Folge 3 - Teil 1: Patientin auf Wanderschaft

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Folge 3: Pro oder Kontra

Laura geht es immer schlechter; ihre Leukämiediagnose zerrt an ihren Nerven und lässt sie zunehmend immer schwächer werden. Lea, geschockt vom Zustand und der schweren Krankheit ihrer Tochter, sitzt Tag und Nacht an Lauras Bett, bis sie einen schrecklichen Entschluss für ihr ungeborenes Baby fällt.
Zugleich jedoch muss sie noch für Lauras kleine Tochter kämpfen und andere Hindernisse überwinden... 

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Die ganze Nacht zum heutigen ersten Februar hatte Laura Estelle in der Klinik auf der Intensivstation verbracht und war auch am Morgen immer noch sehr erschöpft. Ihre Mutter hatte sich gegen halb drei ins Bereitschaftszimmer zurück gezogen und schlief für wenige Augenblicke.

Ihre Einsamkeit nutzte Laura dafür, zu ihrer kleinen Schwester, von der sie seit Stunden nichts mehr gehört hatte, zu gehen. Dr. Stein und Schwester Ulrike würden nichts machen können, wenn Laura zu ihrer kleinen Schwester Maja gehen wollte.
„Oh, wir haben eine Patientin auf Wanderschaft...", fiel Ulrike mit besorgtem Blick auf, als sie Laura in Richtung Fahrstuhl schleichen sah.

„Laura... Meine Güte, bist du denn von allen guten Geistern verlassen?! ... Du bleibst hier! Wir können dich noch nicht entlassen...", rief Dr. Stein der uneinsichtigen Patientin hinterher und fing sie gerade noch so auf, als sie erneut in sich zusammenbrach, dabei allerdings zu jeder Zeit bei Bewusstsein blieb.
„Laura, du bist nicht stabil genug, dass du einfach die Klinik verlassen kannst. Du hast momentan ziemlich hohes Fieber...", fiel dem Oberarzt bei einem prüfenden Griff an Lauras Stirn auf. „Wir werden dir wohl jetzt gleich noch ein Medikament gegen das Fieber geben müssen, wenn wir dich wieder in deinem Bett liegen haben. ... Bleib jetzt bitte in deinem Zimmer. Wenigstens, bis das Fieber endlich wieder runter ist."
„Ich will doch gar nicht aus der Klinik raus. Ich wollte doch nur zu meiner Schwester Maja... Sie liegt doch auch noch hier in der Klinik, oder?", fragte Laura, doch Martin schüttelte den Kopf.
„Nein, deine Schwester... Maja wurde von ihrer Mutter abgeholt und liegt jetzt in einem anderen Krankenhaus. Bitte, Laura. Sei doch vernünftig... Laura, bitte. Wir müssen herausfinden, was mit dir nicht in Ordnung ist. Warum du so plötzlich so hohes Fieber bekommen hast. Und vor allem, warum du regelmäßig zusammenbrichst und warum dein Fieber immer wieder steigt und wieder fällt... Wir können nicht verantworten, dass sie einfach nach Hause spazieren."

„Ich weiß doch schon, was mit mir los ist... Ich habe Leukämie. ICH HABE WIEDER LEUKÄMIE! ... Mama hat doch die Ergebnisse aus dem Labor gesehen...", brüllte Laura den Oberarzt an und Martin nickte kurz.
„Ja, Laura. Du hast recht. Aber... Das hohe Fieber, das du im Moment hast, kann unmöglich von der Leukämie, die du deiner Meinung nach hast, kommen. Lass uns doch bitte wenigstens das abklären, bevor du hier durch die Klinik spazierst. Ich verspreche dir hoch und heilig. Wir tun nichts, was dir nicht gefällt oder was du nicht willst. Deine Mutter passt doch auch auf dich auf..."

„Ich will zu meiner Schwester... Ich will zu meiner kleinen Maja. Sie braucht mich doch; ich muss mich um meine kleine Schwester kümmern...", brüllte Laura, doch Dr. Stein blieb hart.
Erschöpft gab die fast Sechzehnjährige nach einigen Augenblicken doch auf und nickte zustimmend, als Dr. Stein sie fragte, ob sie wieder in ihr Zimmer zurück wolle.

Gestützt von dem erfahrenen Oberarzt schlich die fünfzehnjährige Laura wieder in ihr Zimmer zurück und wurde in ihrem Bett liegend von ihrem behandelnden Arzt zugedeckt.
„Wenn du irgendwas brauchst, dann kannst du dich gerne über die Notrufklingel bei den Schwestern melden. Unsere Schwestern bringen dir doch alles, was du brauchst. ... Du darfst im Moment nicht durch die Klinik spazieren. Vor allem in deinem Zustand möchte ich nicht, dass du aus deinem Bett in irgendeiner Situation auch nur daran denkst, einfach aufzustehen. ... Laura, ich bitte dich. Du bist schwer krank; wir können es nicht verantworten, dass du hier durch die Klinik spazierst... Als wäre ein kleiner Schnupfen alles, was du hast... Du bleibst noch ein paar Tage zur Beobachtung hier in der Klinik und wir kriegen heraus, was es mit dem hohen Fieber bei dir auf sich hat."
„Ich kann aber nicht hier bleiben. Ich muss mich doch um meine kleine Schwester kümmern. Nina braucht mich doch. Und Maja kann ich auch nicht so lange alleine lassen. Ich kann meine Adoptivmutter nicht mit den beiden im Stich lassen. Sie ist doch gar nicht fähig, sich um die beiden Kleinen richtig zu kümmern. Bitte, Dr. Stein. Ich habe doch eine Verantwortung meinen beiden Schwestern gegenüber... Bitte, ich... Ich bitte sie... Lassen sie mich einfach jetzt wieder nach Hause gehen. Und ich verspreche ihnen, dass ich mich im Haushalt mit der Aufgabenerfüllung auch wirklich zurückhalten werde... Ich werde zu Hause bestimmt nicht sagen, dass sie mich entlassen haben...", bettelte Laura weiterhin, doch Martin schüttelte energisch den Kopf.

„Wir können dich leider nicht entlassen, Laura. So leid es mir tut... Du bist jetzt dreimal innerhalb kürzester Zeit ohne eine äußere Einwirkung hier in der Klinik zusammen gebrochen. Außerdem hast du sehr hohes Fieber und kannst dich deswegen sowieso nicht so lange auf den Beinen halten... Bitte, akzeptiere doch, wenn wir sagen, dass du hier bleibst... Wir können dich noch nicht entlassen, bevor wir nicht genau wissen, was wirklich mit dir los ist. Bevor wir keine abschließende Diagnose gestellt haben, wäre es unverantwortlich von uns, dich wieder nach Hause zu entlassen.", konterte der erfahrene Oberarzt, doch da war die eigenwillige, fast Sechzehnjährige auch schon wieder aus ihrem Bett aufgestanden und hatte ihr Zimmer zum zweiten Mal verlassen.

„Laura! Du bist ja schlimmer, wie deine Mutter.", wurde der Oberarzt langsam ungeduldig und er zog Laura wieder in ihr Bett zurück. „Nicht schon wieder! Bleib jetzt endlich hier in deinem Bett liegen. ... Wir haben immer noch keine abschließende Diagnose gestellt. Wir wissen immer noch nicht, was mit dir los ist. Und solange das so ist, bleibst du im Krankenhaus! Das wäre unverantwortlich von uns, wenn wir dich nach Hause entlassen würden.", erklärte Martin der störrischen Patientin, die bereits in den sich gerade öffnenden Fahrstuhl stieg.

„Ist ihnen eine Patientin abhanden gekommen, Steinchen?", grinste Kaminski und bekam von Martin nur ein böses Schnaufen zu hören.
„Was geht sie das an, Kaminski? Halten sie lieber die Patientin auf, die da gerade in den Fahrstuhl gestiegen ist...", raunte der Oberarzt den Urologen an, doch da war es schon zu spät – die Tür des Fahrstuhls schloss sich und Kaminski und Stein konnten nur noch hinterher schauen...



Inzwischen hatte auch Chefärztin Dr. Globisch die Laborergebnisse vorliegen und verglich die Werte von Lauras Adoptiveltern mit denen der fünfzehnjährigen Patientin.
Nachdem Dr. Heilmann noch einmal mit Stefanie und Bernd eindringlich über die Folgen der Weigerung, sich testen zu lassen, gesprochen hatte, hatten die beiden eingewilligt und sich für eine Knochenmarkspende für Laura testen lassen.

Seufzend legte Kathrin die Laborergebnisse beiseite und rief ihren Kollegen, Dr. Rolf Kaminski, der sich schon denken konnte, dass Lauras Adoptiveltern nicht als Spender passen konnten, hinzu: „Herr Kollege, kommen sie bitte kurz."
„Was gibt es denn, Frau Kollegin?", erkundigte sich Rolf, bevor Kathrin ihm wortlos die Laborergebnisse reichte.

„Oh... Also entweder ist der Vater nicht der leibliche Vater ihrer Patientin. Oder die Patientin ist nicht die Tochter der Eltern, die vorgeben, die Eltern der Patientin zu sein. ... Da passt ja gar nichts zusammen...", fiel dem Belegarzt auf, als er über Kathrins Schulter blickte und die Ergebnisse der Untersuchungen verglich. „Adoptiert ist die Patientin nicht?"
„Nein, jedenfalls haben sich die Eltern zu dem Thema bisher weder mir, noch Dr. Stein gegenüber geäußert. Aber... Haben sie die Patientin schon einmal zufällig gesehen? Jemand ganz bestimmtes aus unserem Team... sieht ihr ziemlich ähnlich. Als wäre diese bestimmte Person mit der Patientin verwandt."

„Laura Falken... Laura Fal... Ach, ja. Stimmt, ich habe die Patientin vorhin ganz zufällig auf dem Gang getroffen. Als sie aus dem Zimmer ihrer kleinen Schwester Maja kam. Sie sieht unserer Dr. Peters wirklich sehr ähnlich. Meinen sie das?"
„Ja, genau das meine ich. ... Also, wie ich das hier einschätze... Die Eltern der Patientin kommen als Spender auf jeden Fall nicht in Frage. Wir müssen jetzt erst mal die zentrale Spenderdatei überprüfen. Und dann... sollte irgendwer mit Frau Dr. Peters sprechen."

„Dr. Brentano... kennt Dr. Peters etwas besser... Die beiden haben zusammen studiert. Vielleicht weiß er etwas Genaueres, was es mit den Werten von Laura auf sich hat... Ich meine, vielleicht kennt er die Hintergründe...", fiel Kaminski ein und er verließ das Ärztezimmer, nachdem er Kathrin vorgeschlagen hatte: „Sie sollten Dr. Brentano auf unsere Kollegin ansetzen. Er bekommt vielleicht wirklich etwas aus ihr heraus. Oder er kann uns selbst etwas zu der Patientin und unserer Kollegin sagen."

„Aber es sollte schnell vor sich gehen... Wir haben laut den aktuellen Werten... Wenn ich die Werte mit den Letzten vergleiche... Haben wir nicht mehr viel Zeit...", deutete Kathrin auf die beiden Laborergebnisse von Laura, die in der Akte hinterlegt waren.
Kaminski betrachtete die beiden Zettel und verglich die Werte. „Sie haben Recht. Das sieht alles nicht gut aus... Laura wird wohl in Kürze mit der Chemo anfangen müssen. Die Leukämie nimmt ihr zusehends immer mehr die Kraft..."

„Vielleicht ist es auch nur der fehlende Lebenswillen der Patientin.", fiel Brenner dem Urologen ins Wort. „Ich habe vorhin noch einmal nach Laura Falken gesehen. Sie sah sehr... mitgenommen aus, als sie alleine in ihrem Zimmer war. Ich glaube, sie vermisst ihre Mutter..."
„Wir haben mit Frau Falken sowieso noch ein Wörtchen zu reden.", fiel Kathrin ein, doch Hans-Peter schüttelte den Kopf. „Ich meine doch nicht Frau Falken. Das ist die Adoptivmutter von Laura. Ich meine unsere Frau Dr. Peters... Das ist doch die leibliche Mutter..."
„Brenner...", fuhr Kaminski den Neumediziner böse an. „Das gehört jetzt nicht hierher."

„Wissen sie etwas, was ich noch nicht weiß?", wollte Kathrin neugierig wissen und Kaminski und Brenner setzten sich vor Kathrins Schreibtisch auf die zwei freien Stühle.
„Ich habe gestern zufällig mitbekommen... Dass Frau Dr. Peters wohl die leibliche Mutter von Laura Falken ist. Und dass... Die Adoptivmutter eine ehemalige Freundin von Dr. Peters war... Es gab damals, nach Lauras Geburt, wohl einen Streit zwischen den beiden. Aber mehr weiß ich auch nicht.", erklärte Kaminski und Kathrin nickte.
„Schön, dass ich so etwas auch einmal erfahre. Bevor es die Runde macht. ... Haben sie Dr. Heilmann denn schon davon in Kenntnis gesetzt, dass Laura Falken dann wohl die Tochter von Dr. Peters ist?"
„Er weiß es schon.", gab Hans-Peter zu und Kathrin nickte erneut, bevor sie fragte: „Und Dr. Stein als der behandelnde Arzt von Laura..." „Weiß es noch nicht.", war Kaminskis Antwort und Kathrin fügte an: „Ich will die Kollegen Stein, Heilmann und Kaminski..." Kathrins Blick fiel auf den Urologen. „in einer halben Stunde im Ärztezimmer sprechen. Und sie, Herr Brenner... brauche ich später auch bei dem Gespräch..."



Inzwischen hatte Laura wieder Ruhe vor ihrem behandelnden Arzt, der eben mit dem Fieberthermometer in der Hand wieder aus dem Zimmer gegangen war.
Nachdenklich ließ die knapp Sechzehnjährige die Sekunden und Minuten an sich vorbeiziehen, während sie überlegte, wie sie am besten zu ihrer kleinen Schwester Maja ins Zimmer kam.

„Ich muss doch irgendwie hier rauskommen...", wusste Laura und zog den Rollstuhl, der neben ihrem Bett stand, noch ein wenig näher heran. Dann drückte sie sich mit beiden Händen hoch und versuchte, aufrecht neben dem Krankenbett zu stehen, was ihr allerdings mehr als schwer fiel.
„Ich kann jetzt nicht hier liegen bleiben, während meine Schwester auf mich wartet. Das ist nicht gerecht... Mir geht es doch gut...", wusste die fünfzehnjährige, sehr eigenwillige Patientin und setzte, auf den Rollstuhl gestützt, einen Fuß vor den anderen.
„Na, sehr gut. Geht doch...", fiel ihr auf und langsam schlich sie aus dem Zimmer, nachdem sie sich versicherte, keinen der Ärzte aufgeschreckt zu haben.

Sehr gut, alle waren beschäftigt; es lief wohl gerade die Visite, wusste Laura und sie machte sich schnurstracks auf den Weg zum Fahrstuhl.

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt