Folge 5 - Teil 4: erneute Sorgen um Laura

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In der Zwischenzeit saß Jenne wieder am Bett bei Laura und streichelte seiner Stieftochter vorsichtig über den Kopf. „Laura... Deine Mama kommt gleich wieder...", versprach er der knapp Sechzehnjährigen. „Weißt du, sie ist nur kurz in die Notaufnahme gerufen wurden. Aber ich verspreche dir, Laura. Sobald deine Mama auch nur eine halbe Minute Zeit für dich findet, wird sie sich wieder an dein Bett setzen."

Das regelmäßige Piepen der Überwachungsgeräte, die die kleinsten Veränderungen von Lauras Zustand sofort mit einem lauten Piepton anzeigten, vermischte sich mit den leisen Worten des Stiefvaters der Sechzehnjährigen und während er Laura vorsichtig über die feuchte Stirn streichelte, merkte Jenne, wie groß seine Sorge um die Schülerin schon jetzt war.

„Laura... Maus, du musst mir versprechen, dass du wieder ganz gesund wirst. Egal, was zwischen dir und deinem richtigen Papa passieren wird, wenn er dich besuchen kommt. Aber du musst wieder gesund werden.", flüsterte Jenne beruhigend.

Die Tür von Lauras Zimmer wurde nach einer Weile ganz vorsichtig geöffnet und Lea steckte ihren Kopf herein, bevor sie hereintrat und sich wieder ans Bett ihres Kindes setzte.
„Was ist denn um Gottes Willen passiert, Lea? Ist irgendwas mit... Ist etwas mit unseren Zwillingen nicht in Ordnung? Fehlt dir etwas? Oder... Ist irgendetwas mit der Tochter von Laura?", fragte Jenne, als ihm der Blick von Lea auffiel, der nichts Gutes bedeuten konnte.
„Paul... Paul wurde zusammengeschlagen; vermutlich von Stefanie. Er selbst kann sich nur schemenhaft daran erinnern. Ich gehe davon aus, dass er wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung hat. ... Aber was mir noch mehr Sorgen bereitet... Jenne, die Kleine ist verschwunden. Er war mit Nina... Emily unterwegs und seitdem er zusammen geschlagen wurde, ist das Baby verschwunden. Philipp... Dr. Brentano will jetzt die Polizei einschalten; vielleicht können wir die Kleine schnell finden... Aber ich bin momentan sehr guter Dinge, dass wir die Kleine heute noch wieder in die Arme schließen können...", hoffte Lea, doch Jenne hörte einen leicht befürchtenden Unterton heraus und er fragte: „Lea? Bist du dir sicher, dass... die Kleine schnell wieder gefunden wird?"
„Ich weiß es nicht, Jenne! Sie ist vermutlich von Stefanie entführt wurden. Wer sollte sonst daran interessiert sein, die Kleine bei sich zu haben! Am liebsten würde ich Stefanie und Bernd einen kleinen Besuch abstatten, aber... Aber ich glaube nicht, dass... Dass Stefanie zu Hause anzutreffen ist. Besonders nicht, wenn sie befürchten muss, dass die Entführung von Emily schnell ans Licht kommen könnte."

Erneut öffnete sich die Tür und ein Polizist trat ins Zimmer. „Frau Dr. Peters?" „Ja... Was wollen sie von mir?", erkundigte sich Lea bei dem Beamten und der stellte sich vor: „Mein Name ist Mannberger; Polizeidirektion Leipzig. ... Ihr Kollege Dr. Brentano hat uns gerufen. Es geht um einen Fall von schwerer Körperverletzung mit Kindesentführung? Ihre kleine Enkelin... Emily... ist entführt wurden?"
„Paul... Der Freund meiner Tochter... wurde mit einer Kopfplatzwunde und dem Verdacht auf eine Gehirnerschütterung bewusstlos in die Klinik eingeliefert. Er war mit meiner kleinen Enkelin Emily unterwegs... Allerdings fehlt von dem Säugling jede Spur.", erklärte Lea dem Polizisten und warf einen Blick auf Laura. „Können wir bitte ein paar Schritte vor die Tür gehen? Laura liegt zwar im künstlichen Koma, aber wir wissen nicht, ob sie trotzdem etwas von ihrer Umgebung mitbekommt..."



Während sich in Leipzig seine Ex-Freundin nun nicht nur um die gemeinsame Tochter Laura sorgen musste, sondern auch um deren kleine Tochter Emily, telefonierte Markus noch einmal mit der Leitung der Klinik, in der er übermorgen ein Vorstellungsgespräch hatte.

„Sie müssen doch verstehen, dass ich... wegen meiner kleinen Tochter Lilly nicht so einfach von jetzt auf gleich hier aus Hamburg weg kann. Ich habe zwar mit meinem Bruder geklärt, dass er sich in den nächsten Tagen um Lilly kümmert, aber das ist auch keine Dauerlösung. ... Ja, natürlich bin ich sehr gerne bereit, an ihrer Klinik anzufangen. Aber sie müssen auch mich als alleinerziehenden Vater einer knapp sechsjährigen Tochter verstehen. ... Na, sehen sie. ... Ja, ich werde am Montag natürlich bei ihnen in der Klinik vorbei schauen. ... Ja, das ist kein Problem. ... In Ordnung. Ihre Adresse habe ich mir schon längst notiert. ... Ja, danke. Bis Montag."

Markus beendete das Telefonat mit der Verwaltungschefin der Klinik und griff anschließend zu einer der Krankenakten, die auf einem Stapel am Schreibtischrand lag.
Die kleine Julia Hinze, eine acht Jahre alte Autistin, die von ihrer Mutter in der Nacht mit einer schweren Lungenentzündung in die Klinik eingeliefert wurden war, brauchte momentan genauso die Hilfe von Markus, wie andere Patienten.
Plötzlich klopfte es an der Bürotür des Oberarztes an und nach einigen Sekunden trat Dr. Soraya Najafi ins aufgeräumte Büro des Kinderarztes.

„Markus? Hast du nochmal mit Lea telefoniert? Weiß sie, dass du dich jetzt auf den Weg zu eurer gemeinsamen Tochter machst?", fragte die Perserin ihren Kollegen, doch der schüttelte den Kopf und erwiderte: „Nein... Nein, ich habe nicht mehr mit Lea telefoniert. Ich habe mit meiner neuen Chefin gesprochen; wegen dem Vorstellungsgespräch übermorgen in Leipzig. ... Danach kann ich ja kurz zu meiner Tochter ins Krankenhaus fahren."

„Weißt du, in welchem Krankenhaus deine Tochter liegt?", erkundigte sich Soraya, doch Markus schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich werde nach dem Termin mal kurz bei Lea anrufen. Sie wird mir schon sagen, wo unsere Tochter liegt. Ansonsten... Ich bin Arzt, meine Kollegen werden mir schon sagen können, wo Laura liegt. Außerdem gibt es in Leipzig nicht viele Krankenhäuser."

„In welcher Klinik hast du eigentlich das Vorstellungsgespräch, Markus?", wollte Soraya wissen, doch ihr Kollege und guter Freund wehrte eine Beantwortung der Frage kategorisch ab. „Das wirst du schon sehen, wenn ich dich anrufe... Wir können nach dem Gespräch gerne miteinander telefonieren."
„Aber fahr wirklich zu deiner großen Tochter ins Krankenhaus. Wenn sie sterben sollte und du hast dich einfach nicht um Laura gekümmert... Dann wirst du dir das dein ganzes Leben vorwerfen. Wenn du jetzt in den vielleicht letzten Tagen im Leben deiner Tochter deine Große komplett im Stich lässt... Das wirst du dir nicht mehr verzeihen können, Markus. Glaub mir.", erklärte Soraya ihrem Kollegen und verließ das Büro ihres guten Freundes wieder, bevor sich Markus noch einmal ans Telefon setzte und die Nummer seiner Ex-Freundin Lea wählte, doch die Neurochirurgin ging nicht an ihr Handy.



Die ganze Nacht hatten Jenne und Lea an Lauras Bett gesessen und beobachteten abwechselnd den Zustand der Sechzehnjährigen, der sich zum Glück weder verschlechterte, noch, zu Leas und Jennes Bedauern, während der Nacht um ein Vielfaches verbesserte.

„Guten Morgen, mein Liebling...", flüsterte Lea ihrer Tochter liebevoll ins Ohr, als Schwester Ulrike die Patientin besuchte und dabei Jenne und die Ärztin weckte. „Wie geht es dir denn heute Morgen, mein kleiner Engel? Hast du denn gut schlafen können? ... Schwester Ulrike... Was haben sie jetzt vor?", wollte Lea wissen, als sie die Nadel sah, mit der Ulrike der Sechzehnjährigen zu nahe kam.
„Dr. Heilmann hat angewiesen, ich solle Laura noch einmal ein wenig Blut abnehmen. Er will noch einmal ein komplettes Labor machen. ... Aber wenn sie lieber die Blutprobe bei ihrer Tochter nehmen wollen... Das ist gar kein Problem, dann sage ich schon einmal Dr. Lindner Bescheid, dass er jetzt nach der Patientin sehen kann. Er wollte sie beide nur schlafen lassen..."

Auch Jenne, der von den Geräuschen geweckt wurde, sah erschöpft auf seine Stieftochter, die leicht zitternd in ihrem Krankenbett lag. „Laura? Lea, was ist mit ihr?", sorgte sich Jenne sofort um die Sechzehnjährige, als er merkte, dass es Laura wohl immer noch schlecht ging. „Hat sie... Was ist mit Laura?"
„Sie friert ein wenig. Aber es wird dir gleich wieder warm, Laura. Hab keine Angst." Behutsam deckte Lea die Bettdecke, die auf der Brust ihrer Tochter lag, noch ein wenig höher, bevor sie den linken Arm von Laura aus der Wärme holte.

„Laura, mein kleiner Liebling. Ich muss dir jetzt leider ein kleines bisschen wehtun. Aber es ist gar nicht schlimm, mein Schatz. Mach dir keine Sorgen, es tut dir nur einmal ganz kurz weh...", flüsterte die Neurochirurgin ihrer Tochter liebevoll ins Ohr.

„Du willst ihr doch jetzt... nicht etwa... Blut abnehmen?", vermutete Jenne und griff automatisch nach der rechten Hand seiner Stieftochter, die noch immer zitterte und, trotz ihres Komas, sogar auch noch mit den Zähnen klappern konnte.
„Sie wird von der Abnahme nichts spüren. Und wenn sie Angst bekommen sollte, dann sind wir beide ja da und können sie im Notfall ein bisschen beruhigen, um ihr die Angst zu nehmen.", erklärte Lea ihrem Lebensgefährten und desinfizierte schon die linke Armbeuge der Schülerin, die vor der Ärztin auf dem Bett lag. „Zur Sicherheit legen wir noch etwas drunter... Bei deiner Erkrankung kann es noch eine ganze Weile nachbluten, wenn wir dich kurz pieksen. ... Keine Angst, Laura. Du wirst wieder gesund, mein kleiner Liebling.", versprach die Neurochirurgin und griff zu der Nadel, die ihr Schwester Ulrike reichte.

„Jenne, hältst du Lauras Arm kurz fest? Sie hat bestimmt Schmerzen...", vermutete Lea und wollte gerade mit der Nadel in die Armbeuge ihrer schwerkranken Tochter stechen, doch plötzlich spürte die Ärztin einen tiefen Stich in ihrer Brust.

Was tat sie hier? Was tat sie ihrer überängstlichen „kleinen" Tochter nur an? Hatte ihre arme, kleine Laura durch ihre schwere Erkrankung nicht schon genug zu leiden? Musste die Mutter, die sich die ganzen Jahre nicht um ihr Kind gekümmert hat, jetzt auch noch ihrem eigenen Kind Schmerzen zufügen? Schmerzen, die Laura nicht verdient hat?
„Ich... Ich kann das nicht...", seufzte Lea und legte die Nadel zurück in die Nierenschale, die neben ihr auf dem Bett von Laura stand. „Ich kann ihr jetzt nicht auch noch Blut abnehmen. Sie hat bestimmt große Schmerzen... Ich weiß, wie meine kleine Laura auf Spritzen reagiert..."

„Frau Dr. Peters... Ihre Tochter liegt im künstlichen Koma; sie spürt von der Abnahme nichts.", versprach Ulrike, doch Lea schüttelte den Kopf. „Trotzdem... Ich will mir nicht vorwerfen müssen, meiner Tochter unnötige Schmerzen zugefügt zu haben. Lieber lasse ich mich bei lebendigen Leib am offenen Herzen operieren, als meinem Kind... als meiner armen Laura weh zu tun...", wusste die Neurochirurgin und sah die hinter ihr stehende Krankenschwester an. „Nehmen sie bei Laura die Blutprobe, ich halte daweile den Arm meiner tapferen Kleinen fest..."
„In Ordnung... Dann mache ich das mit der Blutabnahme bei Laura... Laura, pass auf. Es wird gleich noch einmal ein bisschen kalt an deinem Arm...", warnte Ulrike und sprühte noch einmal ein wenig Desinfektionsmittel auf Lauras Armbeuge.

Der Puls von Laura wurde wieder um einiges schneller und Lea legte ihren Zeige- und Mittelfinger auf die große Halsschlagader ihrer Tochter, während Ulrike mit Jenne sprach.
„Laura bekommt vermutlich sehr viel mehr mit, als wir denken.", vermutete der Tischler und legte seiner Stieftochter ihren neuen Plüschhund in den Arm. „Du wirst nichts merken, Laura. Mach dir keine Sorgen. Es tut dir gar nicht weh, wenn Lea und ich deine Hand halten. ... Laura, merkst du, dass Mama und ich bei dir sind. Süße... Merkst du das? Meine Große... Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir... Solange ich in deiner Nähe bin, wird es dir besser gehen. Ich habe sogar schon mit ein paar meiner Kollegen gesprochen, die wollen dir alle helfen... Und gestern hab ich mit deinem Papa telefoniert; ich denke, ich habe ihn endlich soweit, dass er dich hier im Krankenhaus besucht..."

Lea, die den rechten Arm ihrer Tochter fest mit ihrer Hand auf dem Bett der Sechzehnjährigen fixierte, versuchte, sich selbst ein wenig die Angst zu nehmen, ihre Tochter könnte während der Blutabnahme starke Schmerzen erleiden.
„Laura... Laura, mein kleiner Liebling. Die Schwester Ulrike passt auf, dass dir bei der Blutabnahme nichts wehtut. Versprochen, mein Engel. Es wird alles wieder gut. Ich bin bei dir, solange du mich brauchst...", versprach Lea ihrer Tochter, als Ulrike schon die Nadel in Lauras Armbeuge verschwinden ließ und erste Blutstropfen in dem Röhrchen verschwanden.
„Siehst du, Laura. Da hast du es auch schon gleich geschafft. Und nachher schaut Dr. Heilmann noch einmal nach dir, wenn er Zeit hat... Frau Dr. Peters, Dr. Heilmann und Dr. Globisch wollen später noch wegen Laura mit ihnen sprechen...", wandte sich die Krankenschwester an die leichenblasse Lea, die bei jeder Betrachtung der Nadel im Arm ihrer Tochter ihr schwer krankes Kind sofort schreien hörte.

'Sie hat keine Schmerzen, Lea. Ihr tut nichts weh... Laura hat keine Schmerzen', sprach sich die Ärztin selbst beruhigend zu, doch wieder blickte die erfahrene Chirurgin auf die Anzeige der Überwachungsgeräte, die einen erhöhte Pulsfrequenz anzeigten. „Laura, ganz ruhig. Wir werden dir nicht wehtun, Liebling. Du brauchst gar keine Angst zu haben, ich bin bei dir, mein kleiner Liebling. ... Und dein Papa kommt dich auch bald besuchen. Das verspreche ich dir hoch und heilig. In ein paar Stunden bist du nicht mehr so alleine, wenn Jenne und ich nicht bei dir sein können. Dann sitzt dein Papi an deinem Bett..."
Die beruhigenden Worte von Lea hatten ihrer Tochter gut geholfen und Laura ließ sich ganz tapfer ein wenig Blut abnehmen. Ulrike tat das auch ganz vorsichtig und streichelte während der Abnahme über Lauras Arm, in dem noch immer die Nadel steckte.

„Sooo, Laura. Nur noch ein Röhrchen, dann hast du es auch schon geschafft. Lauuura, ganz still liegen blieben. Es ist ja gleich wieder gut... Du bist diese ganz schrecklich bitterböse Nadel gleich wieder los."

„Von ihrem Vater würde sie sich bestimmt ganz tapfer Blut abnehmen lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie bei Markus Theater machen würde.. "

„Haben sie es denn noch einmal versucht.. Laura, ganz ruhig... Haben sie es denn schon einmal versucht, ihren Ex-Freund... Also, ich meine Lauras leiblichen Vater hierher in die Klinik zu lotsen, dass er ihnen und ihrer Tochter in den nächsten Tagen und Wochen beistehen kann?" „Deswegen war ich doch nicht da... Ich war in Hamburg, bei meinem Ex-Freund. Aber als ich ihm gesagt hatte, was unserer gemeinsamen Tochter fehlt, hat er komplett zugemacht und sich entschieden, lieber in Hamburg zu bleiben... Er interessiert sich nicht mehr für unser Kind. Er hat sich auch nie besonders für unsere kleine Laura interessiert..."
„Er wusste ja auch nichts von seinem Glück, Lea. Genauso wenig, wie ich von unseren Zwillingen erfahren hätte, wenn ich nicht zufällig hier in der Klinik gewesen wäre...", erinnerte Jenne seine Lebensgefährtin noch einmal an die vergangenen Tage.

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