Folge 4 - Teil 5: Stress unter Freunden

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Die gute Nachricht, dass es Laura bald wieder besser gehen würde, hatte sich wie ein Lauffeuer in der Sachsenklinik herumgesprochen und als Lea ihre Tochter für einen Augenblick alleine ließ, um noch einmal mit deren leiblichen Vater zu telefonieren, wurde die Neurochirurgin schon von Dr. Globisch vor Lauras Tür erwartet.

„Wie geht es ihrer Tochter denn heute Morgen, Frau Dr. Peters?", fragte Kathrin ihre Kollegin mit leicht besorgter Stimme und die Chirurgin, die noch ein Auge auf ihre Tochter hatte, antwortete: „Laura ist leider immer noch ein wenig erschöpft von dem hohen Fieber und... wir können sie auch noch nicht extubieren oder aus dem künstlichen Koma holen. Aber ich gehe davon aus, dass... Dass wir jetzt endlich positiv in die Zukunft blicken können. Wo wir doch endlich wissen, was mit Laura los war. Vor allem, warum sie immer wieder so hohes Fieber hatte..."
„Das klingt doch schon mal nach einem großen Schritt in die richtige Richtung, Frau Dr. Peters. So kann es schon weiter gehen. ... Wollen sie trotzdem dieses Wochenende zu ihrem Ex-Freund fahren? Ich habe zufällig mitbekommen, dass sie Lauras leiblichen Vater besuchen wollen..."

„Ich habe vor, meinen Ex-Freund höchstpersönlich aus Hamburg hier runter nach Leipzig zu holen. Schließlich hat er die Pflicht, sich um seine Tochter zu kümmern. Wenigstens in der Zeit, in der sie hier im Krankenhaus liegt.", erklärte Lea und Kathrin nickte kurz.
„Dann wünsche ich ihnen gutes Gelingen. Dass sie es schaffen und ihren Ex-Freund davon überzeugen können, dass es wichtig ist, dass er herkommt. ... Als was arbeitet ihr Ex-Freund eigentlich?" „Er ist Arzt am Uniklinikum in Hamburg. Wir haben uns damals während des Studiums kennen gelernt und sind danach ziemlich schnell ein Paar geworden. Allerdings hatte mein Ex-Freund auch immer die dumme Angewohnheit... Dass er sich nie einig ist... über seine Gefühle anderen gegenüber. Deswegen... Deswegen habe ich mich damals von ihm getrennt... Und weil er selbst keine Familie wollte; jedenfalls nicht zu der Zeit, als ich schwanger war..."

„Vielleicht hätte er sich doch für das Kind entschieden?", vermutete Kathrin und Lea zuckte kurz mit den Schultern. Klar, Markus hätte bestimmt anders davon gedacht, wenn er von Laura erfahren hätte. Vielleicht wären die Drei eine glückliche Familie geworden. Aber nun war es eben so gelaufen; Lea konnte die Zeit leider nicht zurückdrehen.
Vielleicht, so dachte Lea heute, war die Trennung von vornherein ein riesen Fehler gewesen; vielleicht hätte sich Markus für Lea und für sein Baby entschieden, wenn er Laura nur einmal auf dem Arm gehabt hätte. Aber heute... Heute konnte die Neurochirurgin nur mit den Folgen ihrer damaligen Entscheidung leben.

„Geht ihnen die Geschichte immer noch so nahe?", fragte Kathrin, als sie entdeckte, dass aus Leas Augen zwei kleine Tränen ihren Weg nach unten suchten.
„Ich... Ich habe meinen Ex-Freund damals... ziemlich hintergangen; dabei wollte ich ihm damals doch eigentlich gar nicht wehtun. Aber... Als er mir eröffnete, dass... eine Familie für ihn in der Situation nicht in Frage käme... Ich habe einfach Angst gehabt, mit einem Baby alleine zu sein und irgendwie... meinen Lebensunterhalt und den meines Kindes zu sichern... Immer am Rande der Unmöglichkeit... Natürlich wollte ich es schaffen; wollte Laura als mein Baby großziehen. Bestimmt hätte ich das geschafft. Aber als dann meine ehemalige beste Freundin... mir sagte, dass sie zur Strafe mein Baby wolle... Dass ich darunter leiden müsse, mein Kind zu verlieren..."

„Sie brauchen sich und ihre Entscheidung von damals bei mir nicht zu verteidigen. Und ich bin mir auch sicher, dass ihr Ex-Freund mit ihnen nach Leipzig kommen wird, um Laura zu besuchen. Wenn sie ihm etwas von der Diagnose erzählen... Kein Vater lässt sein Kind in solch einer Situation im Stich, wenn er erfährt, dass... Dass das Kind todkrank ist..."

„Aber... Ich habe mit meinem Ex-Freund... über 16 Jahre lang nicht mehr gesprochen; wir haben uns sozusagen aus dem Blickfeld verloren. Als ich allerdings vor zwei Jahren einmal in Hamburg war und dort... Urlaub gemacht habe, da hab ich meinen Ex-Freund noch einmal gesehen. Er hat jetzt eine Familie; eine kleine Tochter und anscheinend zwei Söhne. Er war jedenfalls mit drei Kindern unterwegs. Keine Ahnung, ob alle drei Kinder von ihm sind..."
„Das können sie ihn doch fragen.", munterte Kathrin die Kollegin auf, bevor sie selbst an ihren Sohn dachte. Sie hatte Lukas schon eine ganze Weile nicht mehr angerufen und nahm sich deswegen vor, während sie mit Lea sprach, heute Abend bei ihrem Sohn in Amerika anzurufen.



Nachdem er einen Notfall versorgt hatte, führte Martins Weg den Oberarzt ins Büro von Roland, der gerade mit Chefärztin Dr. Kathrin Globisch über den OP-Plan der nächsten Woche grübelte, als Oberarzt Dr. Stein ins Zimmer stürmte.

„Roland! Ich... Ich wüsste gerne, was das hier soll. Wollt ihr mich jetzt hier aus der Klinik werfen?! Nur, um einen neuen Arzt einstellen zu können? Ich mache das nicht mit."
„Martin, bitte..." „Halt dich raus, Kathrin...", fuhr Martin die Chefärztin böse an, bevor er sich wieder an Roland wandte: „Roland, das... Das geht so nicht weiter. Ihr kürzt meinen Fachbereich immer und immer weiter. ... Ich hab das Gefühl, ihr wollt mich hier aus der Klinik werfen?! Ich dachte, wir beide wären Freunde. Aber... Unter Freundschaft stelle ich mir anscheinend etwas anderes vor, als Kathrin und du. ... Das geht so nicht, Roland. Ich... OK, ich denke, Marie braucht in den nächsten Monaten sowieso in Köln zunehmend meine Hilfe."

„Was... Was soll das heißen, Martin?", fragte Roland mit befürchtender Stimme, doch Martin sah ihn nur böse an und erklärte: „Das soll das heißen, was es heißt. Ich... Roland, ich denke, es wäre besser, wenn ihr euch wirklich einen neuen Kollegen sucht. Ich kündige. Die Schriftform folgt noch heute Nachmittag."

„Du... Martin, du kannst doch nicht einfach... Du kannst doch nicht einfach kündigen. Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Wir..." „Nein, ich bin nicht von allen guten Geistern verlassen. Ich bin ganz klar bei Verstand. Es ist besser, wenn ich kündige. Wir streiten uns doch nur noch. Und dieser Brief hier..." Martin knallte Roland das Schriftstück auf den Tisch. „Dieses Schriftstück ist der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Ich... Es ist besser, wenn ich die Klinik verlasse."

„Was... Was meinst du damit, Martin?", mischte sich nun auch Kathrin ein, woraufhin der Oberarzt zu ihr blickte und seiner befreundeten Kollegin erklärte: „Ich werde hier kündigen. Das soll es heißen, Kathrin. Es... Es fehlt einfach der Zusammenhalt im Team. Besonders unter Freunden." Ein eisiger Blick ging zu Roland. „Mir ist egal, was Roland oder du... Was ihr zu der Kündigung sagt. Sehen wir es mal so: neue Besen kehren ja bekanntlich gut. Vielleicht bringt etwas frischer Wind der Klinik ein wenig mehr Freude."
„Martin! Du kannst doch nicht... Was wird denn dann aus unserer Freundschaft? Du kannst doch nicht einfach kündigen.", versuchte die Chefärztin ihren Kollegen doch noch zu überreden, an der Klinik zu bleiben.
Doch der Oberarzt war fest entschlossen, mit seiner Kündigung das einzig noch Mögliche zu tun, was er in dieser Situation tun konnte.

Mit Wut im Bauch über die Hinterhältigkeit seiner beiden Kollegen, die er über 10 Jahre lang seine Freunde nannte, verließ der Oberarzt, der insgeheim auch noch über die Beförderung von Kathrin zur Chefärztin empört war, Rolands Büro in Richtung Ärztezimmer.
Roland und Kathrin blieben wortlos und geschockt zurück. „Das war jetzt... Martin will... Martin will also wirklich kündigen!", erkannte Kathrin beim noch einmal Nachdenken über die Äußerung ihres Freundes und Kollegen.
„Scheint so.", bestätigte Roland das durchweg Offensichtliche und schreckte hoch, als plötzlich das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte.

„Heilmann. ... Sarah, was gibt es denn? ... Ja, das weiß ich. Er hat eben seine Kündigung mündlich ausgesprochen; die Schriftform würde noch folgen. ... Sarah, ich kann da auch momentan nichts machen. Er lässt doch nicht mehr mit sich reden. Denkst du, ich habe nicht versucht, ihn zu überreden, sich das alles noch mal durch den Kopf gehen zu lassen? Aber er ist nun mal stur. ... Wenn Martin kündigen will... Du, Sarah, ich hab jetzt auch gerade gar keine Zeit; ich muss dringend in den OP. Ich melde mich später noch einmal bei dir, wenn ich die OP beendet habe. ... Ja, ich sage Kathrin auch gleich noch Bescheid. ... Bis später."

Roland, der vor noch nicht einmal fünf Jahren die Nachfolge des langjährigen Leiters der Leipziger Sachsenklinik, Prof. Dr. Gernot Simoni, angetreten hatte, legte den Telefonhörer auf und Sarah zu Kathrin nach oben. „Sarah will später mit uns beiden reden."
„Wahrscheinlich hat sie schon einen neuen Kollegen, den sie uns so bald wie möglich vor die Nase setzen will. Für sie muss doch die Kündigung von Martin genau zur richtigen Zeit kommen... Komm, wir müssen in den OP. Dr. Brentano wird schon auf uns beide warten."



Lea hatte sich inzwischen wieder an den Schreibtisch im Ärztezimmer gesetzt und telefonierte mit ihrem Ex-Freund, als Martin ins Zimmer kam. „Lassen sie sich von mir nicht stören... Ich bin gleich wieder weg.", wehrte Martin jeglicher Frage von Lea aus, als sie kurz den Hörer beiseite legen wollte.

„Haben sie Stress mit einem ihrer Patienten?", fragte die Ärztin, bekam jedoch keine Antwort auf ihre Frage; Martin hatte nur in sich selbst hinein geflüstert, dass alles vorbei wäre.
Das allerdings hatte Lea nicht gehört und so widmete sie sich wieder ihrem Ex-Freund Markus.

„Also kann ich damit rechnen, dass du auch ohne Murren und Knurren mit nach Leipzig kommst? Unsere Tochter braucht dich... Sie will ihren Vater kennen lernen! Und ich finde, es wäre für sie auch besser, wenn du da wärst. Du kannst ihr vielleicht besser helfen, als... Als unsere Kollegen... Natürlich vertraue ich meinen Kollegen, aber... Du bist Lauras Vater. Und... Ach, wenn es nur um deine Tochter geht, dann kannst du sie auch nach Leipzig mitbringen. Mein Kollege Dr. Brentano hat eine wunderbare... Ja, Philipp... Dass du dich noch an ihn erinnerst. ... Ach, deswegen... Gut, dann sehen wir uns heute Abend. Und morgen fahren wir zu unserer Tochter!", beendete Lea das Telefonat mit ihrem Ex-Freund und legte dann ihr Handy wieder weg.
„Viele Grüße von Markus.", richtete Lea ihrem Kollegen aus und Philipp nickte kurz. „Dann grüß ihn heute Abend von mir, wenn du in Hamburg bist. ... Moment mal, Markus? Er ist Lauras Vater?" „Ja... Ist das so abwegig? Wir beide hatten damals zur fraglichen Zeit eine Affäre miteinander. Und als wir miteinander geschlafen haben, ist Laura entstanden. ... Aber ich dachte, du bist in deiner Jugend aufgeklärt wurden, Philipp."
„Ja, natürlich. Aber... Markus war doch nie der Typ dafür, dass... Dass er mit einer Frau...", stotterte Philipp und sah seine Kollegin erschrocken an. „Und dass ausgerechnet er der Vater von Laura ist... Unglaublich.", erkannte der Chirurg und schüttelte den Kopf.

„Wenn Markus und ich miteinander geschlafen haben, dann ist er der Vater. Mit einem anderen Mann hatte ich damals keine Beziehung. ... Im Gegensatz zu Männern bin ich treu.", sagte Lea an ihren Kollegen gewandt und macht sich dann wieder auf den Weg zu ihrer Tochter, der sie noch erzählen musste, dass ihr Vater bald kam.


Bevor Lea allerdings zu Laura gehen konnte, wurde sie an den Empfang gerufen. Ein Besucher hatte nach der Neurochirurgin gefragt und wartete nun im Eingangsbereich er Klinik.
Lea erkannte schon von weitem, wer dieser Besucher war. „Papa... Papa, was machst du hier?", fragte sie erschrocken und gab ihrem Vater, zu dem sie ein weitaus besseres Verhältnis hatte, als zu ihrer Mutter, einen Kuss.

„Ich wollte dich besuchen, Lea. ... Sag mal, bist du schwanger?", fiel Ludwig Peters sofort mit der Tür ins Haus und seine Tochter nickte. „Ja... Wie... Wie hast du das denn erkannt?"
„Das sieht man dir an. ... Wer ist denn der Herr Papa?" „Ein Freund... Mein Lebensgefährte. Aber ich hab gerade gar keine Zeit für dich.", wollte Lea ihrem Vater aus dem Wege gehen...

Doch Ludwig ließ sich von seiner Tochter nicht einfach abschütteln. „Was ist denn los, Lea? Hast du einen anstrengenden Fall hier?"
„Nein... Nein, ich hab... keinen anstrengenden Fall. Aber... Ich muss noch etwas vorbereiten. Was keinen Aufschub bekommen darf. Ich hab also gerade wirklich keine Zeit für dich, Papa...", versuchte Lea, sich aus dem Gespräch mit ihrem Vater zu entfernen, als Kaminski zu der Kollegin kam und Ludwig Peters sofort erkannte.

„Herr Peters... Wollen sie wohl ihre Enkeltochter besuchen?", fiel der Urologe mit der Tür ins Haus und Ludwig sah abwechselnd seine Tochter und den Belegarzt an, bevor er fragte: „Ich will meine Enkeltochter besuchen? Wie meinen sie das? ... Lea, wie meint Dr. Kaminski diese Frage?"
Ein Blick von Lea, der sagen würde: 'Ich könnte sie töten, Kaminski' traf auf den erfahrenen Mediziner und anschließend begann Lea zu stottern: „Ich... Ich hab... Meine Tochter... Laura... Sie liegt auf der Intensivstation... Wir haben sie wegen eines Kreislaufzusammenbruchs hier in der Klinik aufgenommen... Aber bisher wissen wir noch nicht, was mit ihr los ist."
Um ihren Vater nicht zu beunruhigen ließ Lea die Wahrheit über Lauras Diagnose weg, doch Ludwig merkte, dass seiner Tochter noch etwas anderes auf dem Herzen lag.

„Lea... Du kannst mir alles sagen. Ist wirklich alles in Ordnung? Ich meine, deine Tochter liegt wegen eines Kreislaufzusammenbruchs auf der Intensivstation? Ich bin zwar kein Arzt, aber ist das nicht ein bisschen übertrieben?"
„Nein, nicht wirklich... Laura... hatte zweimal einen Herzstillstand. Beim zweiten Mal konnte Dr. Heilmann sie nur ganz knapp wieder ins Leben zurückholen. Denkst du, für mich ist das einfach, zu wissen, dass mein Kind stirbt?"
„Du weißt, dass dein Kind... Lea, Süße..." Ludwig nahm seine verzweifelte Tochter in den Arm und fragte noch einmal behutsam nach Lauras Zustand. „Was ist denn wirklich mit meiner Enkeltochter los? Hat sie irgendeine schlimme Krankheit?"
„Sie... Papa, lass mich jetzt bitte nachdenken. Ich... Ich muss jetzt auch erst mal zu meiner Tochter. Wenn du mitkommen willst, dann musst du mir folgen. Aber... Frag mich bitte nicht mehr, was mit Laura los ist. Ich weiß es doch selbst noch nicht. Meine Kollegen wollen mit mir nicht über das Thema sprechen... Aber vielleicht sagt man dir ja die Wahrheit. Du kannst es ja mal versuchen, mit Dr. Heilmann oder Dr. Globisch zu sprechen..."

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt