Folge 5 - Teil 8: ein neuer Morgen bricht an

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Zum Glück ahnte Lea nicht, dass die Reaktion von Emily auch mit dem aktuellen Zustand von Laura zusammen hängen könnte. Die Schülerin, die noch immer auf der Intensivstation behandelt wurde, lag in ihrem Bett und wurde gerade von Dr. Globisch besucht, als sich der Zustand der Sechzehnjährigen wieder verschlechterte.

„Laura, was machst du denn nur mit uns? Du kannst doch nicht schon wieder so einen verdammt schlechten Allgemeinzustand haben... Was passiert denn jetzt schon wieder mit dir?", fragte Kathrin, als sie der Schülerin ein Beruhigungsmittel spritzte, um den Puls der Patientin zu senken. „Deine Mama ist nicht da, ich weiß. Aber du bekommst doch eigentlich gar nicht mit, dass du alleine bist. ... Laura, deine Mama kommt dich morgen Früh wieder besuchen. Aber sie muss sich gerade um deine kleine Tochter kümmern. ... Morgen kommt auch ein neuer Arzt zu uns an die Klinik; vielleicht wird er unser neuer Kollege...", flüsterte die Anästhesistin und setzte sich ans Bett von Laura, deren Zustand sich immer mehr verschlechterte.

Behutsam schob Kathrin das Oberteil von Lauras Schlafanzug nach oben und tastete den Bauch der Schülerin ab, konnte aber keine Veränderung zum vorherigen Befund ausmachen. Noch immer musste sich die Sechzehnjährige mit ihrer Gebärmutterentzündung herum quälen, was vermutlich auch zu der Verschlechterung von Lauras Zustand führte.

„Laura, ich weiß nicht, ob ich deine Mama anrufen soll. Aber wenn ich sie anrufe, dann lässt sie doch in deinem Zuhause alles stehen und liegen und kommt gleich zu dir. ... Und das kann ich gerade nicht tun – deine Mama braucht ganz viel Ruhe. Damit deine beiden Geschwister nicht früher auf die Welt kommen, weil sich Dr. Peters zu wenig schont."

Kaum hatte Kathrin der sechzehnjährigen Schülerin allerdings das schnell wirkende Beruhigungsmittel über den Zugang gespritzt, wurde Lauras Zustand noch schlechter. „Hast du eine Allergie gegen das Beruhigungsmittel?", vermutete Kathrin, doch nichts schien darauf hinzudeuten und als Laura nach wenigen Augenblicken ruhiger wurde und ihr Puls langsam sank, erkannte Kathrin, dass sie mit dem Medikament der Patientin sehr geholfen hatte.
„Laura... Es ist jetzt... kurz vor 22 Uhr. Ich habe eigentlich schon seit ein paar Stunden Feierabend. Aber dein Zustand macht mir jetzt ein bisschen Sorge. Deswegen bleib ich jetzt lieber hier im Krankenhaus an deinem Bett sitzen. Nicht, dass irgendwas passiert. ... Was hältst du denn davon, wenn wir morgen deiner Mama nichts von dem Zwischenfall jetzt sagen?"

„Frau Dr. Globisch? Was machen sie denn um diese Zeit noch hier auf der Intensivstation bei der Patientin? Haben sie nicht schon lange Feierabend?", fragte Oberschwester Arzu Ritter, die heute Nachtdienst hatte, während Kathrin auch nach Dienstschluss noch an Lauras Bett saß.
„Ich hab ein schlechtes Gefühl gehabt und bin lieber noch mal hergekommen. ... Lauras Zustand hat mir nicht gefallen; sie hatte einen sehr schnellen Puls. Ich denke, wir sollten Laura in den nächsten Tagen wieder aus dem Koma herausholen und extubieren.", meinte Kathrin zu dem Zustand der Patientin und hielt ihre Hand auf Lauras Stirn. „Sie hat zum Glück momentan kein Fieber. Aber die Entzündung an ihrer Gebärmutter macht Laura noch sehr schwer zu schaffen."

„Haben sie denn schon Dr. Ahrend Bescheid gesagt? Der ist auch gerade in der Klinik...", fiel Arzu ein, dass sie den Halbbruder von Kathrin gerade eben auf dem Gang getroffen hatte. „Er könnte auch noch einmal nach der Patientin sehen."
„Ich werde Niklas gleich Bescheid geben. Aber um was ich sie bitten würde: Sagen sie auf keinem Fall etwas von dem verschlechterten Zustand der Mutter von Laura. Frau Dr. Peters ist endlich wieder zu Hause. Sie hat sich in den letzten Tagen nur noch um Laura gekümmert, das macht der Kreislauf nicht lange mit...", wusste Kathrin und Arzu nickte bestätigend, während sie versprach, die Verschlechterung von Lauras Kreislauf vor Lea geheim zu halten.
„Gut, Schwester Arzu... Ich fahre jetzt wieder nach Hause. Und sie schauen bitte ab jetzt regelmäßig nach Laura. Messen sie zur Sicherheit in einer Stunde mal die Temperatur bei der Patientin...", bat Kathrin und Arzu nickte bestätigend, bevor sie sagte: „Ich sage dann auch dem Frühdienst Bescheid, dass regelmäßig nach Laura geschaut werden soll."
„Sehr gut, Arzu. Ich verlasse mich auf sie. ... Laura, ich fahre jetzt nach Hause. Die Schwester Arzu kümmert sich heute Nacht noch ein bisschen um dich. Und ich kann mir vorstellen, dass deine Mama bei den ersten Sonnenstrahlen auch in der Klinik auftaucht. ... Ich schaue aber, bevor ich nach Hause fahre, lieber noch einmal bei dem Patienten Bergmann vorbei. Der wird morgen um Zehn am Herzen operiert; zwei Bypässe bekommt er."

„Das habe ich im OP-Plan gesehen, Dr. Globisch. Schwester Miriam bereitet den Patienten dann morgen Vormittag für die Operation vor...", erklärte Arzu und Kathrin bedankte sich für die Hilfe, bevor sie sich von Laura verabschiedete und das Zimmer der Sechzehnjährigen verließ.



Am Morgen des nächsten Tages war die Neurochirurgin Lea und ihr Lebensgefährte Jenne schon sehr früh auf den Beinen; früher, als an anderen Tagen. Schon kurz vor viertel vier hatte ihr kleiner „Wecker" gebrüllt und mit dem lauten Geschrei die erfahrene Ärztin und später auch deren Lebensgefährten aus dem Bett „geklingelt".
Die ganze restliche Nacht waren Lea und Jenne, immer abwechselnd, mit der schreienden kleinen Emily im Arm, durch die Wohnung der Ärztin gelaufen, doch der weinende Säugling konnte sich die ganze Zeit über kaum beruhigen. Selbst die Nachbarin von Lea, eine ältere Frau von knapp Siebzig, die gegen viertel Sechs bei der Ärztin geklingelt und sich über Emilys lautes Geschrei aufgeregt hatte, konnte nicht ändern, dass das kleine Mädchen heftig schrie.

Im Moment nun war Lea mit Tragen dran und sie versuchte, mit schaukelnden Bewegungen das kleine Mädchen endlich zum Schlafen zu bekommen. Doch immer wieder schrie Emily von Neuem los und Jenne nahm der gähnenden Ärztin das Baby vorsichtig aus dem Arm.
„Du brauchst doch jetzt auch noch deine Ruhe, Lea. Gib mir unser kleines Mäuschen. Ich kümmere mich um Emily und du gehst noch eine Runde schlafen.", gähnte der Tischler, bevor er anfügte: „Am besten, ich rufe dann bei euch in der Klinik an und erkläre denen, dass du die ganze Nacht wegen Emily kein Auge zumachen konntest und jetzt erst mal eine Mütze voll Schlaf brauchst, damit du nicht im Dienst plötzlich selber ein Krankenbett brauchst. ... Ich gehe dann auch erst mal mit dem Zwerg alleine zum Kinderarzt.", machte Jenne seiner Lea ein Angebot, doch die Chirurgin stimmte dies nicht zu und sie schüttelte den Kopf.
„Nein, Jenne. Du hast doch auch die ganze Nacht über nicht geschlafen. Ich werde mich jetzt fertig machen und bringe anschließend unsere süße kleine Emily zum Kinderarzt. ... Ja, Emily. Wir gehen zusammen zum lieben Onkel Doktor. Wenn dein lieber Opa dann in Leipzig arbeitet, können wir ja immer zu ihm gehen, wenn du krank bist. ... Ja, Emily. Es ist doch alles gut. Keine Angst. Der liebe Doktor macht mit dir gar nichts Schlimmes. Es tut dir bestimmt auch nichts weh, wenn der Onkel Doktor dich abhören will oder dir Blut abnehmen muss... Ja, mein süßes Mäuslein. Ich bin jetzt bei dir. Ich kümmere mich um dich. Bis der liebe Onkel Doktor dich wieder gesund macht."

„Was soll die kleine Maus denn beim Kinderarzt für schlechte Erfahrungen gemacht haben? Keiner wird ihr irgendwelche Schmerzen bereitet haben. Sie wird doch nur abgehört, dann schaut sich der Arzt den Hals an und anschließend kann die Kleine auch schon wieder nach Hause gebracht werden.", meinte Lea und Jenne, der nun die Kleine auf dem Arm hatte, gab dem Säugling einen Kuss auf die kleine Hand.

„Wer weiß, was Emily beim letzten Mal in der Kinderarztpraxis erlebt hat... Oder ob diese Stefanie denn mit ihr heute und mit deiner kleinen Laura damals überhaupt einmal zum Arzt gegangen ist. Das kann ich mir bei der nämlich gar nicht vorstellen, dass sie sich so sehr um ihre Kinder kümmern würde."
„Laura hat mir berichtet, dass der Kinderarzt der Kleinen wusste, dass Emily eigentlich Lauras Kind ist und das Jugendamt über den Schwindel informieren wollte. Also mindestens ein oder zwei Mal musste Emily beim Kinderarzt gewesen sein.", erklärte Lea und Jenne nickte.

„Und hat sich Laura auch mal dran erinnert, dass diese Stefanie... mit ihr damals beim Kinderarzt gewesen ist?" „Nein, hat sie nicht... Aber ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass sie die Kleine nicht untersuchen gelassen hat. Vielleicht hat sie es ja auch selbst erledigt. ... Stefanie ist ja schließlich studierte Medizinerin. Da wäre es für sie ein leichtes, Laura zu untersuchen und ihr die Impfungen zu geben, die sie braucht...", überlegte Lea und dachte an die Kindheit ihrer kleinen großen Tochter.

Wie gerne hätte Lea ihr Kind großgezogen, hätte ihrer Laura beim Gesundwerden geholfen, wenn sie krank war. Sie hätte die ganze Nacht an Lauras Bett gesessen und hätte ihrem Kind die Medizin gegeben, die sie gebraucht hätte. Aber momentan konnte die Ärztin ja ihrem schwer kranken Kind nur dabei zusehen, wie sie unter der schrecklichen Leukämiediagnose litt.

„Jenne, ich werde mich jetzt mal fertig machen, du wickelst Emily und ziehst sie an und dann gehe ich mit unserer süßen Maus zum Kinderarzt.", erklärte Lea, doch Jenne widersprach ihr recht schnell: „Ich würde gerne mitkommen, Lea. Dann kann ich mir die Kleine nach dem Arztbesuch schnappen und sie nach Hause bringen. Und du kannst dann gleich zur Klinik durchstarten.", wusste der Tischler und legte die wieder lautstark schreiende Emily auf den Wickeltisch, um ihr den einteiligen Schlafanzug mit der aufgenähten Maus, die in einem Käse steckte, auszuziehen und ihr eine neue Windel anzulegen.
Lea allerdings befürchtete, dass ihre kleine Enkelin gar nicht nach dem Arztbesuch wieder nach Hause dürfte und sie erklärte Jenne vorsichtig: „Wenn wir die Kleine nach dem Kinderarztbesuch nicht auch noch ins Krankenhaus bringen müssen. Ich habe das dumme Gefühl, sie wird von Kinderarzt in die Klinik eingewiesen. Schon allein wegen dem Geschrei und den Schmerzen, die sie hat. ... Es ist wahrscheinlich noch viel viel schlimmer, als wir jetzt gerade vermuten..."

„Denkst du das wirklich? Lea, wie willst du das dann bitte deiner Tochter erklären können, wenn du die Kleine ins Krankenhaus bringen musst? Deine Laura ist zwar immer noch in tiefer Narkose, aber sie hat schon mitbekommen, als der Arzt bei ihr die Temperatur gemessen hat. Und da wird sie auch sehr wohl mitkriegen, dass irgendwas nicht in Ordnung ist."

Emily, die mitbekommen hatte, dass irgendwas nicht so lief, wie sie es gewohnt war, fing wieder zu schreien an und Jenne nahm das kleine Mädchen, das ihre Geburtsgröße von knapp 40 cm gut aufgeholt hatte und nun schon gute 50,5 cm groß war, auf den Arm.

Da sich Lea währenddessen schon für den heutigen Tag vorbereitete, schaukelte Jenne die schreiende kleine Emily noch ein wenig in seinem Arm auf und ab und hoffte inständig, dass sich das Mädchen dadurch endlich beruhigte. Doch Emily brüllte Immer mehr und so legte Jenne das kleine Mädchen einfach auf die Wickelauflage zurück.
„Emily, es ist doch alles gut... Wir sind doch alle bei dir. Und beim Doktor wird es bestimmt auch gar nicht schlimm werden. Der ist ganz lieb zu dir.", versprach Jenne, als er einen frischen Strampler von Emily, den Paul erst gekauft hatte, aus dem Schrank holte.

Emily schien sich endlich von dem Hinlegen beruhigen zu lassen und der Tischler zog dem Säugling den hellen Schlafanzug aus, doch wieder brüllte das Mädchen lautstark los.

„Emily, Kleines. Was hast du denn, du süße Maus? Ich bin es doch nur, dein ganz lieber Opa. Dein Stiefopa... Meine kleine Süße. Ich tue dir doch gar nichts. Wo ist denn schon wieder...? Wo haben wir den denn? Ach, hier ist er... Guck mal, hier in deinem Bettchen lag dein Schnuller noch... Ja, dein Nuckel. Da ist er."

Allerdings konnte Emily nicht einmal mit dem Schnuller beruhigt werden. Sie spukte ihn einfach immer wieder aus, als Jenne ihr den Nuckel in den Mund steckte und der Tischler gab, mit einem tiefen Seufzer auf Emily schauend, auf, bevor wenige Minuten später die fertig angezogene Lea ins Zimmer kam.

„Was hat sie denn nur?", wollte Jenne von seiner Lebensgefährtin wissen, doch Lea konnte nur kurz mit den Schultern zucken und die kleine Emily beobachten.
„Ich befürchte schon fast, das aktuelle Verhalten unserer kleinen Patientin kann vielleicht irgendetwas mit Laura zu tun haben.", vermutete Lea besorgt, bevor sie fortfuhr: „Ich habe zwar gerade mit Schwester Ulrike telefoniert und sie hat mir versichert, dass mit meiner Großen wirklich alles in Ordnung ist. Aber ich denke, sie hat mich angelogen... Eine Mutter spürt so etwas genau..."

„Möchtest du denn dann nicht jetzt gleich in die Klinik fahren und selbst nach deiner Laura schauen? Ich meine, wenn irgendwas mit deiner Großen nicht stimmt... Du kannst ihr vielleicht helfen... Wenn du bei ihr bist, dann geht es ihr vielleicht wieder viel besser.", schlug Jenne vor, doch Lea blickte wieder auf die kleine Emily, die sich, auf dem Wickeltisch liegend, kaum wohlzufühlen schien und kräftig schrie.
„Und was mache ich in der Zwischenzeit mit der kleinen Emily? Sie wird bestimmt sehr weinen, wenn ich nicht dabei bin, wenn sie von ihrem neuen Kinderarzt untersucht werden muss.", meinte die Neurochirurgin und streichelte dem Mädchen vorsichtig über das Köpfchen, auf das sie anschließend einen liebevollen Kuss drückte.

„Da brauchst du dir gar keine Sorgen zu machen, Lea. Den Besuch beim Kinderarzt bekommen wir Emily und ich auch schon ganz alleine hin, stimmts Emily? Da kann deine liebe Oma auch gleich zu deiner kranken Mami in die Klinik fahren. Wir zwei kommen dann nach dem Besuch beim Kinderarzt zu euch...", schlug Jenne vor und Lea schien kurz zu überlegen, war dann aber nicht davon begeistert.

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt