Folge 7 - Teil 5: Kämpfe und deren Ausfechtung

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Inzwischen hatte Markus seine knapp sechzehnjährige Tochter Laura Estelle wieder auf die Intensivstation gebracht und saß noch am Bett des Teenagers, als Dr. Brentano ins Zimmer von Laura kam und seinem Kollegen erklärte, sein Bruder habe noch einmal angerufen. „Markus... Dein Bruder hat vorhin noch einmal angerufen. Irgendwas wäre wohl mit Lilly nicht OK; er sagt, es wäre dringend.", erklärte Philipp, während Markus sogleich aufsprang und seinen ehemaligen Kommilitonen fragte: „Kannst du dich noch ein paar Minuten an Lauras Bett setzen? Sie sollte jetzt nicht alleine sein. Es ging ihr gerade gar nicht gut. Sie braucht jetzt ein bisschen Schutz...", erklärte der Arzt und Philipp nickte sogleich.
„Natürlich, kann ich machen. Ich hab im Moment sowieso Leerlauf.", meinte der Chirurg und nahm anstelle von Markus am Bett der Fünfzehnjährigen, die noch ein bisschen durcheinander zu sein schien, Platz, um auf die Schülerin Acht zu geben.

„Na, Laura... Wie geht es dir denn? ... Kennst du mich eigentlich? Ich bin Dr. Brentano, ein ehemaliger Kommilitone von deinen Eltern..." „Ich... Ich will zu Mama... Sie braucht mich doch jetzt. Ich... Sie braucht meine Nähe; ich muss ihr doch zeigen, dass es mir wieder besser geht und ich auch wieder wach bin."
„Du solltest jetzt lieber noch in deinem Bett liegen bleiben; noch ist dein Zustand ein wenig problematisch... Bleib bitte jetzt noch ganz ruhig liegen.", bat Philipp die Schülerin und Laura nickte, da sie einsah, dass die Ärzte wohl vielleicht doch Recht hatten. Sie fühlte sich einfach noch viel zu schwach und merkte, dass sie sich wohl nicht auf den Beinen hätte halten können...
„Aber kann ich denn nicht... Sie könnten mich doch eigentlich in den Rollstuhl da vorne setzen und mich zu Mama bringen. Sie... Sie würde sich freuen, wenn ich sie besuche und mit ihr reden kann. Ich... Ich habe doch auch Verantwortung für meine Mutter.", erklärte die Schülerin und deutete auf den Rollstuhl an der Seite.

Philipp allerdings sah das etwas anders und erklärte: „Ich möchte im Moment nicht, dass du aufstehst und... zu deiner Mutter gehst..."
„Aber ich würde doch nicht zu meiner Mutter gehen, ich würde mich doch von ihnen fahren lassen, Dr. Brentano. Ich bleibe ganz artig im Rollstuhl sitzen und sie fahren mich zu Mama auf die Station...", erklärte Laura, als sich Markus seinem Kollegen zuraunte: „Lea wurde vorhin mit dem RTW eingeliefert; sie ist wohl bei sich Zuhause ganz plötzlich ohnmächtig geworden und zusammengebrochen. Jenne, ihr neuer Freund, hat mich angerufen und erklärt, dass es Lea schlechter ginge..."

„Dann kann Laura auf keinen Fall zu ihrer Mutter; sofern es Lea schlecht geht. Das sollte Laura nicht mitansehen müssen.", erklärte Philipp, bevor er sich wieder Laura Estelle zuwandte und ihr sagte: „Laura, ich kann nicht verantworten, dich zu deiner Mutter zu bringen. Du bist doch immer noch viel zu schwach."

„Ich will aber zu meiner Mutter; ich fühle mich wohl. Und Mama freut sich, wenn ich bei ihr bin. Sie ist doch... Sie liebt mich. Und sie macht sich ganz sicher große Sorgen um mich, weil sie bestimmt immer noch nicht weiß, dass ich wieder bei Bewusstsein bin und es mir wieder viel besser geht..."

„Mach dir keine Sorgen; ich sage deiner Mutter Bescheid, wenn ich zu ihr gehe. Aber jetzt bleibe ich erst mal ein paar Minuten bei dir am Bett sitzen, bis dein Vater wieder da ist. Dann kann er übernehmen.", meinte Philipp und strich Laura eine widerspenstige Strähne hinter die Ohren, was die Schülerin allerdings gar nicht zu mögen schien.
„Ich will zu meiner Mutter, Dr. Brentano. Und wenn ich von hier abhauen muss; aber ich will jetzt endlich wieder zu Mama. Sie braucht mich doch.", meinte Laura und ihr Vater, der eben das Zimmer seiner Tochter verlassen wollte, drehte sich noch einmal zu ihr um und erwiderte: „Du bleibst jetzt in deinem Bett liegen, Laura. ... Man, wo hast du nur diesen Sturkopf her? Von mir hast du den ganz bestimmt nicht."

„Ich will zu Mama! Egal, ob ihr beide mir das OK gebt oder nicht. Aber ich will jetzt auf der Stelle wieder zu Mama. Sie braucht mich doch. Besonders jetzt, wenn es ihr schlecht geht.", meinte Laura und versuchte, aus ihrem Bett aufzustehen.
Dies schien wohl auch zu funktionieren, denn, noch etwas wacklig auf den Beinen, saß die Schülerin nun zumindest auf der Bettkante und atmete schon nach den ersten Bewegungen sehr hektisch.
„Ich... Papa, ich gehe... jetzt zu Mama... Egal, ob ich... darf oder... nicht...", sagte Laura, als ihr Vater wieder mit dem Kopf schüttelte und seiner Tochter den Weg zu ihrer Mutter zum gefühlt hundertsten oder tausendsten Mal verbot.

„Ich will nicht mit dir diskutieren, Laura. Du bleibst jetzt in deinem Bett liegen. Und wenn du dich immer noch gegen unsere Entscheidung wehrst, dann legen wir dich einfach wieder für den Rest der Tage, die du noch im Krankenhaus bleiben musst, in Narkose. Dann stellst du dich wenigstens etwas ruhiger an."

„Ich will... zu Mama!", brüllte Laura ihren Vater entschieden an und rutschte auf der Bettkante ihres Krankenhausbettes noch ein Stück nach vorn, um sich in den Rollstuhl, der an der Wand neben der Tür stand, zu quälen.
Markus allerdings hielt seine Tochter mit einem ermahnenden Blick an den Armen fest und erklärte: „Du kannst jetzt nicht zu deiner Mutter, Laura. Du bist noch viel zu schwach und könntest dich auch bestimmt nicht aufrecht sitzend im Rollstuhl halten. ... Wir machen einen Deal, okay?" „Was für einen Deal, Papa?" „Wenn es dir morgen wieder viel besser, als heute geht, dann darfst du zu deiner Mutter. Dann bringen Dr. Heilmann und ich dich sogar höchstpersönlich zu ihr auf die Station. Aber heute braucht ihr beide noch viel Ruhe und Erholung... Also, bleib jetzt bitte noch liegen, Laura. Wir können es nicht verantworten, dass du durch die halbe Klinik chauffiert wirst. Auch dein Freund Paul würde dich nicht zu deiner Mutter bringen; du siehst nämlich nicht gut aus."

Mit vereinten Kräften schafften es Philipp und Markus, die Schülerin wieder in ihr Bett zu drängen und während Dr. Brentano Laura ein wenig festhielt, verpasste ihr Vater seiner Tochter eine Beruhigungsspritze. „Du hast es nicht anders gewollt, Laura... So, jetzt wirst du gleich ein bisschen müde. Und dann schläfst du dich aus..."

Ein lauter Schrei durchzog das Zimmer von Laura, bis die Schülerin, die während ihr Vater ihr die Spritze gab, endlich ein wenig ruhiger wurde und schon wenige Augenblicke später tief und fest eingeschlafen war.

„So, das dürfte jetzt noch ein paar Stunden anhalten. Dann müsste es ihr schon besser gehen. ... Bleibst du trotzdem noch ein bisschen bei ihr; ich will nicht, dass sie sich vielleicht doch noch aus dem Bett schleicht und Lea auf der Station besuchen geht... Lea geht es momentan gar nicht gut und Laura ist auch nicht besonders gesund..."
„Na klar. Ruf du jetzt erst mal deinen Bruder an. Wer weiß, was mit deiner Kleinen los ist.", erklärte Philipp und Markus machte sich sogleich auf den Weg ins Ärztezimmer.



Lea war inzwischen im Untersuchungsraum und krampfte immer noch vor Schmerzen, als der diensthabende Arzt gerade eine Ultraschalluntersuchung bei der werdenden Mutter durchführte.
„Frau Dr. Peters... Bleiben sie jetzt bitte einmal noch ganz ruhig; ich gebe ihnen gleich ein Medikament zur Krampflösung. ... Hier ist eine minimale Einblutung in ihre Gebärmutter, aber das ist nicht weiter schlimm.", erkannte der Gynäkologe bei der Untersuchung, bevor er sich das Herz des kranken Babys in Leas Bauch ansah.
„Das Herz ihres Babys... scheint nicht in Ordnung zu sein. Wissen sie das schon, Frau Kollegin?", fragte der Gynäkologe und Lea nickte. „Ja, ich weiß das. Aber... ich weiß noch nicht, ob es wirklich... Ob ich dem Kleinen oder der Kleinen... jetzt schon eine Operation zumuten will. Sie oder Er ist noch so klein... Ich will nicht, dass mein Kind leidet...", erklärte die krampfende Mutter, als Jenne, der die ganze Zeit über Leas Kopf streichelte und ihre Hand fest in seiner hielt, auf den Monitor des Ultraschallgerätes blickte.

„Kann... Kann man denn jetzt schon sehen, was das Baby für einen Herzfehler hat? Warum es der Kleinen... oder dem Kleinen..." „Ja, ich kann hier schon erkennen... Das Baby hat einen Herzklappenfehler; die... rechte Herzklappe schließt nicht richtig, weswegen der Blutfluss gestört ist.", erklärte der Arzt und deutete auf die Stelle.
„Und wenn man den Fehler jetzt operieren würde, dann... Dann würde es meinem... ich meine, dann würde es unserem Kind besser gehen?", fragte der werdende Zwillingsvater weiter und der Gynäkologe nickte.
„Bei der Geburt des Babys könnte es zu Komplikationen kommen, wenn... Wenn die Geburt das Kleine zu sehr anstrengt. Dann könnte es möglicherweise, wenn es ganz schlecht läuft... Sogar zu einem Herzstillstand des Babys kommen und... Das kleine Mädchen könnte während der Geburt versterben. Ihre Tochter ist nur durch eine sofortige Herz-Operation; zum Beispiel schon in der Schwangerschaft... zu retten..."

Jenne schaute erschrocken zu Lea und stotterte: „Ich... Und da überlegst du noch? Willst du etwa riskieren... Willst du riskieren, dass das Baby... bei der Geburt stirbt? ... Lea, du kannst es nicht wollen, dass... Dass unser Baby... Ich will doch nicht erleben müssen, dass das Baby... tot zur Welt kommt..."
„Und deswegen soll ich das Leben unseres Kindes in einer Operation aufs Spiel setzen? ... Jenne, so eine Herz-OP in der Schwangerschaft... Du weißt doch nicht, ob unser Kind bei der Operation vielleicht sogar... geschädigt wird. Jeder operative Eingriff birgt Risiken. Und ich habe mit Markus gesprochen... Er würde, wenn bei der Geburt alles gut geht und unsere Kleine bis dahin noch nicht operiert ist, die OP durchführen. Das ist doch viel besser für die Kleine, wenn... Wenn wir bis nach der Geburt warten und wir wissen, dass sie in Narkose liegt. Denkst du, unser Baby hat in meinem Bauch keine Schmerzen, wenn es operiert wird?"
„Ich will aber nicht, dass es dem Baby schlecht geht, Lea. Du riskierst zu viel. Das Baby... Ich will einfach nicht das Leben unseres Kindes aufs Spiel setzen, wenn... Wenn auch nur eine Möglichkeit besteht, dass... Dass das Kleine vielleicht... gesund zur Welt kommen kann. Denkst du, ich hätte keine Angst vor der Operation bei unserem Kind. Aber nur so kann man vielleicht..."
„Jenne, ich habe mich entschieden; ich werde die Operation erst durchführen lassen, wenn unsere Tochter auf der Welt ist. Dann kann Markus die Kleine operieren.", erklärte Lea und legte ihre Hand auf ihren Bauch.

Jenne allerdings war gegen die Entscheidung seiner Lebensgefährtin und er meinte zu dem Gynäkologen: „Können sie denn nicht einfach... Ich meine, es ist auch mein Kind und ich würde ihnen das Einverständnis sofort unterschreiben, dass das Kleine operiert werden darf."
„Auch, wenn sie die Einverständniserklärung hundertmal unterschreiben würde, Herr Peters..." „Derbeck..." „Herr Derbeck... Solange ihre kranke Tochter noch im Bauch ihrer Lebensgefährtin ist, wäre es auch ein Eingriff bei ihrer Lebensgefährtin. Und deswegen darf alleine Frau Dr. Peters die Einverständnis zur Operation erteilen. Rechtlich sind mir da die Hände gebunden. Und auch moralisch fände ich es nicht in Ordnung, wenn ich über den Kopf von Frau Dr. Peters über die Operation ihres ungeborenen Kindes entscheiden würde. Sie hat das Recht dazu, die Operation vor der Geburt abzulehnen."
„Aber... Dann stirbt im äußersten Falle mein Baby. Und das können sie doch auch nicht wollen... Bitte, Herr Dr. Scharmbeck. Ich bitte sie, operieren sie mein Baby. Ich will es nicht verlieren.", bat Jenne noch einmal mit Nachdruck und sah auf Lea, die sich wohl schon gegen die Operation vor der Geburt entschieden hatte und ihre Hand noch immer auf ihrem Bauch liegen hatte.
Dieser hatte schon eine beachtliche Größe angenommen; wenn man nicht wusste, dass Lea mit Zwillingen schwanger war, konnte man denken, jede Minute würde die Fruchtblase bei ihr platzen.

„Ich kann ihre Frau nicht gegen ihren Willen in den OP bringen; das ist nicht möglich. Bitte akzeptieren sie den Willen von Frau Dr. Peters...", erklärte der Gynäkologe noch einmal dem werdenden Vater und Jenne nahm seine flehenden Worte, die er noch auf seiner Zunge hatte, zurück.
Dann wandte er sich flehenden Blickes noch einmal an seine noch etwas krampfende Lebensgefährtin: „Lea... Bitte, du hast den Arzt gehört. Er kann unser Baby nicht ohne deine Zustimmung operieren. Bitte, Lea. Du kannst doch nicht wollen, dass unser Kind stirbt. Was soll denn das von dir? Denk doch mal an deine große Tochter Laura... Sie würde..."
Erschrocken hielt Lea inne und fragte: „Was soll denn Laura jetzt in dieser Situation? Sie ist kerngesund auf die Welt gekommen; ihre kleine Tochter ist auch soweit in Ordnung. Lass meine Große jetzt aus dem Spiel; sie hat mit der ganzen Sache hier nichts zu tun."

„Ich will doch nur, dass du endlich zustimmst, Lea. Das Baby... Bitte, ich möchte, dass du mir noch einmal zuhörst. ... Unser Baby... Was ist denn, wenn du das Kind verlierst? Was sollen wir denn dann dem Zwilling sagen? Sollen wir unser zweites Baby totschweigen? Du kannst nicht das Leben des Babys einfach aufs Spiel setzen; das ist nicht gerecht von dir."

„Ach?! Bist du denn gerecht, wenn du mich hier völlig in die Ecke drängst? ... Jenne, ich habe mich gegen die Operation entschieden; unser Baby wird vielleicht sogar per Kaiserschnitt auf die Welt kommen. Das wäre sehr viel komplikationsloser. Und dann musst du dir auch keine Sorgen um das Kleine machen... Ich will jetzt bitte wieder auf mein Zimmer. Geben sie mir noch etwas krampflösendes... Und dann möchte ich so schnell wie möglich auch wieder entlassen werden."

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt