Folge 5 - Teil 6: schwere Auseinandersetzungen

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„Stefanie, bitte gib mir das Baby. Du kannst doch die Kleine kaum noch auf dem Arm halten... Ist alles in Ordnung mit dir?", wollte Lea ihrer Freundin eine Schwäche einreden, weswegen Stefanie kurz innehielt und auf Nina schaute. „Die kleine Nina ist die Tochter von meiner Laura... Sie heißt Emily... Bitte, bitte gib mir das Baby jetzt... Ich verspreche dir, dass ich der Kleinen nichts tun werde, was... Was ihm schaden könnte. Gib mir bitte den Säugling, Stefanie..."
„NEIN, Lea. Ich werde dir das Baby nicht geben. Du willst mir doch nur mein Baby wegnehmen. Du willst mir meine große Tochter wegnehmen, meine kleine Nina wegnehmen... Hast du denn gar keine Skrupel? Bitte, Lea... Die Kleine ist meine Tochter, ich hab Nina auf die Welt gebracht. Ich habe sie in den ersten Tagen in meinen Armen gehalten, ich habe sie gewickelt, habe ihr die Flasche gegeben. Sie ist mein Kind... Ich habe die Kleine per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht... Emily... Emily ist tot!", bettelte Stefanie ihre Freundin an und versuchte, über diese Art und Weise an „ihr" Baby zu kommen.

Doch Leas Freund, der eben noch vor der Tür gestanden hatte, kam ins Zimmer, erschrak Stefanie mit seinem plötzlichen Auftauchen und konnte ihr so die kleine Emily aus dem Arm nehmen.
„Sie ist die Tochter von Laura...", sagte Jenne und legte den Säugling auf die Brust von Laura, wo sich das weinende Baby beruhigen konnte.
„NEIN! NEIN! SIE... SIE... MEINE KLEINE NINA! SIE IST MEIN BABY! DAS IST MEIN KIND!", brüllte Stefanie und versuchte, Emily wieder auf ihren Arm zu nehmen, doch Jenne stellte sich beschützend vor Lauras Bett und ließ nur noch Lea an die Sechzehnjährige.

„Stefanie, du bist krank! Lass dich bitte behandeln. Vielleicht kannst du irgendwann wieder normal mit meiner Laura und der kleinen Emily umgehen. Aber... Im Moment brauchst du psychiatrische Hilfe; ich werde es nicht zulassen, dass... Dass du Emily oder meine Laura in Gefahr bringst..."
„NEIN! Lea... Wenn... Wenn ich in die Psychiatrie komme... Dann... Dann nehmen sie mir meine Laura weg. Dann kann ich nicht mehr... Dann kann ich nie wieder Mutter sein. Meine kleine Maja... Und meine Laura... Sie ist doch meine Tochter... Meine Nina! Sie ist mein Kind!", brüllte Stefanie und wollte noch einmal an die kleine Emily heran, doch Jenne hielt Stefanie fest und sagte Lea, sie solle die Polizei holen.

„Frau Falken, sie brauchen Hilfe. Sie müssen in die Psychiatrie... Sie haben damals meiner Lea und heute der armen Laura das schlimmste angetan, was man einer Mutter antun kann. Sie haben beiden ihre Babys weggenommen. Ohne Grund... Bitte, lassen sie sich helfen."
„Ich kann... Ich kann doch... meine kleine Nina... Sie ist doch mein Kind! Laura hat... Laura will doch nur die Kleine für sich beanspruchen, weil... Weil sie... Weil sie selbst keine eigenen Kinder bekommen wird. Sie hat doch gar keine Gebärmutter... Im Kindesalter musste man ihr wegen einem Unfall... die Gebärmutter herausnehmen. Sie hatte eine starke Blutung... Da war sie zwölf Jahre alt... Sie hatte einen schlimmen Fahrradunfall... Sie ist... Sie ist keine Mutter...", brüllte Stefanie und wehrte sich mit all ihrer Kraft gegen Jenne.

Endlich trat Lea wieder ins Zimmer und brachte Philipp Brentano gleich mit. „Wir müssen der Frau eine Beruhigungsspritze geben... Philipp, ich halte Stefanie fest... und du setzt die Spritze...", gab Lea ihrem Kollegen eine Anweisung, während sie schon den Arm von Stefanie hielt.
„Stefanie, beruhige dich bitte. Es ist gleich vorbei... Du wirst gleich schwächer... Es ist gleich vorbei... Zappel doch nicht so herum, es wird nicht wehtun...", beruhigte Lea die aufgebrachte Frau, die um sich schlug und dabei ab und an sogar Leas Bauch traf.
„Lea, ich halte die... Frau Falken, beruhigen sie sich endlich... Sie werden gleich von der Polizei geholt...", ermahnte Jenne die um sich schlagende Stefanie, während er sie in den Schwitzkasten nahm und darauf wartete, dass die Beruhigungsspritze, die Philipp der aufbrausenden Frau gab, endlich wirkte. „Frau Falken, jetzt ist doch schon alles vorbei... Beruhigen sie sich doch endlich..."

„Ich will zu meinem Kind! Ich muss zu meiner LAURA... LAURA! NINA! Sie ist doch mein Kind... Sie sind beide meine Kinder. Ich habe Laura und meine kleine Nina doch auf die Welt gebracht. Laura... Laura war... ein kleines Baby, was... Was ich großgezogen habe. Sie hat immer so sehr gebrüllt, wenn... Wenn ich nicht in ihrer Nähe war. Sie hatte Angst... Ich..." Immer leiser wurde die Stimme von Stefanie, bis sie endlich in sich zusammensackte und von Philipp auf einer Trage liegend in einen Nebenraum gebracht wurde.
Jenne atmete tief durch und sah zu Lea, die am Bett ihrer Tochter saß und die kleine Emily auf dem Arm hielt.
„Lauras Baby wird nie wieder von deiner Tochter getrennt, Lea. Mach dir keine Sorgen mehr... Laura wird ab jetzt für ihr kleines Mäuschen die Mutter sein.", versprach Jenne und streichelte dem Baby, das auf Leas Arm lag, vorsichtig über den Kopf. „Ich habe schon für die Kleine bei uns zu Hause alles vorbereitet. Sie kann heute Nacht bei uns schlafen, wenn du das möchtest, Lea...", sprach Jenne beruhigend auf Lea ein und die Neurochirurgin nickte.



In der Notaufnahme der Sachsenklinik war schon wieder einiges los, als Kathrin einen neuen Patienten aufnahm.

„Guten Tag, Frau Dr. Globisch... Horst Bergmann, 69 Jahre alt. Verdacht auf Herzinfarkt. Er wurde bewusstlos in seiner Wohnung liegend von seiner Nachbarin aufgefunden. Blutdruck liegt bei 200; die Herzfrequenz ist ebenfalls erhöht. Wir haben mit dem EKG Extrasystolen festgestellt..."
„Danke, Kollegen... Den Patienten schon in den Schockraum... Komplettes Labor; Herzecho und nach der Diagnostik sofort auf die ITS. ... Sind die Angehörigen informiert?", erkundigte sich die Chefärztin und der Notarzt antwortete nickend: „Ja... Wir haben die Angehörigen beim Abtransport schon angetroffen. Sie sind auf dem Weg..."

Dem Notarzt in den Schockraum folgend gab Kathrin schon einmal eine Anweisung an die diensthabende Krankenschwester Miriam, sie solle die Untersuchungen, die im Falle eines Herzinfarktes oder des Verdachtes auf Herzinfarkt durchgeführt wurden, in die Wege leiten.

„Soll ich den Angehörigen draußen Bescheid geben, wie es dem Patienten geht?", fragte eine junge Praktikantin, die ebenfalls im Schockraum war.
„Nein, das machen wir, wenn wir wissen, was mit dem Patienten wirklich los ist. ... Geben sie mir schon einmal den Ausdruck vom EKG... Ganz klar, ein Herzinfarkt. Sofort weiter in den OP... Schwester Miriam, piepen sie bitte Dr. Weber an. Das ist auf jeden Fall ein Patient für unsere neue Kardiologin... Und sagen sie auch gleich noch Dr. Brentano Bescheid, er muss bei der OP assistieren.", wies Kathrin die Krankenschwester auf die nächsten Schritte hin, bevor die Chefärztin den Schockraum verließ und vor der Tür auf ein junges Ehepaar traf.

„Sie sind die Angehörigen von Herrn Bergmann?" „Ich... Ja, ich bin Sandra Bergmann, das ist mein siebeneinhalb Jahre älterer Bruder Thomas. Was... Was ist mit unserem Vater?", wollte die aufgebrachte, brünette Frau wissen, die sich in der Hand ihres Bruders festklammerte. „Ich... Ich habe nur gesehen, wie er vom Notarzt... in den Krankenwagen... was ist mit meinem Vater?"
„Er hatte vermutlich einen Herzinfarkt. Wir werden ihren Vater jetzt in den OP bringen, um die Herzgefäße genauer zu untersuchen. Das kann gut und gerne eine oder sogar zwei Stunden dauern. Und danach werden wir ihren Vater auf die Intensivstation bringen. ... Fahren sie nach Hause, hier können sie im Moment leider nichts für ihren Vater tun...", sprach Kathrin auf die junge Frau ein, die sich weinend an die Schulter ihres Bruders warf und weinte: „Ich... Ich hätte ihn nicht so aufregen dürfen. Ich... Ich hatte doch diesen Streit... Ich hatte diesen verfluchten Streit... und jetzt... Jetzt stirbt er vielleicht. Daniel... Bitte, er wird sterben. Bitte, sag mir, dass alles gut gehen wird. Du bist doch... Du bist Medizinstudent; du musst mir sagen können, dass... Dass Papa durchkommen wird."

„Machen sie sich jetzt bitte keine Sorgen um ihren Vater; wir werden alles dafür tun, dass ihr Vater durchkommt. ... Fahren sie am besten wirklich nach Hause, wir rufen sie an, wenn sie wieder zu ihrem Vater können. Er wird nach der Operation erst mal auf die Intensivstation verlegt und in Narkose behalten... Bitte, ruhen sie sich zu Hause ein wenig von dem Schock aus."

„Kann... Kann ich denn nicht hier warten?" Kathrin sah in die flehenden Augen, bis sie erklärte: „Ja... Setzen sie sich in die Cafeteria, wir holen sie dann..."



Nachdenklich saß Roland nach dem Gespräch mit Kathrin über seine Patientin Laura in seinem Büro und starrte auf das Foto von Pia. Am Wochenende hätte seine geliebte Frau Geburtstag; seine geliebte Pia, die er so sehr vermisste.

„Roland... Ich habe noch einmal mit unserem neuen Kollegen telefoniert... Ist alles in Ordnung?", erkundigte sich Sarah, als sie ins Büro des Klinikchefs kam.
„Was? Ja... Ja, natürlich ist alles in Ordnung. Ich habe nur gerade... an Pia gedacht...", antwortete der Klinikchef und wandte sich dann der Verwaltungschefin zu: „Was hast du denn mit dem neuen Kollegen besprochen?"
„Er wird morgen pünktlich zu dem Termin hier ankommen. Um kurz vor drei hab ich den Termin angegeben. Es wäre gut, wenn Dr. Globisch und du dabei wärt..."

„Natürlich, wir sind dabei. Aber... Martin ist noch nicht ganz aus der Klinik weg und du hast schon einen neuen Arzt in Aussicht. Wie soll das denn für Martin aussehen?"
„Er hat sich entschieden, die Klinik zu verlassen, Roland. Ich habe nichts getan, was ihn stören könnte... Sag mal, willst du denn nicht nach Hause fahren? Du kannst dich doch gar nicht mehr auf deine Patienten... konzentrieren... Pia hätte doch am Wochenende Geburtstag...", fiel der Verwaltungschefin auf und Roland nickte.
„Ja... Ja, hätte sie. Aber ich weiß nicht, was daran jetzt so interessant sein sollte. Es ist ein Tag, wie jeder andere. Und ich werde genauso wieder im OP stehen. Es gibt nichts mehr zu feiern.", wies Roland seine ehemals gute Freundin ab, doch Sarah hatte eine ganz andere Idee, die sie dem Klinikchef nun vorschlug: „Was hältst du denn davon, wenn wir uns am Wochenende alle zusammen bei mir treffen und... Und wir feiern trotzdem... Lass uns gemeinsam den Tag verbringen. Pia hätte sich bestimmt sehr gefreut..."

„Ich will diesen Tag nicht feiern, Sarah! Ich habe meine große Liebe verloren! Meine große Liebe, die ich über alles auf der Welt... gebraucht habe. Ich... Ich liebe Pia. Ich will sie wieder zurück!", brüllte der Klinikchef und Sarah nahm den weinenden Roland in den Arm.
„Lass die Trauer zu, Roland. Das ist nicht einfach. Ich weiß das... Mir geht es genauso, wenn ich an Benjamin denke. Wir wären jetzt schon seit... fast 10 Jahren verheiratet.", erinnerte sich Sarah an ihre große Liebe Benjamin Wittenberg, den Anwalt, der kurz vor dem Ja-Wort in der Kirche zusammen gebrochen war und wenig später in der Klinik starb.

Der Schock über den Tod von Benjamin und diese verdammte Hilflosigkeit, er hatte Sarah immer wieder eingeholt und doch wusste sie, dass das Leben weiter gehen musste.

„Roland, du kannst das alles nicht mit dir selbst ausmachen. Das kann gar nicht funktionieren. Du wirst immer wieder an einen Punkt kommen, an dem..."
„Sarah, lass deine klugen Ratschläge... Hast du dir schon mal angeschaut, was in den letzten zwanzig Jahren in meiner Familie passiert ist?", fuhr Roland die Verwaltungschefin an. „Ich habe meinen Vater an Tollwut verloren, hab nur ganz knapp einen Flugzeugabsturz überlebt. Pia musste zweimal gegen Brustkrebs ankämpfen, ich hatte Leukämie... Meine Tochter und mein Schwiegersohn kamen bei einem Autounfall ums Leben... Mein Sohn hat ein neues Herz... Und dann... Dann verliere ich auch noch die Liebe meines Lebens, als wir wieder glücklich waren. Pia wollte wieder zurück kommen; sie wollte nach Leipzig zurückkehren. Ich habe meine ganze Liebe... an diese Frau verschenkt. Ich liebe Pia... wie mein Leben... mehr als mein Leben!", fuhr Roland seine ehemals gute Freundin an und Sarah schreckte kurz zurück.

„Roland, ich will doch nur, dass du... Dass du und die Kinder an diesem schrecklichen Tag nicht alleine sein müsst. Ich weiß, wie schwer es ist, wenn man... seine große Liebe verliert. Ich habe Benjamin an unserem Hochzeitstag verloren. Er wollte gerade Ja sagen... Und dann ist er zusammengebrochen. Lange musste ich gegen die Trauer ankämpfen. Aber..."
„Sarah, lass mich jetzt bitte in Ruhe. Ich muss hier... meine Gedanken sortieren. Und dann muss ich mich darum kümmern, dass... Dass die Patientin wieder auf die Beine kommt. Du siehst, ich habe keine Zeit für dich.", lehnte der Klinikchef jegliche Worte ab und widmete sich dann wieder hochkonzentriert den aktuellen Blutwerten von Leas Tochter Laura, um die er sich aufgrund der Diagnose Leukämie ganz besonders intensiv kümmerte.

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt