Nur sehr schwer ließ sich Neurochirurgin Lea dann doch noch dazu überreden, das Zimmer ihrer schwer kranken Tochter zu verlassen und Onkologe Dr. Lindner und Anästhesistin Dr. Koshka das Feld zu überlassen. Am Fenster, durch das sie in Lauras Zimmer schauen konnte, beobachtete die Ärztin jeden Handgriff der beiden Kollegen aus Erfurt genau, als sich auch Dr. Globisch der Kollegin näherte.
„Dr. Koshka und Dr. Lindner sind zwei wunderbare Ärzte; sie können den beiden wirklich vertrauen, Frau Dr. Peters. Ihrer Tochter wird auch nichts passieren, von dem sie nichts wissen. Sie können ganz beruhigt sein. ... Mein Bruder hat die beiden Kollegen begleitet. Wenn sie wollen... können sie mit ihm schon über die Geburt ihres Kindes sprechen..."
„Danke, Dr. Globisch. Aber ich werde meine beiden Zwerge schon ganz alleine auf die Welt bringen können. Und zwar hier in Leipzig... Dafür muss ich nicht erst nach Erfurt fahren.", meinte Lea ablehnend und sah noch immer auf ihre Tochter, die sie nicht aus dem Blick lassen konnte.
Zu groß waren die Sorgen der Neurochirurgin um Laura Estelle und sie hielt sich, unbemerkt von Kathrin, an dem kleinen Tisch am Fenster zu Lauras Zimmer fest.
„Wir wollen doch auch gar nicht, dass sie für die Vorsorgeuntersuchungen... oder vielleicht noch für die Geburt ihres kleinen Bauchbewohners nach Erfurt fahren, Frau Dr. Peters. Niklas... Dr. Ahrend und ich wollten sie nur ein bisschen von der Sorge um ihre Tochter ablenken und ihnen vor allem die Möglichkeit geben, auch mal an etwas anderes zu denken."
„Ich danke ihnen, Frau Dr. Globisch. Aber ich denke immer an etwas ganz anderes... Jetzt denke ich zum Beispiel daran, warum ich meinem Kind nicht beigestanden habe. Warum ich meine Tochter ausgerechnet in dem Augenblick im Stich lassen, wenn sie mich braucht? Das werfe ich mir vor. ... Ich weiß, dass es völliger Blödsinn ist. Aber... meine kleine Laura ist mir einfach viel zu wichtig im Moment, wenn sie sich nicht so wohl fühlt..." Lea blickte durchgängig nur auf ihre Tochter und bemerkte dadurch auch gar nicht, dass außer Kathrin auch noch deren Bruder Niklas hinter der Neurochirurgin stand.
„Frau Dr. Peters... Sie können den beiden Kollegen wirklich vertrauen. Ich habe schon oft mit Dr. Lindner zusammen gearbeitet. Er ist ein wunderbarer Arzt. Und Dr. Koshka wird sich genauso gut um ihre Tochter kümmern... Kommen sie, wir besprechen die wichtigsten Dinge zur Geburt ihres Kindes..."
„Meiner Kinder!", erhob Lea ihre Stimme und Niklas und Kathrin sahen sich an, während Lea ein ausgedrucktes Ultraschallbild den beiden Kollegen zeigte. „Ihnen als Gynäkologen muss ich die Lage meiner Zwillinge wohl nicht deutlich machen, oder?"
„Nein... Hier ist Baby Nummer 1 und hier... das ist Baby Nummer 2... Aber meine Schwester hat mir doch gesagt, dass..."
„Dass ich nur ein Kind erwarte? Das habe ich auch erst gedacht. Und dann waren da plötzlich Zwillinge...", erklärte Lea und deutete auf ihren Bauch. „Oder was denken sie, warum ich in der fast 19. Woche schon so einen Bauch vor mir herschleppe..."
Zur Ablenkung von Lea hatte Jenne vorgeschlagen, es noch einmal zu versuchen, Lauras leiblichen Vater ans Telefon zu bekommen. „Irgendwann muss dieser Kerl doch endlich mal an sein Telefon gehen...", fluchte er, während Lea die Nummer von Markus' Arbeitsplatz aus dem Handytelefonbuch heraussuchte und Jenne zeigte.
„Ruf' doch du dort an... Vielleicht geht er ja bei dir ans Telefon...", seufzte sie und gab Jenne ihr Handy, während sie durch die große Fensterfront in der Cafeteria der Klinik nach draußen sah. Die entlassenen Patienten wurden von ihren Familien abgeholt, mehrere junge Mütter waren mit ihren Babys und Kleinkindern auf dem Weg nach Hause.
Und Lea – sie saß hier und konnte für ihr Kind nichts weiter tun, als krampfhaft ihren Vater immer wieder dazu bringen zu wollen...
„Lea... Dein Ex-Freund...", raunte Jenne seiner Lebensgefährtin plötzlich zu und gab ihr das Handy in die Hand.
„Markus... Ich habe dich in den letzten Stunden bestimmt schon hundertmal versucht, zu erreichen! Warum gehst du denn nicht gleich an dein Handy, wenn ich anrufe? ... Natürlich geht es um unsere GEMEINSAME Tochter. Worum soll es denn sonst gehen, wenn ich dich anrufe? ... Ihr Zustand hat sich noch einmal enorm verschlechtert; wenn du unsere gemeinsame Tochter also noch einmal lebend sehen willst. ... MARKUS! Du drehst jetzt sofort deinen... MARKUS! SIE IST DEIN KIND! UND SIE WILL IHREN VATER SEHEN! ... AUCH, WENN WIR LAURA INS KÜNSTLICHE KOMA... Wir mussten Laura ins künstliche Koma legen; es geht ihr momentan sehr schlecht. Aber das interessiert dich ja nicht. ... Das habe ich verstanden. Und ich werde morgen Abend gegen halb 8 auf dem Hauptbahnhof bei euch in Hamburg mit dem Zug ankommen. ... Wie sollte ich dich denn sonst hier nach Leipzig zerren? Ich gehe ja davon aus, dass wir anschließend zusammen zu unserer Tochter fahren! ... Ich bin heute Abend in Hamburg; wenn du mich abholen willst, dann schicke ich dir eine SMS mit den genauen Daten."
Lea legte ihr Handy auf den Tisch und schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht verstehen, warum ihm Laura so egal ist. Sie ist doch auch sein Kind."
„Er hat einfach zu Laura nie Kontakt gehabt. Du hast ihn angerufen und ihm plötzlich aus heiterem Himmel ein Kind untergejubelt..."
„Ein Kind, das er vor gut 17 Jahren selbst gezeugt hat! Er ist Laura Estelles leiblicher Vater. Und deswegen hat er ganz einfach seinen Hintern hierher zu drehen, wenn es unserer gemeinsamen Tochter... schlecht geht. Laura kann nichts dafür, dass... Dass die Beziehung ihrer Eltern schief gegangen ist."
„Ich kann mir vorstellen, warum sich Lauras Vater nicht bei dir gemeldet hat... Lea, du hast ihm doch einfach so am Telefon eröffnet, dass er... dass er seit fast 16 Jahren Vater einer Tochter ist. Denkst du, für ihn wird es einfach gewesen sein, als du ihm erzählt hast, dass ihr beide ein gemeinsames Kind habt. Und dass dieses Kind auch noch im Krankenhaus liegt. Aber das hättest du bestimmt bei mir auch gemacht, wenn ich... bisher noch nicht gewusst hätte, dass ich Vater werde. Dann wüsste ich das bis zum 18. Geburtstag unseres Kindes nicht.", machte Jenne seiner Lebensgefährtin Vorhaltungen, doch die Ärztin schüttelte den Kopf.
„Ich hätte dir schon irgendwann vor der Geburt gesagt, dass... Dass wir Eltern werden. Aber Markus hat sich die ganzen Jahre nicht um sein Kind gekümmert. Er hätte sich ja bei mir melden können, als... Ich habe ihm damals einen Brief geschrieben; kurz nach Lauras Geburt. Daraufhin hätte er sich ja bei mir melden können.", seufzte Lea und Jenne sah sie erschrocken an. „Du... Du hast ihm nach Lauras Geburt... einen Brief geschrieben? Dann hat er ihn vielleicht nie bekommen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ihm seine eigene Tochter so gleichgültig ist, wie du gerade vermutest..."
„Jenne, ich... Ich will mit dir jetzt nicht mehr über dieses Thema sprechen. Für mich ist jetzt erst mal wichtig, dass mein Kind wieder gesund wird. Etwas anderes zählt momentan für mich nicht.", erklärte Lea und seufzte kurz. „Ich habe damals versucht, mit Markus Kontakt aufzunehmen. Aber er hat sich nie bei mir gemeldet."
„Und das ist wohl dann auch der Grund... Warum du dich von mir getrennt hast...", erkannte Jenne und legte seine Hand auf Leas Finger, die sich am Handy festkrallten.
„Ja. Ich... Ich habe gedacht, dass ich... es einfach nicht wert bin, dass sich jemand mit mir... abgibt. Deswegen habe ich mich für die einfachere Version entschieden. Ich habe nicht damit gerechnet, dass... Dass ich einmal wirklich... eine Familie gründen könnte.", erklärte Lea und ließ ihre Tränen über ihr Gesicht fließen. „Ich will jetzt auch erst mal zu meiner Tochter. Laura braucht mich jetzt...", flüsterte die Ärztin und erhob sich vom Tisch, um sich auf den Weg zu ihrer Tochter auf die Intensivstation zu machen.
Dort schien die Ärztin von ihren beiden Kollegen Dr. Lindner und Dr. Koshka schon erwartet zu werden, denn die beiden Mediziner standen vor dem Zimmer von Laura und besprachen sich, bis Lea zu ihnen kam.
„Ah, Frau Dr. Peters... Da sind sie ja schon. Wir haben ihre Laura Estelle jetzt eingehend untersucht...", eröffnete Dr. Lindner das Gespräch mit der auf ihre Tochter schauende Neurochirurgin.
„Und... Was ist mit ihr?", wollte die Ärztin, bei der sich immer wieder die besorgte Mutter durchsetzte, von den beiden Erfurter Kollegen wissen.
„Wir vermuten, dass sich Laura wohl schon vorher... einen Infekt zugezogen hat, der allerdings noch nicht erkannt werden konnte. Dazu würden vor allem die aktuellen Blutwerte von Laura passen. ... Aber... Wir haben auch noch etwas anderes entdeckt..." Dr. Lindner machte eine lange Pause, während er in der Krankenakte von Laura blätterte. „Sehen sie hier... Die Entzündungswerte... Die springen immer wieder zwischen besorgniserregend und Normalwert hin und her. ... Das würde zum Einen zwar die regelmäßig steigende Temperatur erklären, aber zum Anderen wirft es natürlich die Frage auf, wo die Entzündung sitzt..."
„Das hat Dr. Heilmann schon versucht herauszufinden. Aber... Nach den bisherigen Untersuchungen von Laura konnte er wohl eine Blinddarmentzündung ausschließen; eine Lungenentzündung ist es auch nicht. Ich weiß doch auch nicht, was mit meinem Kind los ist..." Lea sah traurig durch die Scheibe auf ihre Tochter, bevor Theresa das Wort ergriff.
„Ihre Tochter hat vor einigen Wochen... ein Kind auf die Welt gebracht?" „Ja, sie ist vor neun Wochen Mutter geworden. Aber was hat das mit Lauras Zustand zu tun, Frau Kollegin? Wir haben Laura wegen ihrer Leukämieerkrankung stationär aufgenommen. Von Komplikationen während oder nach der Geburt von meiner Enkelin war nie die Rede..."
„Haben sie sich das Baby einmal angeschaut?", fragte Theresa und Lea schüttelte den Kopf, bevor sie erklärte: „Ich gehe davon aus, dass meine ehemalige Freundin... die Adoptivmutter von Laura... mit dem Baby regelmäßig beim Kinderarzt war. Wegen den bisherigen Vorsorgeuntersuchungen... Sie hat ja mit meiner kleinen Enkelin genauso verfahren, wie mit meiner Tochter..."
„Wie meinen sie das?", fragte Theresa und Lea berichtete ihren Kollegen davon, was ihre Tochter ihr zu Ninas Geburt erzählt hatte.
„Warum hat ihre Tochter denn nicht dafür gekämpft, dass... Dass sie als Ninas leibliche Mutter gilt?" „Weil sie sich es nicht getraut hat. Meine ehemalige Freundin... kann sehr aufbrausend sein, wenn sie sich im Recht fühlt... Mit dem, was sie tut..."
„Dann ist es wohl so gelaufen, wie bei ihnen... Als diese Stefanie ihnen ihre Tochter weggenommen hatte...", erkannte Theresa und Lea nickte kurz, bevor sie die Tür von Lauras Zimmer öffnete. „Stefanie hat sich in den letzten Jahren... wohl kaum noch um meine Tochter gekümmert. Dabei hatte sie sich so gefreut, als ich darauf eingegangen bin und ihr die Kleine überlassen habe..."
„Sie hatten wohl auch keine andere Wahl, Frau Dr. Peters... Lassen sie uns jetzt erst mal die abschließenden Untersuchungen abwarten. Und dann sehen wir weiter. Vielleicht hat der schlechte Zustand von Laura doch etwas mit der Geburt der kleinen Nina zu tun.", munterte Dr. Koshka die Neurochirurgin auf und während Lea zu ihrer Tochter ging, machten sich Theresa und Dr. Lindner auf den Weg zu Klinikchef Dr. Heilmann, der nun wohl das weitere Vorgehen mit den Medizinern durchgehen wollte.
„Laura... Laura, mein Liebling... Ich habe endlich deinen Vater noch einmal erreicht. Morgen fahre ich zu ihm nach Hamburg und hole ihn höchstpersönlich hierher nach Leipzig... Mach dir bitte keine Sorgen, Liebling. Wir kriegen das wieder hin. ... Du wirst wieder gesund, dafür sorge ich.", versprach die Neurochirurgin ihrer Tochter und kontrollierte die Infusion, an die Laura angeschlossen war. „Siehst du, die Kollegen kümmern sich auch um dich. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben; wir sind alle für dich da."
Lange Zeit blieb Lea allein bei ihrer Tochter am Bett sitzen, bis sich die Tür öffnete und Jenne das Zimmer der Sechzehnjährigen betrat.
„Lea... Ich wollte noch einmal nach meiner Stieftochter schauen. ... Und etwas mit dir besprechen...", eröffnete Jenne das Gespräch und seine Lebensgefährtin blickte kurz nach oben.
„Was willst du denn mit mir besprechen? Hast du dich entschieden, mich mit unseren Zwillingen doch im Stich zu lassen?" „Nein... Nein, natürlich nicht. Aber um diese Generation geht es. ... Was hältst du davon, wenn ich für Lauras Baby... eine hübsche Wiege zimmere? Wozu hab ich Tischler gelernt?"
„Das ist eine gute Idee. Laura wird sich bestimmt sehr darüber freuen, wenn sie nach Hause kommt... Wenn sie überhaupt nach Hause kommen wird...", seufzte Lea erschöpft.
„Natürlich kommt Laura nach Hause. Und dann können wir bald mit unseren Zwillingen... Moment mal... Wieso eigentlich Zwillinge?" Erst jetzt hatte Jenne gemerkt, dass Lea von Zwillingen gesprochen hatte und er sah seine Lebensgefährtin verdutzt an. „Ich dachte... Wir hätten nur ein Baby... Wieso auf einmal Zwillinge? Bekommen wir etwa...?"
„Na, warum rede ich wohl von Zwillingen?", lächelte die Neurochirurgin und streichelte sich über ihren Bauch. „Ich bekomme Zwillinge... Hier drinnen wohnen zwei Babys. Wir werden sozusagen... auf einen Schlag gleich zwei gemeinsame Kinder haben."
Das liebevolle Lächeln, das Lea hatte, wenn sie von ihren Zwillingen sprach, war wieder zu sehen und Jenne schien sich sehr über die Neuigkeiten zu freuen.
„Wir beide... Wir beide bekommen... Zwillinge? Zwei Babys? Zwei kleine Mädchen, die... die ihrer wunderschönen Mutter zum Verwechseln ähnlich sehen?", fragte Jenne und Lea zuckte kurz mit ihren Schultern. „Ich weiß es noch nicht, ob wir zwei Mädchen bekommen. Erst ab dem 5. Monat kann man das mit Sicherheit sagen... Und auch nur, wenn die Babys bei der Ultraschallkontrolle wirklich mitspielen... Wir müssen abwarten, wie sich das alles entwickelt.", erklärte Lea und sie ertappte sich selbst dabei, wie sie sich schon ausmalte, mit ihren Zwillingen spazieren zu gehen; den beiden Zwergen die Welt zu zeigen.
Wie wird es erst sein, wenn die Babys auf die Welt kämen und Lea nicht mehr nur eine große Tochter, sondern vielleicht Mutter dreier Töchter wäre? Wie würden ihre Zwillinge aussehen?
Kamen sie vielleicht vom Aussehen her nach Jenne? Oder hatten sie mehr das Aussehen ihrer Mutter, als sie noch ein Baby war?
„Die beiden mischen sich jetzt schon ziemlich in unser Leben... Ich freue mich so, Lea. Bald werden wir mit Laura, ihrer kleinen Nina und unseren Zwillingen spazieren gehen können; wir werden die wunderschönste und wunderbarste Familie von ganz Leipzig sein... Ach, was rede ich da. Von der ganzen Welt.", malte sich Jenne schon die Zeit nach der Geburt aus, während Lea schon leichte Panik bekam.
Schon die Geburt von ihrer kleinen Laura Estelle hatte sie damals so sehr angestrengt; sie hatte damals kaum noch Energie, als die Kleine auf die Welt kam. Wie sollte es erst sein, wenn sie zwei Babys auf die Welt helfen musste? War sie bei der Geburt vielleicht alleine? Musste sie ihre beiden Babys später eventuell sogar ohne fremde Hilfe selbst auf die Welt holen? Oder würden die Zwillinge gut behütet in der Sachsenklinik auf die Welt kommen und Lea hätte die Unterstützung von ihrer großen Tochter und ihrem Lebensgefährten?
Fragen über Fragen, die sich Lea in dem Moment zunehmend häufiger stellte und doch wusste sie, dass sie sich im Notfall sicher auf ihre Familie und ihre Kollegen verlassen könnte...
„Hat sich Markus eigentlich noch mal gemeldet?", fragte Lea erwartungsvoll, als Jenne seiner Liebsten ihr Handy in die Hand drückte und sie die Displaybeleuchtung kurz anschaltete.
„Nein... Jedenfalls nicht auf deinem Handy.", enttäuschte Jenne seine Lebensgefährtin und Lea nickte kurz, während Jenne auf Laura sah. „Er wird sich schon melden, Lea. Mach dir keine Sorgen. ... Vielleicht bereitet er ja schon seine Wohnung darauf vor, dass... Dass du bei ihm übernachten kannst. Oder er spricht gerade mit seiner Frau über... Über Laura. Vielleicht ist er ja verheiratet..."
„Oder er ist seit unserer Trennung damals immer noch Single. Was ich eher vermute... Schon ich musste damals den ersten Schritt machen, bevor wir ein Paar wurden. Und ich denke nicht, dass er sich großartig geändert hat...", seufzte Lea und dachte wieder an die schöne Zeit, die Markus und sie trotz der anfänglichen Probleme miteinander doch erlebt hatten.
„Wenn er sich wenigstens damals gemeldet hätte..." Wieder betrachtete Lea ihre Tochter und verglich Laura in ihren Gedanken mit deren Vater. „Sie hat viel von ihrem Vater... Diese Neugierde für Medizin... Und den unvergleichlichen Dickkopf."
„Na... Ob Laura diesen Dickkopf wirklich von ihrem Vater geerbt hat?", lächelte Jenne und drückte Lea einen Kuss auf die Wange. „Deine Tochter hat ihren Dickkopf mit Sicherheit von ihrer Mutter... Wenn unsere Zwillinge deinen Dickkopf auch noch erben, dann... Dann sollte ich vielleicht sogar gleich für unsere Familie ein großes Haus bauen... Mit zehn Kinderzimmern."
„Zehn Kinderzimmer? Ich habe mit unseren Zwillingen und meiner tapferen Laura nur drei Kinder... Und Laura hat auch nur ihre kleine Nina...", rechnete Lea nach und Jenne grinste. „Meinst du, ich möchte keine ganze Fußballmannschaft mit dir großziehen?"
„Eine ganze Fußballmannschaft? Um Gottes Willen... Wie sollen wir das denn schaffen?" „Mit unserer Liebe. Und vielleicht will dein Ex-Freund seine Tochter auch mal besuchen, dann können wir ein Gästezimmer in unserem Haus gleich einplanen, damit er nicht ins Hotel ziehen muss."
„Er hat sich die ganzen Jahre nicht um Laura gekümmert. Jetzt wird er wohl auch nur mit nach Leipzig kommen, weil ich ihn hierher zerren werde. ... Jenne, Markus wird sich nie für Laura interessieren. Und vielleicht wird... Vielleicht wird Laura auch gar nicht überleben..."
Jenne sah seine Lebensgefährtin an und schüttelte widersprechend den Kopf. „Fängst du schon wieder damit an? Natürlich wird Laura überleben. Sie ist hier in der Sachsenklinik in den besten Händen. ... Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass... Dass Laura es sich einfach so entgehen lässt, ihre Geschwisterchen kennen zu lernen.", erwiderte Jenne und hoffte, dass Lea ihm nicht wieder konterte.
Doch da hatte er falsch gedacht, als die Neurochirurgin kopfschüttelnd erwiderte: „Ich kenne die Überlebenschancen für Patienten... Die schon einmal... Laura hat schließlich nicht zum ersten Mal gegen diese schreckliche Krankheit zu kämpfen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es... Dass Laura ein zweites Mal den Kampf gewinnen kann. Dafür hat sie momentan durch die ganze Geschichte viel zu viel Stress. Und dann... dieses immer wieder so hoch steigende Fieber... Das macht mir auch Sorgen. Dabei hat Dr. Heilmann meine Große schon auf alle möglichen Krankheiten getestet... Wenn doch nur Lauras Vater hier wäre..."
„Hast du immer noch Gefühle für ihn?", fragte Jenne und Lea schüttelte den Kopf. „Nein... Nein, natürlich nicht. Aber... Er ist ihr Vater. Und ich möchte mir ungern die Schuld geben, wenn... Wenn Laura hier liegt, wegen der Behandlung leiden muss und sich wünscht, dass Markus bei ihr ist. Und er einfach nicht herkommt..."
„Lea, er wird mit Sicherheit bald hier sein. Aber du musst ihn auch verstehen können. Du hast ihm innerhalb von wenigen Augenblicken so viel erzählt... Ich habe dir schon vorhin erklärt, dass... Dass er seine Gedanken um Laura auch erst mal sortieren muss, bevor er hier nach Leipzig kommt.", erklärte Jenne und sah wieder auf seine Stieftochter, während Lea ihm wieder widersprach: „Ich habe ihm nur gesagt, dass wir eine Tochter haben und dass Laura ihren Vater braucht, weil sie im Krankenhaus liegt..."
„Und hast damit das Leben deines Ex-Freundes komplett auf den Kopf gestellt. ... Jetzt lass ihn mal eine Frau haben, die vielleicht keine Kinder bekommen kann. Und vielleicht hat er sich damit abgefunden, keine Kinder zu bekommen. ... Wenn er jetzt erfährt, dass... Dass er seit 16 Jahren Vater einer Tochter ist... Das ist nicht einfach... Lea, ich... Ich will auch eher ungern hier mit dir streiten. Vor allem nicht vor Laura. Sie muss es doch nicht mitbekommen." Der Blick von Jenne traf auf die Sechzehnjährige und er atmete tief durch.
Natürlich konnte er sich ganz genau vorstellen, wie sehr sich Laura wünschte, ihren leiblichen Vater zu kennen und ihn wenigstens nur einmal zu sehen. Doch Jenne konnte sich genauso gut auch in den ihn noch unbekannten Markus hineinversetzen.
„Lea... Komm, wir fahren nach Hause. Laura braucht jetzt erst mal ihre Ruhe; sie hat heute schon sehr viel mitmachen und erleben müssen. Auch, wenn sie im Koma liegt. Aber vielleicht hat sie ja trotzdem etwas von allem mitbekommen... Und morgen ist auch noch ein Tag, an dem wir bei Laura sein können...", versuchte der Tischler, Lea aus der Klinik zu entfernen.
„Ich bleibe heute Nacht hier... Mein Gefühl sagt mir, dass... Dass Laura mich heute Nacht braucht. Ich kann sie jetzt nicht einfach im Stich lassen; das bringe ich einfach nicht übers Herz...", wusste die Ärztin und seufzte kurz, während sie Laura vorsichtig eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht wischte und ihr anschließend mit einem feuchten Lappen den Schweiß von der Stirn tupfte. „Sie hat außer mir keinen anderen Menschen um sich. Und Stefanie... wird nach der Entscheidung des Jugendamtes... auch nicht glücklich sein und... Laura das Leben vielleicht noch schwerer machen."
„Lea, bitte. Dr. Heilmann und Dr. Globisch passen heute Nacht auf Laura auf. Die Zwei sind sehr erfahrene Ärzte; die wissen, was zu tun ist. Und wie es Laura bald besser geht... Komm, vertrau deinen Kollegen doch bitte wenigstens heute. Du brauchst auch deine Ruhe...", versuchte es Jenne noch einmal, Lea vom Bett ihrer schwerkranken Tochter zu ziehen.
Doch es schien ohne Erfolg zu sein, bis endlich, nach mehreren Überredungsversuchen, sich Lea wenige Minuten später erhob und sich von Laura verabschiedete.
„Laura, mein tapferes kleines Mädchen. Ich bin morgen Früh wieder bei dir. Schlaf dich gesund, mein großer Liebling. Du brauchst jetzt alle Kraft, die du bekommen kannst, um wieder auf die Beine zu kommen." Mit langsamen Schritten verließ Lea das Zimmer ihrer Tochter und schloss hinter sich die Tür zu Lauras Zimmer.
Dass sie allerdings das Zimmer der Sechzehnjährigen verließ, hieß es noch lange nicht, dass sie auch nach Hause fuhr, denn ihr erster Weg führte die Chirurgin noch einmal ins Schwesternzimmer , wo sie sich an Schwester Ulrike wandte: „Schwester Ulrike... Sie haben heute Nachtschicht?"
„Ja... Gibt es Probleme bei ihrer Tochter, Frau Dr. Peters?" „Nein... Momentan nicht. Aber sie sollten regelmäßig nach Laura schauen. Und wenn sich der Zustand von meiner Tochter verändert, rufen sie mich sofort an!" „Das ist doch klar, Frau Dr. Peters. Ich hab heute Nacht ein ganz besonderes Auge auf Laura."
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Leas Baby
FanfictionSchwanger - für Lea Peters die schockierendste Nachricht, die sie jemals bekommen konnte. Wo sie sich doch erst vor einigen Wochen von ihrem Lebensgefährten getrennt hatte. Nun steht sie vor einem Rätsel... Soll sie das Baby bekommen? Und dann tauch...