Folge 5 - Teil 12: Sorgenkinder

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„Laura... Das heißt also, dass Stefanie... Jetzt wird mir einiges sehr viel klarer... Warum Laura erst gezögert hatte, mir von den Tabletten zu erzählen... Stefanie muss Laura die Medikamente gegeben haben und meine Tochter danach... eingetrichtert haben, dass sie darüber kein Wort verlieren sollte. Bestimmt haben die Medikamente auch etwas mit der zu frühen Geburt der kleinen Emily zu tun!", wusste Lea und Niklas nickte bestätigend: „Das kann schon sein, Frau Kollegin. Aber das wichtigste ist jetzt erst einmal, dass wir ihre Tochter wieder auf die Beine bekommen. Das muss unsere erste Aufgabe sein. Alles weitere können wir dann später in Ordnung bringen. Dass ihre kleine Enkelin bei deren leiblicher Mutter aufwächst... ist zweitrangig... Ich weiß, Frau Kollegin, das klingt herzlos. Aber Emily ist momentan nicht wichtig..."
„Sie haben doch keine Ahnung, Dr. Ahrend. Meine Enkelin hat einen Herzfehler; sie kann genauso gut morgen oder übermorgen plötzlich tot sein!", brüllte Lea, bevor sie sich wieder an den Zusammenbruch und die anschließende Aufnahme ihrer Tochter in die Klinik erinnerte und sich an den Leiden ihrer Tochter die Schuld gab.

„Ich hätte damals viel mehr darauf pochen sollen, mein Kind selbst aufziehen zu können. ... Meine ehemalige Freundin hat meine Kleine mit ihren eigenmächtigen Entscheidungen in Lebensgefahr gebracht... Aber Stefanie wird davon nichts wissen wollen... Ich verstehe nicht, warum sie... so mit meinem Kind umgegangen ist. Laura hätte durch die Medikamente... und vor allem auch bei der zu frühen Geburt der Kleinen... sterben können. Meine kleine Laura...", seufzte Lea und erhob sich, um wieder zu ihrem Kind gehen zu können.

Vorher jedoch wollte sie von Dr. Ahrend erfahren: „Wie geht es eigentlich meiner Tochter, Herr Kollege? Haben sie endlich die Entzündung in den Griff bekommen? Oder quält sich meine arme Kleine immer noch damit herum?"
„Wir haben die Gebärmutterentzündung bei Laura jetzt anscheinend soweit mit den Medikamenten in den Griff bekommen, dass wir die Antibiotika langsam absetzen können. Aber ich möchte sie trotzdem bitten, nicht zu viel Verbesserung von Lauras Zustand zu erwarten, wenn sie jetzt zu ihrer Tochter gehen. Es geht ihr immer noch sehr schlecht; außerdem ist das Fieber noch nicht abgeklungen... Wir müssen weiterhin sehr viel Geduld haben, bis wir sagen können, dass alles wieder in Ordnung ist..."

„Wie lange muss ich denn noch warten und meinem Kind dabei zuschauen, wie es leidet?!", fuhr Lea den Gynäkologen an, riss ihm Lauras Krankenakte aus der Hand und lief auf die Intensivstation.


Dort piepte die Kreislaufüberwachung regelmäßig ziemlich laut und die Ärztin setzte sich, mit einem besorgten Blick auf das EKG-Gerät, ans Bett ihres schwer kranken Kindes.

„Hallo, meine kleine Laura. Ich bin es, deine Mami... Keine Angst, ich hab hier nur deinen Plüschhund, den du von deinem Stiefpapa bekommen hast... Jenne kennst du ja auch nur durch seine Stimme. Aber er hat sich schon in dich verliebt; in ihm hast du einen ganz tollen Ersatzpapa, wenn deiner mal keine Zeit für dich hat... Aber, mein kleiner Liebling, dass ich nicht vergesse, dir davon zu erzählen. Ich habe vorhin deinen Papa hier in der Klinik gesehen; er wird bestimmt bald bei dir sein und dir helfen." Lea schien sich damit sehr sicher zu sein und ließ fast keinen anderen Gedanken zu, als sie mit besorgtem Blick auf ihre Tochter sah. „Meine tapfere Kleine. Ich werde immer auf dich aufpassen."

Ganz behutsam nahm sich Lea die eiskalte Hand ihrer Tochter in ihre. „Du hast ja ganz kalte Hände, mein kleines Mädchen... Dr. Ahrend, der vorhin bei dir war, hat aber gesagt, dass es dir bald besser gehen wird. Die Antibiotika, die wir dir geben, brauchst du auch bald nicht mehr. ... Es geht langsam bergauf."

Das Piepen des EKGs kam Lea immer lauter vor und sie warf einen letzten Blick an die Geräte, die ihr anzeigten, dass sich Lauras Zustand zwar immer noch auf einem niedrigen Level befand, aber sich die Kreislaufwerte nicht akut verschlechterten, sondern zum Glück anscheinend stabil blieben.
„Ich bin bei dir, mein Mädchen. Dein Papa ist auch bald bei dir. ... Meine kleine Süße.", erklärte Lea ihrer Tochter und gab ihr einen Kuss, bevor die Ärztin bemerkte, dass sie nicht mehr alleine im Zimmer ihres Kindes war.

„Dr. Globisch...", erkannte Lea die Kollegin und legte die immer noch eiskalte und leichenblasse Hand ihrer Tochter unter die Decke, die sie extra dafür kurz ein Stück angehoben hatte. „Was machen sie denn hier? Ist irgendwas nicht in Ordnung?"
„Ich wollte nur einmal ganz kurz nach ihrer Tochter schauen, Frau Kollegin. ... Wie geht es Laura denn?", erkundigte sich Kathrin und Lea blickte auf ihr Kind, bevor sie antwortete: „Ich... Ich hab mit Dr. Ahrend gesprochen; die Antibiotika können langsam abgesetzt werden. Aber... Sie ist immer noch so heiß...", fiel Lea auf und sie schlug die obere Hälfte der Decke ein Stück zurück. „So, mein Liebling. Jetzt geht es dir gleich wieder besser...", versprach die Neurochirurgin und gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn. „Ich bin immer bei dir, mein kleiner Engel."
„Das klingt doch schon ganz gut, was mein Bruder sagt. ... Dann können wir ja auch bald mit der Behandlung von Lauras Leukämie beginnen. Und ihre Tochter aus dem Koma holen.", erklärte Kathrin und Lea sah die Kollegin erschrocken an.

„Sie wollen Laura... ausgerechnet jetzt... aus dem Koma holen?", fragte sie erschrocken und nicht sehr begeistert von der Idee der Ärztin. „Sie wissen doch genau, was für eine Qual auf Laura zukommt, wenn wir mit der Chemo anfangen! Ich würde es am liebsten sehen, wenn wir meine kleine Laura während der Behandlung vielleicht doch... in ihrem Koma belassen würden. Dann..."
„Sie wissen genau, dass wir den Zustand der Patienten überwachen müssen, Frau Kollegin. Aber sie können selbstverständlich während der Therapie ihrer Tochter beistehen. ... Wir hatten heute Morgen übrigens mit einem neuen Kollegen ein Gespräch; sie müssen sich also nicht auch noch mit dem Dienst quälen. Dr. Blankenburg wird voraussichtlich morgen oder übermorgen schon hier anfangen. Allerdings muss er vorher noch klären, dass seine Tochter versorgt ist..."
„Das... Das ist ja wunderbar.", versuchte es sich Lea nicht anmerken zu lassen, wie geschockt sie war, dass ausgerechnet ihr Ex-Freund ihr neuer Kollege sein sollte.

„Wir sind mit Frau Marquardts Wahl sehr zufrieden.", erklärte Kathrin, ihr fiel dann aber auf, dass mit Lea etwas nicht zu stimmen schien. „Ist alles in Ordnung, Frau Dr. Peters?"
„Ja... Ja, ich habe nur... momentan... ziemlich viel Stress. Meine Enkelin... liegt auf der Kinderstation; sie hat einen grippalen Infekt..."

„Ist es so schlimm, dass sie gleich auf die Station muss? Ihr Lebensgefährte hätte sich doch zur Not um die Kleine kümmern können, oder?", erkundigte sich Kathrin, bevor Lea etwas lauter wurde und der Anästhesistin erklärte: „MEINE ENKELIN HAT EINEN HERZFEHLER! Der Kollege... Dietrichs hat die Behandlung übernommen; er hat bei der Kleinen einen Herzultraschall gemacht."
Kathrin zuckte erschrocken kurz zusammen, fragte dann aber: „Und das haben sie bisher nicht gewusst, Frau Dr. Peters?" „Nein... Meine Freundin hat mir nichts gesagt...", antwortete die Neurochirurgin, bevor sie wieder auf Laura sah. „Ich hoffe nur, meine Große hat mir jetzt nicht zugehört. Ich weiß, wie sehr sie ihr Kind liebt. Und wenn sie jetzt vielleicht weiß, dass... Dass ihre kleine Maus im Krankenhaus liegt... Das wäre für Laura nicht schön. Dann könnte sie sich bestimmt nicht darauf konzentrieren, wieder gesund zu werden.", wusste Lea und streichelte ihrer Tochter über deren heiße Stirn.

„Ihre Tochter ist ein kräftiges Mädchen, Frau Kollegin. Sie wird den Krebs besiegen.", wusste Kathrin und legte ihre Hand auf Leas Schulter, bevor sie das Zimmer wieder verließ und Lea und ihr Kind alleine ließ.
„Laura, mein süßer, kleiner Liebling. Ich bin immer bei dir, versprochen. ... Du bist so ein tapferes Mädchen. Bald ist alles vergessen, Laura. Dann geht es dir wieder besser und wir können die verlorene Zeit aufholen, die wir nicht zusammen verbringen konnten. ... Ich muss dir doch deine Geschwister vorstellen, mein Liebes. Deine beiden Zwillingsgeschwister warten schon auf ihre große Schwester.", flüsterte Lea ihrer Tochter liebevoll in ihr Ohr und legte ihren Kopf neben Laura aufs Kissen.
„Ich bin immer bei dir.", seufzte Lea erschöpft, hielt Lauras Hand fest in ihrer und schlief, auf dem Kopfkissen ihrer Tochter liegend, ziemlich schnell ein.



In einer Wohnung im Leipziger Norden saß am Abend gegen halb Acht ein circa sechs- oder siebenjähriges Mädchen in ihrem Bett und weinte bittere Tränen, als ihr Vater durch einen kleinen Türspalt zu ihr ins Zimmer sah und fragte: „Lena... Lena, hey... Hey, meine kleine Süße. Was hast du denn? Was ist denn los?"

„Mein Bauch tut mir so doll weh... Papa... Das... Ich kann nicht schlafen...", jammerte das mit Lena angesprochene Mädchen und sah gequält zu ihrem Vater, der nun zu ihr ins Zimmer schlich und sich zu seinem Kind auf das Bett setzte.

„Dein Bauch tut dir schon wieder weh? Meine kleine Maus... Hast du heute irgendetwas Falsches gegessen? Oder was ist mit dir los?", fragte Lenas Vater seine Tochter behutsam und legte seine Hand ganz vorsichtig auf Lenas Bauch.

„Ich... Mein Bauch tat ganz plötzlich so schlimm weh... Papi, ich... Ich möchte jetzt noch nicht schlafen... Ich möchte zu dir ins Wohnzimmer kommen...", jammerte das kleine Mädchen und versuchte, aus ihrem Bett aufzustehen, wurde jedoch von ihrem Vater daran gehindert, der ihr vorsichtig zuflüsterte: „Du musst doch jetzt schlafen, meine Kleine... Pass auf, meine Süße. Ich mache dir jetzt noch eine Tasse Tee und deine Wärmflasche fertig. Und dann geht es dir bald wieder viel besser, das Problem kennen wir beide ja schon bei dir. ... Aber solltest du morgen wieder so schlimme Schmerzen haben, fahren wir gleich Früh zusammen zum Arzt... Oder besser gleich ins Krankenhaus."

„Möchte ich nicht... Papi, ich möchte morgen auf die Geburtstagsfeier meiner besten Freundin Klara gehen. Und mit der Hanna Globisch und... Klara spielen...", wusste Lena, doch ihr Vater schüttelte freundlich lächelnd den Kopf.

Lenas Vater, der neben seiner Tochter auf dem Bett saß und ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischte, gab der knapp siebenjährigen Lena, die seit einem halben Jahr in die Schule ging, einen Kuss auf die Stirn.
„Lena, Maus... Hey, meine kleine Süße. Ich weiß, dass du morgen gerne zu der Geburtstagsfeier von deiner besten Freundin gehen willst. Aber wenn du krank bist, dann... Dann kannst du leider nicht hingehen. Deine Gesundheit geht mir in solchen Fällen vor... Pass auf, Lena. Ich hole dir jetzt erst mal deinen Tee und deine Wärmflasche. Und dann bleibe ich bei dir, bis die Schmerzen abgeklungen sind und du endlich wieder schlafen kannst..."

„Papi... Papa... Ich will mit zu dir... Ich will nicht alleine in meinem Bett bleiben, Papa. Bleib bitte bei mir. Oder nimm mich mit ins Wohnzimmer. Und dann möchte ich bei dir im Bett schlafen. Wie damals, als Mama gestorben ist...", weinte die fast Siebenjährige und ihr Vater nickte kurz zur Bestätigung. „Na... Dann komm mal mit, meine Süße. Du kannst gerne mit zu mir ins Wohnzimmer kommen und dich dort noch ein bisschen hinlegen. Wenn du auf dem Sofa einschläfst, dann trage ich dich in dein Bett..."

Lenas Vater schlug die Bettdecke seiner Tochter, die in einem weißen Bezug mit einem großen Pferdemotiv steckte, zurück und seine Tochter wollte gerade aufstehen, als sie wieder eine sehr starke Schmerzattacke hatte und sich mit verzerrtem Gesicht und einem lauten Schreien wieder hinlegen musste, um nicht noch zusammenzubrechen.
Erschrocken sah Lenas Vater seine Tochter an und streichelte ihr über den Kopf: „Maus. Ich lasse dich heute Nacht auf keinen Fall hier alleine in deinem Bett schlafen... Komm, ich nehme dich auf den Arm und dann trage ich dich nach drüben ins Wohnzimmer. Du brauchst gar keine Angst zu haben. Ich lasse dich in deinem Zustand nicht alleine..."

Gerade wollte Lenas Vater seine vor Schmerzen wimmernde und weinende Tochter auf dem Arm nehmen, doch da stand die Sechsjährige doch von alleine aus ihrem Bett auf und ging, gestützt von ihrem Vater, ins Wohnzimmer, wo sie sich auf das große Sofa legte.
„Maus, ich mache dir erst mal einen Tee. ... Schau mal, Rexi kommt auch schon. Der macht sich Sorgen um dich und möchte dich trösten."
Ein großer brauner Schäferhund kam aus seiner Ecke und setzte sich vor das Sofa, auf dem Lena lag und vor Schmerzen weinte. Leise winselnd legte er seine Pfote auf Lenas Bauch und stupste mit der Nase das Oberteil des Schlafanzugs ein Stück nach oben, bevor er über Lenas Bauch leckte.
Der Hund schien momentan wirklich alles zu versuchen, um seinem Frauchen wenigstens einen Teil ihrer starken Schmerzen zu nehmen.

Die Siebenjährige jedoch jammerte weiter und das sogar immer lauter und stärker, weswegen ihr Vater seinen Plan in die Tat umsetzte und seiner Tochter erklärte: „Süße, das geht so nicht weiter... Du hast weder heute Mittag noch heute Abend etwas gegessen; jetzt liegst du hier und weinst vor Schmerzen. Ich hole dir was zum Anziehen und dann fahre ich mit dir sofort ins Krankenhaus. Die Uniklinik ist ja zum Glück nicht so weit weg..."
Die Aussicht, von ihrem Vater gleich ins Krankenhaus gebracht zu werden, machte Lena Angst und die Sechsjährige weinte.
„Ich will nicht ins Krankenhaus, Papa... Ich will nicht.", weinte die Kleine und versuchte, ihren Vater zu überreden, dass sie doch zu Hause bleiben durfte.

Doch Michael sah seine Tochter streng an und erwiderte, er würde jetzt nicht mit der Kleinen diskutieren. Gerade wollte er das Wohnzimmer in Richtung Kinderzimmer verlassen, da zog der Schäferhund den besorgt auf sein Kind schauenden Vater zu Lena zurück.
Rexi hatte wohl gemerkt, dass Lena durch seine ganz vorsichtigen und beruhigenden Handlungen nur noch mehr weinte, und deswegen wusste der Hund vermutlich, dass er Hilfe holen musste.

Zweimal bellte Rex laut und sprang auf das Sofa, wo er sich auf Lenas Beine auszuruhen wollen zu schien und seinen Kopf ganz sachte auf Lenas Bauch ablegte.
„Ja, ich weiß, Rex. Unserer armen Lena geht es schlecht. Ich fahre jetzt gleich mit Lena zum Doktor. ... Siehst du, meine Süße. Rex möchte deinen Bauch wärmen. Das tut dir doch bestimmt gut, oder?" Lena streichelte über den Kopf des Hundes und nickte, bevor sie jammerte: „Rex will nicht, dass du mich ins Krankenhaus bringst. Er will selbst mein Doktor sein und mich wieder gesund machen..."
Als hätte er es verstanden, hob der hellbraun-schwarze Schäferhund seinen Kopf kurz an, bellte noch einmal und winselte dann, als er sich wieder auf Lenas Bauch legte.

„Lena, ich kann es mir wirklich nicht länger mit ansehen. Du liegst hier und hast so starke Schmerzen, dass du weinst. Ich habe sehr große Angst um dich, meine Maus. Ich möchte nicht, dass du hier noch länger... Dass du dich noch länger mit den starken Schmerzen quälen musst. Ich fahre jetzt sofort mit dir zusammen ins Krankenhaus, Süße. Die Ärzte dort können dir doch etwas gegen die Schmerzen geben. Und dann kannst du viel besser schlafen, mein Liebling..."

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt