Folge 4 - Teil 10: „Laura ist unsere gemeinsame Tochter, Markus!"

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„Tante Lea... Tante Lea... Kannst du mir bitte noch etwas vorlesen? Bitte bitte bitte bitte bitte... Tante Lea... Du bist doch bloß heute Nacht bei Papa und mir. Lies mir bitte noch etwas vor...", bettelte Lilly, als Lea dem in ihrem Bett liegenden fünfjährigen Kindergartenkind eigentlich nur eine gute Nacht wünschen wollte.
„Wo meine Kleine recht hat.", wusste Markus, der an Lillys Bett saß und seiner Tochter gerade einen liebevollen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. „Du bist nur heute hier bei mir und der Kleinen in Hamburg zu Besuch. Morgen sind wir beide schon in Leipzig und meine kleine Lilly muss alleine bei meinem Bruder schlafen... Lies der Maus doch noch etwas vor, Lea. Ich warte dann schon im Wohnzimmer auf dich, bis du wieder kommst... Dann können wir über Laura sprechen."

„Na gut... Dann setze ich mich eben noch ein paar Minuten an dein Bett, bis du eingeschlafen bist, Lilly. Du hast mich überzeugt, Maus. Aber dann gehe ich auch in mein Bett und schlafe. Ich hatte heute Morgen schon seit halb sieben Dienst im Krankenhaus. Jetzt werde ich wirklich langsam müde, Spatz. ... Ich komme dann gleich auch ins Wohnzimmer, Markus...", erklärte Lea ihrem Ex-Freund, der sich sogleich auf den Weg ins Wohnzimmer machte.

Lea wiederum setzte sich wirklich noch ein paar Minuten ans Bett der fünfjährigen Lilly, die der Ärztin ihr absolutes Lieblingsbuch nicht lange vorenthalten konnte. Doch sobald Lea auch nur eine Seite aus dem Buch gelesen hatte und sich dem Kind widmete, sie solle ihre Augen zumachen, um schnell einschlafen zu können, weigerte sich die Kleine krampfhaft dagegen.

„Tante... Tante Lea... Ist meine große Schwester wirklich... wirklich wirklich so ganz doll krank? So ganz ganz doll, wie mein Papa gesagt hat? Oder kann meine große Schwester... doch vielleicht schnell wieder nach Hause, weil es ihr ganz gut geht?", wollte die knapp Sechsjährige von der Mutter ihrer Halbschwester wissen und Lea klappte das Buch der Kleinen zu.

„Ach, das ist... Das ist nicht so einfach, Lilly. Weißt du, der Laura geht es wirklich ganz doll schlecht. Sie hat ganz hohes Fieber... Immer und immer wieder muss der Doktor von deiner großen Schwester ihr eine kleine Spritze geben, damit das Fieber wieder runter geht. Aber ganz oft hilft selbst die Spritze nicht gegen das schlimme Fieber von deiner Schwester. Es ist deshalb ganz wichtig, dass dein Papa morgen mit nach Leipzig fährt. Deine Schwester braucht ganz schnell Hilfe von ihm."

„Tante Lea, weißt du? Mein Papa ist auch ein ganz toller Doktor... Kinderdoktor, Tante Lea. Er macht im Krankenhaus ganz oft die kleinen Babys wieder gesund. Auch, wo ich geboren wurden bin, hat er mich wieder gesund gemacht... Ich habe nämlich kurz nach meinem Geburtstag einen ganz schlimmen Husten gehabt. Aber Papa war immer da... Und wenn das kleine Schwesterchen von meiner großen Schwester auf die Welt kommt, dann kann Papa das Baby auch ganz schnell wieder gesund machen...", erklärte Lilly ihrer "Tante" und Lea lächelte kurz, während sie sagte: „Und wenn deine große Schwester ein kleines Brüderchen bekommt?"
„Dann macht Papa das kleine Brüderchen von meiner Schwester wieder gesund, Tante Lea. Er ist ein ganz toller Doktor, weißt du... Die kleinen Babys werden immer ganz schnell wieder ganz gesund, wenn sich mein Papa um sie kümmert."

„Aber ich hoffe trotzdem nicht, dass sich dein Papa um mein Baby kümmern muss, wenn es auf die Welt kommt. Aber das hofft jede Mama, solange sie schwanger ist. Dass das Baby, wenn es soweit ist, gesund und munter auf die Welt kommt. ... Lilly, du solltest jetzt aber wirklich schlafen, Süße. Du brauchst in deinem Alter noch ganz viel Ruhe, damit du wachsen kannst."

„Ich möchte jetzt aber nicht schlafen, Tante Lea. Ich möchte lieber noch wissen, ob meine große Schwester Laura... wirklich ganz schnell wieder gesund werden darf..."
Lea, die keinen Moment daran zweifeln wollte, dass ihre große Tochter gesund wurde, nickte und antwortete: „Aber natürlich wird deine große Schwester wirklich wieder ganz doll gesund, Lilly. Sie wird, wenn wir in Leipzig am Bett deiner Schwester stehen, ganz vorsichtig von deinem Papa mit dem Stethoskop untersucht. Er hört ganz genau das Herz und die Lunge von deiner Schwester an und dann tut er der Laura ein kleines bisschen weh, weil er ihr Blut abnimmt... Aber dann kann dein ganz schlauer Papa sagen, was wichtig ist, wenn... Wenn deine große Schwester wieder gesund gemacht wird..."
„Aber... Papa tut doch meiner großen Schwester nicht weh! Er ist doch der Papa von meiner Schwester. Und... da darf er ihr nicht wehtun. ... Ganz anders, Tante Lea. Er muss meiner Schwester helfen, damit die anderen Doktors nichts Schlimmes mit Laura machen können... Und dass Laura nichts Schlimmes weh tut...", forderte die kleine Lilly und Lea lächelte kurz, bevor sie das Mädchen zudeckte und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. Anschließend knipste die Ärztin das Licht aus und verließ das Zimmer der knapp Sechsjährigen.


„Ist der kleine Sturkopf namens Lilly jetzt endlich im Bett?", erkundigte sich Markus bei Lea, als sie nach wenigen Minuten ziemlich abgekämpft wieder ins Wohnzimmer zurück kehrte und auf dem Sofa neben ihrem Ex-Freund Platz nahm.
„Ja... Ich denke, dass deine Kleine jetzt endlich schläft. Sie macht sich aber scheinbar auch wirklich sehr große Sorgen um ihre Schwester. Was hast du ihr denn von Lauras Zustand erzählt? Dass ihr so viel durch den Kopf geht.", erkundigte sich Lea, woraufhin ihr Ex-Freund sie ansah und nach einem kurzen Moment erklärte: „Ich habe vor Lilly keine Geheimnisse gehabt, Lea. Ich habe ihr das, was du mir am Telefon zu Lauras Zustand gesagt hast, erzählt. Ich weiß selbst ja leider immer noch nicht, was genau mit unserer Tochter los ist. Du willst mir ja nichts sagen..."

Lea atmete, während Markus mit ihr sprach, tief durch und fiel ihm mit der erschütternden Wahrheit einfach so ins Wort: „Laura hat Krebs... Sie ist an Leukämie erkrankt. ... Markus, ich... Es geht unserer gemeinsamen Tochter momentan wirklich sehr schlecht... Deswegen muss ich dich ja nach Leipzig holen. Als Lauras leiblicher Vater besteht eine weitaus bessere Chance, dass du für eine...", versuchte die besorgte Chirurgin ihrem Ex-Freund die Wichtigkeit, dass er mit nach Leipzig käme, zu erklären.

Markus sah die erfahrene Ärztin während ihrer Erzählung kurz an und glaubte nicht, was Lea ihm da von seiner großen Tochter erzählte. Laura, seine Tochter, sein kleines Mädchen, das er noch nicht einmal kannte, war todkrank und er sollte ihr helfen? Was dachte sich Lea dabei?
Erst hatte sie Markus den Kontakt zu seiner Tochter untersagt, ihm nicht einmal gesagt, dass es die heute Sechzehnjährige überhaupt gab. Und jetzt sollte er einem völlig fremden Kind...

„Sag mal, Lea... Wie lange weißt du eigentlich, dass ausgerechnet ich der Vater deiner Tochter bin? Seit heute? Seit gestern... vorgestern... oder doch schon seit mehreren Jahren... Vielleicht sogar schon seit Lauras Geburt?", fragte Markus vorwurfsvoll und Lea begann zu stottern, während sie antwortete: „Seit... Ich weiß es seit Lauras Geburt... Aber wir hätten damals nicht zusammen bleiben können, Markus. Ich kenne dich doch; dir ging immer das Studium vor. Und gerade an dem Tag, als ich dir erzählen wollte, dass Laura unterwegs ist, hast du mir unmissverständlich klar gemacht, dass du an einer Beziehung zwischen uns nicht interessiert bist. Und dass du auch keine Kinder willst... Deswegen habe ich die Reißleine gezogen... Ich habe Angst gehabt, dass ich mit einem Baby und meinem Job alleine bin..."
„Und deswegen hast DU MIR in den letzten Jahren MEIN Kind vorenthalten? ... Du hast mir nicht einmal erzählt, dass du schwanger gewesen... bist. Aber so warst du schon immer. Ich habe dich gar nicht anders kennen gelernt. ... Lea, ich hätte dich doch bei allem unterstützt, wenn ich nur damals gewusst hätte, dass... Dass du von mir schwanger bist. Dass wir beide ein Kind bekommen... Denkst du denn, ich hätte mich nicht gefreut, wenn du mir damals gesagt hättest, dass du schwanger bist? Ich wäre doch für unsere Tochter damals immer da gewesen, hätte liebend gern auf unser Kind aufgepasst... Wenn du mir nur im Ansatz die Chance gegeben hättest, unser gemeinsames Kind kennen zu lernen... Was ist eigentlich mit dem Vater von deinem Baby..." Markus deutete mit seinem Blick auf Leas Bauch, auf den die Ärztin ihre Hand beschützend legte. „Weiß er von dem Kind? Oder hast du es ihm auch nicht gesagt?"
„Ja, Jenne, mein Lebensgefährte, weiß von dem Baby... Er hat von der Schwangerschaft allerdings erst durch puren Zufall erfahren, als ich wegen einer Appendizitis im Krankenhaus lag und dann auch ziemlich schnell operiert werden musste. Aber... Markus, kann ich denn trotzdem mit deiner Hilfe rechnen?", fragte Lea und sah ihren Ex-Freund an. „Du als Arzt kannst einfach nicht von mir verlangen, dass ich unser gemeinsames Kind sterben lassen werde. ... Wir können unsere kleine Laura nicht im Stich lassen. Sie hat es einfach nicht verdient, an dieser schrecklichen Krankheit sterben zu müssen..."

„Sag mal, Lea... Kann es sein, dass du wegen Laura ein bisschen übertreibst? Steht es denn momentan wirklich so schlecht um unser gemeinsames Kind?", fragte Markus und Lea konnte gar nicht glauben, was sie da hörte.
„Ich hätte dich sonst nicht um deine Hilfe gebeten, Markus.", fuhr sie ihren Ex-Freund an, der kurz nachdachte, ob er Laura half und sich dann erkundigte: „Hat sie ihre Chemo denn eigentlich schon begonnen?"

Lea schüttelte den Kopf und erklärte, dass Laura in den letzten Tagen immer wieder sehr hohes Fieber gehabt hatte und sie noch lange nicht mit der Therapie beginnen könnten. „Aber darum geht es mir auch nicht vordergründig... Laura will ihren Papa kennen lernen. Auch, wenn sie momentan im künstlichen Koma liegt und nicht mitbekommen wird, dass... Dass du bei ihr bist. Aber... Du kannst sie trotzdem nicht im Stich lassen. Sie braucht in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten ganz besonders ihre Eltern. Und damit meine ich nicht nur mich, sondern auch dich als ihren Vater... Du hast eine Verantwortung für unser Kind."
„Lea, ich habe... Du hast mich mit der Nachricht über Laura und dass es sie überhaupt gibt, ziemlich überfallen. Ich habe erst vor fünf Jahren meine kleine Lilly... bekommen; die Scheidung von ihrer Mutter läuft momentan noch. Ich bin als alleinerziehender Vater seit einem halben Jahr auf mich allein gestellt. Und... jetzt habe ich auch noch Verantwortung für... für eine knapp Sechzehnjährige... die dazu auch noch todkrank ist... Lea, ich weiß momentan nicht, ob ich wirklich morgen mit dir zusammen nach Leipzig fahren kann. Zumal ich ja auch meine Lilly bei mir habe. Mein Bruder hat mir zwar vorgeschlagen, auf die Kleine aufzupassen. Aber... Ich habe einfach Sorge, dass ihr irgendwas... passiert, während ich bei deiner Tochter in Leipzig bin.", erklärte Markus und versuchte Lea zu deuten, dass er sich nicht sicher war, ob er nach Leipzig mitkommen würde.

„Wenn du BEI UNSERER Tochter bist...", konterte Lea, bevor sie erkannte, was ihr Ex-Freund ihr mit seiner Aussage eigentlich erklären wollte. „Ich kann also davon ausgehen, dass du morgen nicht mit mir zusammen nach Leipzig fahren wirst... Markus, LAURA IST DEINE TOCHTER! Sie ist UNSER GEMEINSAMES KIND! Deine leibliche Tochter! Ich kann mir nicht vorstellen, dass... Dass du deine Tochter wirklich... alleine lassen willst... LAURA BRAUCHT DICH, MARKUS! OHNE DEINE HILFE WIRD LAURA IN WENIGEN WOCHEN EINEN QUALVOLLEN TOD STERBEN MÜSSEN!", brüllte Lea ihren Ex-Freund verzweifelt an und hoffte, ihn wenigstens so von der Verantwortung überzeugen zu können, doch Markus stand einfach wortlos vom Sofa auf und verschwand aus dem Wohnzimmer.

Lauras verzweifelte Mutter Lea blieb allein im Wohnzimmer zurück und ließ erste Tränen über ihr Gesicht laufen, während sie an ihre todkranke Tochter dachte. Ihre kleine Laura würde sterben, das war ihr nach dem Gespräch mit Markus nun um einiges klarer geworden und, in den Gedanken an ihre Tochter gefangen, liefen ihr immer mehr Tränen in Bächen die Wangen hinunter.
„Laura... Laura, mein kleiner Liebling... Ich habe doch alles versucht... Ich wollte deinen Vater... nach Leipzig holen... Aber er will nicht... Er will dich wirklich im Stich lassen... Es tut mir so leid... Ich werde eine Entscheidung fällen müssen, Liebling... Aber diese Entscheidung... wird zu spät kommen...", weinte Lea und merkte in ihrer Verzweiflung nicht, dass Lilly plötzlich neben ihr stand.

„Warum weinst du denn?", fragte das Mädchen und Lea dachte im ersten Moment ihre große Tochter vor sich zu sehen.

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt