„Dann sehen sie sich doch bitte die Laborwerte an. Wenn da keine Anhaltspunkte..."
„In Ordnung, ich sehe mir... Frau Stolze... Sie haben Recht. Sehen sie hier... Das ich das nicht vorher... gesehen habe..."
Roland fiel nach kurzer Zeit ein Blutwert ins Auge, der sofort aussagte, dass die Patientin schwanger zu sein schien. „Das ist also ihr großes Geheimnis...", lächelte Roland. „Unsere Frau Dr. Peters. Schwanger... Dass ich das nicht schon vorher gesehen habe..."

Der Chef der Sachsenklinik stand von seinem Schreibtisch auf und wollte gerade sein Zimmer verlassen, als das Telefon klingelte.

„Heilmann... Ja? ... Ich komme sofort...", erklärte Roland und lief, ohne ein Wort zu sagen, aus dem Zimmer.



„Frau Dr. Peters ist endlich aus ihrer Bewusstlosigkeit zu sich gekommen und klagt seitdem über starke Schmerzen im Bauchbereich. Es ist vermutlich bereits ein rasches Fortschreiten der Appendizitis in den letzten Minuten und Stunden passiert... Wir müssen zur Sicherheit bei Frau Dr. Peters noch einmal eine Sonographie machen..."

Roland stürmte, um seine langjährige Kollegin Dr. Peters besorgt, aus seinem geräumigen Büro, hinter ihm hechtete Ulrike ebenfalls heraus.

„Herr Haas. Bringen sie bitte sofort das mobile Sonogerät in Dr. Peters Zimmer... Wir müssen eine Sonographie bei ihr machen. Vermutlich hat sich die Appendizitis verschlimmert; Verdacht auf Blinddarmdurchbruch...", wies Roland den Pfleger an und verschwand dann sogleich in Leas Zimmer.

Die Ärztin war in der Zwischenzeit aus ihrer tiefen Bewusstlosigkeit, die schon einem Koma geglichen hatte, wieder zu sich gekommen und sah sich verwirrt im Zimmer um, bis Roland und Schwester Ulrike gemeinsam hereintraten.

„Dr. Peters. Wie fühlen sie sich?" Prüfend legte Roland eine Hand auf Leas Stirn und nickte. „Sie sind in der Sachsenklinik... Können sie sich erinnern, was passiert ist?"
Lea sah ihren Chef verwirrt an. „Was... Was ist denn passiert? Was ist mit mir? Dr. Heilmann... Was habe ich denn?", fragte die Ärztin neben sich stehend und sah Roland an, der vorsichtig den Bauch seiner Kollegin abtastete.

„Haben sie Schmerzen?" „Nein... Aaaa...", brüllte Lea und Roland legte seine Hand auf die Stelle, die Lea zuvor krampfend festhielt.

„Tut es ihnen hier weh?" „Ein wenig... Aber was ist denn los? Was habe ich denn? Was ist denn passiert?", wollte Lea geschockt und erschöpft wissen. „Was mache ich denn hier im Krankenhausbett?"
„Sie sind unten im Flur der Notaufnahme plötzlich vor meinen Augen zusammen gebrochen. Ich habe sie vorhin untersucht. Sie waren bis eben gerade bewusstlos. Können sie sich denn an irgendetwas erinnern?", fragte Roland, als Pflegeschüler Kris Haas das mobile Ultraschallgerät ins Zimmer brachte.

„Ich... Mir war so schlecht und... Ich war vorher auf der Toilette... Das weiß ich noch. Aber dann bin ich wohl zusammen gebrochen. Ich weiß es doch nicht. Was ist denn nur mit mir los?"
„Sie haben eine beginnende Appendizitis. Wir werden sie wohl in den nächsten Minuten in den OP bringen müssen. Aber jetzt machen wir erst mal... Danke, Herr Haas. ... Jetzt machen wir erst einmal eine Sonographie. Ziehen sie bitte ihr Hemd ein wenig nach oben. ... Machen sie sich jetzt im Moment keine Sorgen, wir kümmern uns um sie. Es wird alles wieder gut. ... Jetzt wird es gleich ein wenig kühl am Bauch. Sie müssen nur ganz ruhig weiteratmen. Ich bin bei ihnen und passe gut auf sie auf. Machen sie sich bitte keine Sorgen."
Roland verteilte etwas Gel auf Leas Bauch, die Ärztin zuckte erschrocken zurück und Roland fuhr anschließend mit dem Ultraschallkopf über den Bauch seiner Kollegin.

Auf dem Monitor zeigte sich ein Schwarz-Weiß-Bild, das Roland besorgt musterte. Ab und an beruhigte er seine Kollegin mit einem leichten Flüstern, während Schwester Ulrike mit der einen Hand in Leas Ohr die Temperatur kontrollierte und mit der anderen die Hand der Ärztin hielt.

„Der Verdacht hat sich bestätigt... Fortschreitende Appendizitis... Sagen sie im OP Bescheid, wir müssen den Appendix sofort entfernen. Die Gefahr eines Durchbruchs ist viel zu groß; wir dürfen kein Risiko eingehen, wenn wir hier noch länger warten... Keine Angst, Frau Kollegin. Das ist ein ganz minimaler Eingriff, das wissen sie ja. Ich gebe Frau Dr. Globisch Bescheid... Der Eingriff ist in einer halben Stunde wieder vorbei. Dann liegen sie wieder hier."

„38,3...", berichtete Ulrike und legte das Thermometer wieder weg. „Soll ich Dr. Brentano anpiepen? Wegen der OP?"
„Ich operiere... Brentano assistiert. Und geben sie um Gottes Willen auch Brenner Bescheid... Er kann dabei sein... Sonst ist er wieder enttäuscht, wenn er nicht dabei sein kann..."
„Gut... Frau Dr. Peters. Wir kriegen sie ganz sicher wieder auf die Beine. Machen sie sich keine Sorgen... Ich bleibe bei ihnen...", beruhigte die Krankenschwester die werdende Mutter.

Lea griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an ihren Bauch und zog mit lauten Schmerzensschreien ihre Beine an den Körper.
„Aaaua... Auuu...", wimmerte sie über ihre schrecklich starken Bauchschmerzen und hoffte, dass ihr dabei nicht anzumerken war, dass nicht nur ihr Blinddarm die Ursache für ihren Zusammenbruch im Flur war.

Wusste Dr. Heilmann vielleicht schon Bescheid? War er deswegen so lange mit dem Ultraschall beschäftigt? Wusste er jetzt etwa auch über die Schwangerschaft Bescheid?

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt