Folge 2 - Teil 4: eine schockierende Wahrheit

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Widerwillig ging Laura mit ihrem Vater, der den Kinderwagen schob, in die Cafeteria der Klinik und setzte sich dort an einen Tisch am Tresen, während ihr Vater für die Fünfzehnjährige ein Stück Kuchen und einen Kakao bestellte.
„Hier... Iss' ein Stückchen Kuchen.", lächelte Bernd seiner Tochter zu, doch Laura legte ihren Kopf traurig auf den Tisch und weinte. „Ich... Ich hätte... Ich hätte Maja nicht alleine lassen dürfen. Sie... Sie war doch schon heute Früh... so... Sie sah doch schon heute früh so kränklich aus, als ich sie aus dem Bett geholt habe."
„Laura, Mama hätte sich um die Kleine kümmern müssen. Aber seit die Kleine auf der Welt ist... Sie ist nur noch auf Nina fixiert. Es tut mir leid, dass wir dich und deine Schwester im Stich gelassen haben."

„Du hast doch nichts gemacht, Papa. Mama hat uns im Stich gelassen. Oder siehst du sie hier irgendwo?", schluchzte Laura und nahm ein Stück Kuchen auf den Löffel, den sie sich in den Mund schob.

„Nein, aber... Sie ist beim Chefarzt. Sie wird sicherlich gleich wieder zu uns kommen. Und dann sorge ich dafür, dass sie sich auch um dich kümmert."
„Aber... Ich hätte mich doch... Ich hab heute Schulfrei, da hätte ich mich schon am Morgen um Maja kümmern können. Aber ich musste ja die ganze Nacht..." „Laura! Davon fangen wir gar nicht erst an. Du kannst für den Unfall deiner Schwester nichts. Das war eine Verkettung unglücklicher Umstände, dass Maja gerade heute vom Baum gestürzt ist. Es hätte auch an anderen Tagen passieren können."
„Aber... Jetzt ist... Jetzt habe ich ihr vielleicht sogar ihre Schuleinführung versaut. Sie kann vielleicht die Schuleinführung nicht einmal in der Schule feiern, sondern muss hier im Krankenhaus liegen. Nur, weil ich... Weil ich so blöd war und mich nicht um Maja gekümmert habe."

„Bis zur Schuleinführung haben wir noch ganze sieben Monate. Bis dahin wird Maja schon lange wieder aus dem Krankenhaus raus sein. Mach dir mal keine Sorgen, Laura. ... Du kannst froh sein, dass nicht mehr passiert ist, Laura. ... Jetzt iss erst einmal deinen Kuchen und kümmere dich nicht mehr um den Unfall deiner kleinen Schwester. Dieser Unfall ist nun mal passiert und wir können daran nichts ändern. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass die Kleine schnell wieder auf die Beine kommt..."

„Aber... Hätte ich mich heute Früh um meine Schwester gekümmert...", widersprach Laura wieder, als auch ihre Mutter zum Tisch kam und erklärte, sie habe dem Chefarzt angewiesen, die Behandlung von Maja zu übernehmen.

„Wieso das denn, Mama? Dr. Peters ist eine wunderbare Ärztin. Eine bessere Ärztin, als du. Sie hat sofort reagiert, als es mich aus den Schuhen gewedelt hat. Dich hat es gestern nicht interessiert, als ich dir sagte, dass es mir nicht gut geht und mir schwindelig wäre. Du hast ja nur noch mit Nina zu tun. Maja und ich interessieren dich gar nicht mehr, Mama.", brüllte Laura ihre Mutter erbost an, doch die schüttelte den Kopf und erwiderte, natürlich wären ihre beiden großen Töchter noch interessant und wichtig für die studierte Medizinerin, die nach der Geburt von Nina die Arbeit aufgegeben hatte.
„Davon haben aber Maja und ich lange nichts mehr gemerkt, Mama. Überleg' dir mal, was du in den letzten Tagen und Wochen für mich und gegen mich getan hast...", brüllte Laura, sprang auf und verließ die Klinikcafeteria.



„Ah, Dr. Peters. Wie geht es ihrer Patientin denn?", begrüßte Rolf Kaminski die das Ärztezimmer betretende Neurochirurgin, die sich mit der Krankenakte der kleinen Maja an den Schreibtisch setzte.
„Oh... Dr. Kaminski." Erst nach ein paar Sekunden hatte Lea den am Schreibtisch sitzenden Urologen bemerkt und grüßte ihn schon nach wenigen Minuten Dienst sehr gestresst wirkend.

„Oh, ist ihnen schon jetzt eine Laus über die Leber gelaufen, Frau Kollegin? Sie haben doch erst vor ein paar Stunden wieder ihren Dienst aufgenommen... Oder haben sie ein Problem mit der Patientin?", erkundigte sich der Arzt und Lea nickte.
„Eher letzteres.", flüsterte sie und betrachtete konzentriert am Computer die Röntgenaufnahmen der kleinen Patientin. „Ein knapp sechsjähriges Mädchen nach einem Sturz vom Baum. Sie kann sich nicht an den Unfallhergang erinnern. Aber etwas anderes macht mir Sorgen, was ich schon hier im Ultraschall gesehen habe."

Rolf stellte sich hinter die Neurochirurgin und betrachtete die CT-Aufnahmen, dann warf er einen Blick auf die Ultraschallbilder, bevor er fragte: „Meinen sie hier diese Stelle?", erkundigte er sich bei seiner Kollegin, die nickend antwortete: „Ja... Genau diese Stelle macht mir Sorgen. Sie hat wohl auch schon seit ein paar Tagen über Beschwerden im Bauch geklagt. Aber die Eltern haben das nicht wirklich ernst genommen. Die kleine Patientin wurde zudem mit erhöhter Temperatur eingeliefert. Wahrscheinlich kommt das davon."

„Tja, eine beginnende Appendizitis... Das kann man nicht immer sicher erkennen. Besonders bei so jungen Kindern. Geht die Kleine denn schon in die Schule?"
„Nein, sie wird aber im Sommer nächstes Jahr eingeschult, was mir die große Schwester des Mädchens erzählt hat. Die Mutter ist wohl auch mit der Kleinen völlig überfordert, weil sie vor zwei Monaten ihr drittes Baby auf die Welt gebracht hat."

„Tja, das kommt in den besten Familien vor. ... Haben sie denn schon Ergebnisse aus dem Labor, die den Verdacht bestätigen?" „Nein, das Labor steht noch aus. Maja, wie die kleine Patientin heißt, hat sich leider mit Händen und Füßen gegen eine Blutabnahme gewehrt. Sie ist jetzt erst mal auf ihrem Zimmer; ihre Eltern und die große Schwester sind bei ihr."

„Da ist doch noch etwas, Frau Kollegin.", fiel Rolf auf, doch Lea war schon wieder in ihren Gedanken gefangen.
„Mir macht irgendwie nicht nur die Patientin, sondern auch deren große Schwester ein wenig Sorgen. Sie ist uns vorhin im Schockraum kurz ohnmächtig weggekippt, ich konnte sie gerade noch so auffangen, dass sie sich nicht auch noch am Kopf verletzt. ... Aber sie meint, sie hätte nur zu wenig gegessen und wäre auch sonst nicht wirklich ausgeruht."

„Wie alt ist denn das Mädchen?" „Die Schwester der Patientin?", fragte Lea nach und Rolf nickte, bevor Lea erklärte: „15 Jahre ist sie alt; sie hat letzten Monat ihren 15. Geburtstag gefeiert... Aber sie meinte, sie wäre wirklich nur fast zusammengebrochen, weil sie sich nicht ausgeruht hätte. Und schwanger ist sie auch nicht... Laut ihrer eigenen Aussage. Untersuchen lassen wollte sie sich nicht; ihre kleine Schwester wäre die Patientin und nicht sie selbst..."
„Dann wird das wohl auch so sein, dass sie sich nicht ausgeruht hat und deswegen zusammengebrochen ist. Das hat mit Sicherheit Dr. Internet diagnostiziert. Und mit dem Kollegen sollte man sich als studierter Mediziner nicht auseinander setzen. Dr. Internet hat immer recht.", meinte Rolf und sah kurz aus dem Fenster.

Doch Lea schüttelte entschieden den Kopf und erwiderte: „Nein, ich bin mir sicher, dass das fehlende Ausruhen nicht alleine der Grund dafür sein kann, dass Laura uns im Schockraum fast kollabiert wäre."
„Dann müssen sie die Schwester der kleinen Maja wohl als Patientin bei uns aufnehmen und weitere Untersuchungen anstellen.", war Rolfs Idee, doch erneut schüttelte Lea den Kopf und erwiderte: „Nein, das... Das wird die Schwester nicht zulassen. Sie ist sich komplett sicher, dass alles nur eine Frage des Ausruhens und Essens wäre. Und ich kann sie mit Sicherheit nicht an ein Krankenbett fesseln..."
„Das kommt mir irgendwie bekannt vor, Frau Kollegin. ... Sie hätten sich ja am liebsten sofort nach ihrer Appendixoperation selbst aus der Klinik entlassen.", lächelte Kaminski, doch das sah Lea anders.

„Ich werde auf jeden Fall noch einmal mit Laura sprechen müssen. Irgendwie muss ich sie doch dazu bringen, sich untersuchen zu lassen. Wenigstens die Kreislaufwerte kontrollieren lassen...", war sich die Neurochirurgin sicher und verließ das Ärztezimmer wieder.



„Na, meine kleine Maja. Du machst ja heute Sachen. Da spielst du Zuhause bei uns so lieb im Garten und dann passiert so was.", sprach Bernd seine mittlere Tochter mit einem leicht besorgten Lächeln an, während er sich ans Bett der Fünfjährigen setzte und dem Mädchen vorsichtig eine Locke aus dem Gesicht wischte. „Wie geht es dir denn, meine Kleine?"
„Gut, Papa.", flüsterte das Mädchen und bekam von ihrer großen Schwester Laura einen behutsamen Kuss auf die Stirn, bevor die Sechsjährige hinzufügte: „Laura... Ich hab dich so lieb."

Auch Lauras und Majas Mutter, die die kleine Nina im Arm hatte, stand neben dem Bett ihrer fünfjährigen Tochter. „Und ich habe mir solche großen Sorgen um dich gemacht, als du da bewusstlos vor dem Baum gelegen und dich nicht bewegt hast. Wir haben dir doch gesagt, dass du nicht einfach auf den Baum klettern sollst, wenn nicht wenigstens einer von uns dabei ist. Laura hätte sich doch bestimmt um dich gekümmert, wenn sie eher nach Hause gekommen wäre." Ein böser Blick von Stefanie traf auf die Fünfzehnjährige und Laura nahm ihre Arme zur Verteidigung nach oben.
„Ich... Ich bin nicht schuld an dem Unfall von Maja. Ihr hättet euch doch auch um die Kleine kümmern können. Und dass ich heute ungeplant frei habe, das wusste ich doch bis heute Früh noch gar nicht. Dass die Lehrer heute wegen dieser Grippewelle nicht da sind. Gestern hieß es noch, dass heute ganz normal Unterricht ist."

„Dann musst du eben besser aufpassen, wenn die Lehrer etwas sagen. Und außerdem hättest du bei Unterrichtsausfall viel eher nach Hause kommen müssen. Wo warst du denn?" „Ich bin noch ein bisschen durch den Park spaziert. Kannst du dir vorstellen, dass ich nicht nach Hause wollte? Dass ich nicht sehen wollte, wie du mit meiner kleinen Toch... Schwester... Wie du mit Nina umgehst...", brüllte Laura ihre Mutter an und sah auf den Säugling, der im Arm ihrer Mutter lag.
„Ich habe dir damals gesagt, dass du für ein Baby nicht geeignet bist. Dass ich Nina zu mir genommen habe, hatte auch sein Gutes. Bei dir wäre die Kleine doch gestorben.", erklärte Lauras Mutter mit ernster Stimme und schaukelte das kleine Mädchen, das in ihrem Arm lag und zu weinen anfing.
„Ja, Nina. Wir gehen gleich wieder nach Hause und dort bekommst du deine Flasche. Die hat der Papa vergessen, für dich vorzubereiten. Ein Glück, dass ich dran gedacht habe, eine kleine Flasche einzustecken." Ein zweiter böser Blick fiel auf Bernd, bevor die Mutter der drei Mädchen das Mädchen noch einmal beruhigend in ihrem Arm schaukelte. „Ich fahre mit der Kleinen nach Hause. ... Ihr beide könnt euch ja gerne noch um Maja kümmern. Aber ich lasse wegen Maja nicht unsere Kleinste im Stich..."

„Weder Laura, noch ich habe vor, Nina im Stich zu lassen. Aber Maja braucht dich auch. Und du siehst doch sicherlich auch, dass es Laura nicht gut zu gehen scheint.", erkannte Bernd beim Anblick der Fünfzehnjährigen, doch die Schülerin widersprach: „Mir geht es doch schon wieder viel besser. Ich bin wieder in Ordnung. Und außerdem...", fügte sie an. „Kann ich dir beweisen, dass ich eine gute Mutter bin. Habe ich Nina schon einmal im Stich gelassen..."
„Laura! Du hast Nina nach ihrer Geburt zur Adoption freigegeben. Und das kannst du nicht mehr rückgängig machen. Genauso wenig, wie deine leibliche Mutter..."

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt