„Sag mal, Kleines... Was machst du denn mit mir? Ich sehe aus, als wäre ich im fünften oder gar sechsten, siebenten Monat schwanger. Und nicht im vierten... Kleines, du kannst doch nicht einfach..." Lea streichelte sich selbst über ihren Bauch, als Oberschwester Arzu an ihr vorbeikam.
„Haben sie Probleme, Dr. Peters?", fragte die mit Schwangerschaften erfahrene Oberschwester, doch Lea schüttelte den Kopf und erwiderte: „Machen sie sich keine Gedanken; mir geht es wirklich sehr gut, Schwester... Oberschwester Arzu... Ich bin kurz oben auf der Gynäkologie, ich muss etwas nachprüfen. Wenn mich jemand sucht. ... Und anschließend möchte ich noch einmal nach meiner Tochter sehen..."
„Das können sie gerne tun, Frau Dr. Peters. Laura Estelle wartet doch auch schon sehnsüchtig auf ihre Mutter, Frau Dr. Peters.", erklärte Arzu und stach Lea damit einen Dolch ins Herz.
Es tat der erfahrenen Neurochirurgin im Herzen weh, ihre schwer an Krebs erkrankte Tochter nicht durchgehend besuchen zu können; aber der Alltag musste weitergehen und die Patienten der Ärztin mussten versorgt werden.
„Frau Dr. Peters... Soll ich die Ultraschalluntersuchung bei ihnen machen?", bat Arzu an, die ihre Hand auf Leas Arm legte. Doch die Ärztin zog ihren Arm weg und erwiderte: „Nein, auf keinen Fall. Ich bin Ärztin; ich kann das selbst. Was denken sie, wie oft ich schon bei schwangeren Patientinnen eine Ultraschalluntersuchung durchführen musste? Da haben sie noch ihre Ausbildung gemacht, Frau Ritter..."
„Aber sie fühlen sich nicht gut, Frau Dr. Peters. Lassen sie mich doch bitte die Untersuchung durchführen... Machen sie sich keine Sorgen, ich werde weder Philipp, noch den anderen Ärzten etwas davon erzählen.", versprach Arzu, doch Lea schüttelte wieder den Kopf und erwiderte erneut mit ernster Stimme, sie könne selbst die Ultraschalluntersuchung bei sich durchführen.
„Sie werden doch sicher auch noch auf der Station gebraucht, Oberschwester. Machen sie sich um mich keine Gedanken.", gab Lea zurück und machte sich auf den Weg zur Gynäkologieabteilung, wo sie in einem freien Behandlungsraum die Fenster verdunkelte, auf der Liege Platz nahm und ihren Kittel öffnete. Anschließend schob sie ihr eng anliegendes Poloshirt nach oben und fuhr sich mit dem Ultraschallkopf über den Bauch, auf dem sie vorher ein wenig Gel aufgetragen hatte.
„Na, dann zeig dich mal, Kleines. ... Hier bist du ja schon.", flüsterte Lea und sah auf den Monitor des Ultraschallgerätes. „Ein schönes Köpfchen hast du, Kleines. ... Und da ist... dein Zwilling... Aber ihr seid doch auch älter, als 14 Wochen. Ihr seid doch schon mindestens... 20 Wochen in meinem Bauch..."
Leas Herz machte einen Sprung, als sie ein zweites schlagendes Herz auf dem Monitor des Ultraschallgerätes sah.
„Mein Kleines... Du hast deinen kleinen Bruder oder deine kleine Schwester immer sehr schön vor dich geschoben. Was machen wir denn mit dir?", flüsterte Lea und streichelte vorsichtig über ihren Bauch. „Mein kleines Mädchen. Schau mal, dein kleiner Bruder... oder deine kleine Schwester... möchte bald auf die Welt kommen... Aber bis es soweit ist, passen wir auf eure große Schwester auf. Laura braucht uns drei im Moment ganz doll."
Laura Estelle schlich sich einfach immer wieder ins Gedächtnis ihrer Mutter und die Ärztin versuchte, wenigstens jetzt in dem Moment ihre Tochter zu vergessen, wenn sie sich ihre Zwillinge ansah.
Nach ihrer Selbstuntersuchung betrat Lea mit vorsichtigen Schritten das Zimmer ihrer in einer tiefen Narkose liegenden Tochter, aus deren Hals ein langer Schlauch ragte.
„Laura... Laura, mein Kleines. Ich bin es, deine liebe Mama. ... Ich habe eine wunderbare Nachricht für dich. Deine kleine Schwester ist nicht allein in meinem Bauch. Ich bekomme zwei Babys. Du wirst zweifache große Schwester... Wenn du doch nur aufwachen würdest... Wenn du nur wach sein würdest... Und ich dir erzählen könnte, dass da noch ein zweites Baby ist.", flüsterte die liebevolle Ärztin ihrer großen Tochter ins Ohr, als Roland und Kathrin ebenfalls das Zimmer von Laura betraten und der Klinikchef an Lauras Stirn griff.
„Frau Dr. Peters, wie geht es ihnen?", erkundigte sich Anästhesistin Kathrin währenddessen bei Lea und die besorgte Neurochirurgin zuckte kurz mit den Schultern, während sie einen besorgten Blick in die aufgeschlagene Krankenakte ihrer Tochter warf.
„Ist alles mit Laura soweit in Ordnung? ... Ich meine, liegt die Einverständnis von Lauras Adoptivmutter endlich vor? Können sie die Punktion machen?"
„Leider liegt die Einverständnis von Frau Falken noch nicht vor, Frau Dr. Peters. Ich habe mich jetzt ans Jugendamt gewandt; der dortige Sachbearbeiter hat den Fall übernommen und wird mit Sicherheit in Kürze eine Entscheidung getroffen haben, wie es mit Laura weiter geht."
„Herr Dr. Heilmann... Ein gewisser Herr Ölfeld möchte mit ihnen sprechen. Er sagt, er käme vom Jugendamt hier in Leipzig... Wegen Laura Estelle Falken...", erklärte die ins Zimmer tretende Krankenschwester, während Roland auf die Patientin sah und vorsichtig über die sehr heiße Stirn strich.
„Gut, ich komme gleich.", gab Roland als Antwort und machte sich auf den Weg zum Empfang, wo der Mitarbeiter des Leipziger Jugendamtes schon wartete.
„Guten Tag, ich bin Dr. Heilmann. Ich bin hier der Klinikchef." „Hannes Ölfeld, Jugendamt Leipzig. Es geht um ihre Patientin Laura Estelle Falken...", erklärte sich der Jugendamtsmitarbeiter und Roland nickte.
„Ich habe nicht gedacht, dass sie so schnell hier sein können. ... Der Patientin geht es leider momentan sehr sehr schlecht. Wir haben bereits schon einmal mit der leiblichen Mutter von Laura Estelle gesprochen; unsere Kollegin Dr. Peters..."
„Ja, Dr. Lea Peters... Sie war erst vor einigen Tagen bei uns im Amt und hat die Adoption ihrer Tochter rückgängig machen wollen. Wir haben uns bereits darum gekümmert, dass der Fall vor das Familiengericht kommt. Es gab wohl bei der Adoption einige Unstimmigkeiten."
„Das hat Frau Dr. Peters erzählt. Allerdings nicht, dass sie schon bei Ihnen auf dem Jugendamt war. Wir haben allerdings bei der Patientin Falken... ein großes Problem vorliegen, weswegen ich entweder schnellstens mit der Adoptivmutter sprechen muss oder das Jugendamt eine Entscheidung treffen muss. Aufgrund der Diagnose müssen wir bei Laura eine Knochenmarkbiopsie durchführen... Die Adoptivmutter hat dem Eingriff noch nicht zugestimmt.", machte Roland dem Mitarbeiter des Leipziger Jugendamtes klar, während er auf dem Weg zu Laura auf Martin traf.
Der Oberarzt schien momentan mit seinem Freund auf Kriegsfuß zu stehen, denn er grüßte den Klinikchef nicht, sondern lief stur weiter. Roland sah Martin noch lange hinterher, bis er und Herr Ölfeld bei Laura auf der Intensivstation waren und durch die Scheibe auf die Patientin sahen.
„Da liegt Laura Estelle... Wir mussten die Patientin nach einer sehr schweren Komplikation hierher auf die Intensivstation verlegen, sie hatte einen Herzstillstand. Momentan ist Dr. Peters bei Laura und kümmert sich um ihre Tochter. Aber sie darf rein rechtlich ja nicht über das weitere Vorgehen entscheiden."
„Wir haben beim Familiengericht noch einmal angefragt, dass wir möglichst schnell mit einer Entscheidung rechnen können. Aber das dauert trotzdem ein paar Wochen, bis der Richter darüber entschieden hat, wie es mit Laura weiter geht. ... Momentan ist offiziell noch die Adoptivmutter von Laura für die Gesundheitsfürsorge ihrer Patientin zuständig."
„Deswegen hab ich mich mit ihnen in Verbindung gesetzt, Herr Ölfeld. Wir können nicht noch länger warten. Das Ergebnis der Untersuchung ist wichtig für unser weiteres Vorgehen, wie wir Laura weiter behandeln.", machte Roland dem Beamten klar und der nickte.
„Das ist mir klar; meine Ex-Frau ist Krebsspezialistin in München. Ich habe durch sie schon eine ganze Menge mitbekommen, wenn sie mal wieder im Internet wegen ihren Patienten recherchiert hat. ... Ich kann ja verstehen, dass für sie momentan jeder Tag zählt. Aber es geht nicht so schnell, Dr. Heilmann."
„Dann können sie in ein paar Wochen, wenn dann endlich eine Entscheidung vorliegt, Laura auf dem Friedhof besuchen!", fuhr Roland den Beamten an. „Wir können nicht noch länger warten; wenn wir nicht schnellstens die Untersuchung durchführen können, dann stirbt uns die Patientin unter den Händen weg. Und wollen sie das dann Frau Dr. Peters erklären?"
„Dr. Heilmann...", wurde der Klinikchef plötzlich von einer Stimme angesprochen, die der Mediziner schon einmal gehört hatte.
„Frau Falken... Das ist ja eine Überraschung, sie zu sehen. Wollen sie Laura Estelle vielleicht jetzt noch einmal besuchen kommen? ... Sie wartet schon auf sie...", fragte Roland erfreut, die Adoptivmutter seiner fünfzehnjährigen Patientin zu sehen und er blickte auf die Schülerin, deren Hand seine Kollegin Dr. Peters fest in ihrer hielt. „Sie haben sich wohl doch dafür entschieden, sich um Laura zu kümmern."
„Nein, Dr. Heilmann. Ich bin nicht hier, um... Um Laura zu besuchen. Und ich werde auch zu der geplanten Untersuchung meiner Tochter... mein Einverständnis nicht geben. Ich... Ich wollte Laura abholen. Aber wie ich sehe, kann ich das wohl..." Stefanies Blick fiel auf die intubierte Sechzehnjährige und Roland nickte. „Sie können das wohl vergessen, Laura abzuholen. Ihrer Adoptivtochter geht es sehr schlecht; wir müssen schnellstens die Biopsie durchführen, wenn wir noch eine Chance haben wollen, um Laura zu retten. Geben sie uns bitte... die Einverständnis, die Untersuchung durchzuführen..."
„Um dann meiner Tochter Schmerzen zufügen zu lassen? Oder wie stellen sie sich das vor, Dr. Heilmann. Nein! Ich sehe es nicht ein, dass meine arme kleine Laura hier noch unnötig leiden muss. Ich werde sie heute noch hier aus der Klinik holen. Mir ist es egal, wie ich MEINE leibliche Tochter hier raus kriege. Aber ich kann sie nicht noch tagelang hier einer Gefahr aussetzen, dass sich... Lea... Frau Dr. Peters auch noch an MEINER großen Tochter vergreift. Lea hat schon mein Baby auf dem Gewissen; ja, ihre so hochgelobte Kollegin ist schuld, dass meine kleine Tochter damals gestorben ist. Sie hätte meine kleine Hanna viel früher behandeln müssen. Aber nein, eine Frau Dr. Peters hat lieber..."
„Frau Falken! Sie lassen es zu, dass Laura Estelle stirbt! Wenn wir durch die Biopsie nicht die Form der Leukämie bestimmen können, ist es ein Tanz auf einem brennenden Bindfaden, die richtige Therapie einzuleiten.", machte Roland der Adoptivmutter von Laura noch einmal klar, doch die schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich werde es einfach nicht zulassen, dass meine Tochter auch noch stirbt! Lea hat schon meine leibliche Tochter auf dem Gewissen. Jetzt soll sie merken, wie es ist, sein Kind zu verlieren..."
Die Stimme von Stefanie verhallte im Raum, als das Handy von Herrn Ölfeld klingelte. „Der Chef vom Jugendamt... Hannes Ölfeld. ... Nein, ich bin hier noch immer in der Sachsenklinik, bei Laura Estelle Falken. ... Ja, das können wir selbstverständlich sofort machen. ... OK, ich sage dem Klinikchef gleich Bescheid. Da wird er sich freuen. ... Ja, vielen Dank. ... Und das heißt, nächste Woche wird dann... entschieden, wie es mit Laura Estelle weiter geht? ... In Ordnung, ich sage den Beteiligten das so. Vielen Dank, Chef."
Herr Ölfeld steckte sein Handy wieder in die Hosentasche zurück.
„Der Chef hat jetzt im Eilverfahren hinbekommen, dass ihrer Kollegin Dr. Lea Peters die Gesundheitsfürsorge für Laura Estelle erst einmal übertragen wird. Ab jetzt kann sich die leibliche Mutter von Laura in diesem Fall um ihre Tochter kümmern.", gab Herr Ölfeld nach dem Telefonat mit seinem Chef dem Klinikleiter Bescheid, doch damit schien die Adoptivmutter von Laura nicht einverstanden zu sein.
Lauthals brüllend wehrte sich Stefanie sogleich dagegen, dass sie ausgerechnet in dieser Situation nichts mehr für Laura tun konnte.
„Ich lasse das nicht zu, Dr. Heilmann. Sie können Laura nicht so großen Schmerzen aussetzen wollen. Ich habe selbst Medizin studiert; ich weiß, was es bedeutet, wenn eine Patientin zu einer Knochenmarkbiopsie soll. Und, es tut mir sehr leid... Auch, für Lea. Aber ich bin damit nicht einverstanden, dass... Dass sie... Was passiert denn, wenn irgendwas während dieser... Biopsie... schief geht? Sie können doch gar nicht abschätzen, dass... Ob Laura die Biopsie wirklich ohne Folgeschäden übersteht... Was ist, wenn sie während der OP einen Nerv durchschneiden? Oder wenn sie Laura... sonst in irgendeiner Weise verletzen?"
„Das passiert nur äußerst selten, Frau Falken. Und das wissen sie genauso gut, wie ich. ... Ich möchte jetzt auch nicht mehr mit ihnen diskutieren. Ich werde mir Laura jetzt noch einmal ansehen und anschließend für die Operation vorbereiten. ... Denken sie, mir fällt es so leicht, eine so junge Patientin wegen einer schweren Krebserkrankung behandeln zu müssen? Und dann auch noch... während eines Rezidivs? ... Mich lässt es auch nicht unbedingt kalt, dass Laura... Leukämie hat. Aber ich kann dagegen nichts tun; genauso wenig, wie sie, Dr. Heilmann. ... Wir müssen uns wohl oder übel damit beschäftigen, wie wir Laura den Rest ihres Lebens..."
„JETZT HÖREN SIE ABER MAL AUF!", wurde Roland etwas lauter und Stefanie zuckte kurz zusammen. „Wir haben noch alle Chancen, das Leben von Laura Estelle wirklich zu retten. Bei uns in der Klinik wird erst gestorben, wenn wir aufgeben. Und Laura Estelle geben wir noch nicht auf; jetzt noch nicht. ... Unsere Frau Dr. Peters ist eine wunderbare Ärztin, die sich rührend um IHRE leibliche Tochter kümmert, seit Laura Estelle überhaupt hier bei uns in der Klinik liegt. Ich bin froh, dass sich unsere Kollegin um Laura kümmern kann..."
„Sie wird sich nicht mehr lange um Laura kümmern können. Weil ich Laura nämlich mitnehmen werde. ... Nächste Woche ziehe ich nach Sydney. Und dorthin werden mich meine DREI Kinder begleiten. Nina, Laura und Maja werden sich in Australien wohlfühlen."
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Leas Baby
FanfictionSchwanger - für Lea Peters die schockierendste Nachricht, die sie jemals bekommen konnte. Wo sie sich doch erst vor einigen Wochen von ihrem Lebensgefährten getrennt hatte. Nun steht sie vor einem Rätsel... Soll sie das Baby bekommen? Und dann tauch...