Folge 3 - Teil 11: „Laura ist tot..."

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In Leas Körper liefen die schrecklichsten Filme ab, als die Neurochirurgin tatenlos zusehen musste, wie ihr Kind wiederbelebt wurde. „Laura! Herr Brenner, jetzt tun sie doch was! MEINE TOCHTER STIRBT! MEIN KIND STIRBT!", brüllte die Medizinerin verzweifelt und wurde von Jenne in den Arm genommen, als Roland und Martin hinzukamen.

„Adrenalin! ... Herr Derbeck, bringen sie Dr. Peters raus!", brüllte Roland, während Martin die Reanimation von Laura übernahm und Hans-Peter Brenner in der Zwischenzeit schon das Adrenalin auf einer Spritze aufzog.
„DR. PETERS! GEHEN SIE RAUS!", brüllte der Klinikchef noch einmal und Jenne zog Lea aus dem Zimmer von Laura.

„Komm... Lea, komm. Du musst dir das jetzt nicht anschauen. Sie wird es schaffen. Sie wird es schaffen, Lea... Du musst deiner Tochter jetzt einfach vertrauen...", tröstete Jenne seine Lebensgefährtin und Lea kämpfte dagegen an, aus dem Zimmer gebracht zu werden.
„Ich... Ich muss meinem Kind helfen! Sie... Sie stirbt! MEIN KIND WIRD STERBEN! DR. HEILMANN, DR. STEIN! TUN' SIE DOCH ENDLICH WAS! LAURA WIRD STERBEN!"
Verzweifelt brüllte Lea in Rolands Richtung, bis Hans-Peter die Zimmertür schloss und die Jalousie herunterließ. Der Neurochirurgin wurde nun alles zu viel. Die Neurochirurgin riss sich nun endgültig aus Jennes Arm heraus und flüchtete aus der Intensivstation.
„Ich will hier weg! Ich will mein Kind!", brüllte die erfahrene Ärztin und rannte aus der Klinik.

Alles in ihr drehte sich; sie sah, wie die Autos vor der Klinik an ihr vorbeirasten, hörte die Stimme von Roland, der immer und immer wieder Adrenalin forderte und Lea raus schickte. Und dann – dann waren da noch diese verfluchten Bilder; die Bilder, als ihr Vater fast starb.

Wieder fühlte sich Lea so hilflos, als sie sich vor der Klinik, an eine der Steinsäulen gelehnt, auf den Boden sinken ließ und weinte. Sie ließ den Tränen einfach freien Lauf und hoffte, keiner würde sie so sehen.

„Dr. Peters?" Die Stimme der strengen Verwaltungschefin Sarah Marquardt drang durch Leas Ohren und sie sah kurz nach oben. „Was... Was ist denn passiert? Ist alles mit ihrem Baby in Ordnung?"
„Mein Baby? Ich... Meine Tochter... Laura... Laura ist tot...", schluchzte Lea, kämpfte sich nach oben und lief; lief, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Sie wollte einfach weg; weg von dieser Klinik; weg von der Wahrheit, dass ihre Tochter gerade im Begriff war, zu sterben.

Sarah Marquardt blieb ahnungslos und völlig verwirrt vor der Klinik stehen und konnte nur noch hinterherschauen, als Lea Peters weinend hinter der nächsten Häuserecke verschwand.


Die ganze Nacht über irrte Lea durch Leipzig, setzte sich ab und an auf Bänke, die ihr vor die Nase kommen und wurde am Morgen des nächsten Tages schließlich von einem ihr bekannten, jungen Mann geweckt.
„Lea!" Jennes besorgte Stimme drang ans Ohr der Neurochirurgin und sie spürte, wie der Handwerker an ihrer Schulter rüttelte, um Lea wieder wach zu bekommen.

Leise murrend knurrte Lea kurz und öffnete ihre Augen, die ihr nicht nur Jenne zeigten, sondern auch eine ältere Frau, die besorgt neben Jenne stand und fragte, ob sie helfen könne.

„Nein... Nein, sie können momentan nicht helfen. ... Lea... Lea, Süße. Was machst du denn für Sachen? Ich habe Angst um dich... um euch gehabt.", flüsterte Jenne, der seiner Liebsten auf die Beine half.
„Jenne... Jenne, was... Was machst du hier? Was ist passiert? Was... Wo ist Laura?", wollte Lea wissen, doch Jenne legte ihr seinen Zeigefinger auf den Mund.
„Ich bin da, Lea. Ich bin bei dir.", beruhigte der Handwerker die Ärztin und fügte dann an: „Laura geht es wieder besser. Ich hab die ganze Nacht bei ihr am Bett gesessen... Sie hat es überstanden; das Fieber ist wieder runter..."

„Ich... Ich habe mein Kind im Stich gelassen, als sie mich gebraucht hat! Ich habe meine Tochter alleine... Ich liebe Laura doch so sehr. ... Was bin ich nur für eine Mutter, die ihr Kind alleine lässt?", fragte Lea und schüttelte den Kopf.
Sie konnte es nicht glauben, dass sie durch halb Leipzig getigert war, obwohl ihr Kind sie doch so sehr gebraucht hätte.

„Lea, ich war bei ihr. Ich habe auf deine Tochter aufgepasst. Dr. Heilmann und Dr. Globisch haben Laura jetzt erst mal in ein künstliches Koma versetzt, damit sie sich erholen kann. Aber mach dir keine Sorgen, wir können Laura jederzeit besuchen...", beruhigte Jenne seine Lebensgefährtin noch einmal, während sich Lea in seine Arme warf.
Es machte ihr schwer zu schaffen, zu hören, dass ihre Tochter jetzt auch noch im künstlichen Koma lag, Lea also nicht den Hauch einer Chance hatte, ihrer Kleinen zu sagen, wie leid es ihr tat, sie im Stich gelassen zu haben.

„Sie hat während der Komplikationen nichts davon gespürt, dass es ihr so schlecht ging... Mach dir keine Sorgen; ich habe dafür gesorgt, dass Laura auch nicht alleine ist, wenn sie ins Koma gelegt wird.", versprach Jenne. „Sie war erst alleine, als sie tief und fest geschlafen hat."
„Aber... Ich muss zu meinem Kind! Ich muss zu meiner Tochter ins Krankenhaus. Ich will nicht so sein, wie meine Mutter, die mich im Stich gelassen hat. Ich will keine Rabenmutter sein, die ihr Kind im Stich lässt, wenn es seine Mutter so sehr braucht...", weinte Lea und riss sich aus Jennes Arm los.

„Lea... Hey, Lea. Wir schaffen das. Glaub mir. Ich bin immer für dich und deine Tochter da. ... Süße, ich habe die ganze Nacht bei deiner Großen verbracht. Sie war ein ganz tapferes Mädchen, als Dr. Heilmann ihr nach ihrem Zusammenbruch die Medikamente zur Narkose gegeben hatte. Ich habe auf deine Tochter aufgepasst, Lea..."
„Aber... Jenne, Laura hat Krebs; sie ist an Leukämie erkrankt. Ich kann dir jetzt zu jeglichen Behandlungsmethoden bei Leukämie einen Vortrag halten. Aber was ich nicht kann... Ich kann dir keine Hoffnung machen, dass... Dass meine Tochter überlebt. Sie hat schon einmal eine Leukämieerkrankung hinter sich gebracht und... ein Rückfall der Krankheit... ein Rezidiv ist immer schwerer zu behandeln, als die erste Erkrankung...", wusste Lea ganz genau und wollte sich gerade aus dem Staub machen, als Jenne sie erneut am Arm festhielt und tief durchatmete.

„Dann... Lea, wenn deine Tochter wirklich an Leukämie erkrankt ist... Ich schreibe in meinem Blog, dass sich alle meine Leser für eine Spende... testen lassen sollen. Ich starte unter meinen Handwerkerkollegen einen Aufruf. Lea, ich lasse deine Tochter in ihrem Schicksal nicht alleine. Und ich lasse es auch nicht zu, dass du wegen Laura dein Baby... unser gemeinsames Baby abtreiben wirst..."
„Jenne, ich kann aber dieses Baby nicht austragen. Wenn Laura doch stirbt... Dann muss ich mich um meine kleine Enkeltochter kümmern. Die kleine Nina ist momentan zwar bei Lauras Freund, aber... Ich muss mich doch auch um das süße Mädchen sorgen. Sie ist schließlich mein Enkelkind."
„Dann werden wir uns gemeinsam um dein kleines Enkelchen kümmern.", erkannte Jenne, doch wieder schüttelte Lea den Kopf und widersprach: „Ich will nicht, dass du dir noch Hoffnungen machst, Jenne. Es ist aus; unsere Beziehung... das wird nichts mehr. Ich will einfach nicht, dass unser Kind... ein typisches Trennungskind ist. Was auch noch den Streit zwischen ihren Eltern mitbekommt. Sie soll nicht in dem Glauben aufwachsen, dass sie an unserer Trennung schuld ist."

„Sie? Wir bekommen also wirklich ein Mädchen?", fragte Jenne und schien wieder voll und ganz auf der Seite seines Babys, das bei Lea unter dem Herzen zu einem kräftigen Mädchen heranwuchs, zu stehen.
„Ja, wir werden ein kleines Mädchen bekommen. Wenn ich das Baby austrage. Was ich aber aufgrund von Lauras Erkrankung nicht machen kann. Ich werde nicht meine große Tochter sterben lassen; nur, weil ich mein ungeborenes Kind schützen will." Energisch riss sich Lea ein zweites Mal aus dem Griff von Jenne und verschwand in Richtung Klinik.



In der Sachsenklinik wurde gerade wieder eine Dienstbesprechung abgehalten, als Dr. Kaminski abgekämpft hinzukam, als sich Roland und Martin gerade wegen eines Patienten stritten.
„Oh... Dr. Stein und Dr. Heilmann sind sich mal nicht einig...", witzelte der Urologe, als er sich an den großen, in der Mitte des Raumes stehenden Tisches setzte und dem Streit der beiden Ärzte folgte.

„Du hast die Patientin behandelt, also hast du auch die Konsequenzen zu tragen, Martin. Als sich der Zustand von Frau Behrens verschlechtert hat, warst du wieder einmal nicht zu sprechen, weil du unbedingt in Erfurt einen Patienten operieren musstest..."
„Dr. Moreau hat mich angerufen und wollte nur einen Rat... Wir haben aber während des Telefonats gemerkt, dass der Patient weit mehr braucht, als nur ein paar Medikamente. Herr Hagen war sehr besorgt und hatte große Angst vor der Operation und weil ich den Patienten kannte, bin ich hingefahren. ... Ich darf dich dran erinnern, dass auch andere Kollegen immer öfter nach Erfurt fahren... Erst vorigen Monat war der allseits Kollege Dr. Schnechter von der Kinderstation in Erfurt gewesen und hat Dr. Ahlbeck bei einer OP geholfen."
„Aber trotzdem hast du dich auch und vor allem um deine Patienten hier zu kümmern, Martin!", wurde Roland ein wenig lauter und ungehaltener, als sich der Oberarzt den Anweisungen seines Vorgesetzten energisch widersetzte.

„Ich habe mich um meine Patienten hier in der Klinik gekümmert. Und die Dienstreise nach Erfurt war mit dir und Frau Marquardt abgesprochen; wir haben uns geeinigt, dass ich in Erfurt den Patienten operiere..."
„Das weiß ich, Martin. Aber du hast nicht nur die OP durchgeführt, sondern gleichzeitig auch noch Urlaub gemacht. Eine OP dauert keine drei Wochen!", wurde Roland wieder lauter und Martin schüttelte den Kopf.
„Ich hatte in Erfurt einiges zu tun...", gab der Gefäßchirurg zur Antwort, bevor sich Kathrin einschaltete und die beiden Männer zu beruhigen versuchte.

„Roland... Martin... Das ist doch jetzt kein Thema für die Dienstbesprechung. Ich bitte euch... Kommt wieder runter. ... Wir wollten in dieser Zusammenkunft hier noch über die Behandlung von Laura Falken sprechen. Hat jemand von Ihnen mit Dr. Peters gesprochen?"
„Noch nicht. Dr. Peters ist seit gestern Nachmittag verschwunden; Herr Derbeck, der Stiefvater der Patientin, hat die Beobachtung von Laura übernommen.", berichtete Hans-Peter Brenner und warf interessiert einen kurzen Blick in die Krankenakte von Laura.
„Gut... Roland, ich schlage vor, dass wir heute noch die Knochenmarkbiopsie bei Laura machen werden, damit wir endlich wissen, woran wir bei der Patientin überhaupt sind. Lauras Fieber ist zwar immer noch hoch, aber heute können wir den kurzen Eingriff trotzdem wagen...", erkannte die Anästhesistin anhand der letzten Eintragungen in Lauras Krankenakte, doch Roland erklärte: „Ich glaub, du hast etwas sehr Wichtiges vergessen, Kathrin. ... Wir haben die Einwilligung der Sorgeberechtigten zu der Operation noch nicht vorliegen; Frau Falken zieht es momentan vor, nicht in der Klinik zu erscheinen."

„Das ist auch besser so...", murmelte Kaminski. Sehr ungern erinnerte sich der Urologe an das letzte Zusammentreffen mit der Frau zurück und war umso froher, als Stefanie Falken die Sachsenklinik nach einem letzten vergeblichen Aufbäumen endlich verlassen hatte.

„Gut... Wir werden mit dem Jugendamt sprechen, die können in dem Fall eine schnelle Entscheidung treffen, was das Sorgerecht für Laura betrifft. ... Dr. Brentano, wie geht es der Patientin Glick?" „Die hat sich erstaunlich schnell von ihrer schweren Lungenentzündung erholt; ich denke, wir können die Patientin morgen schon wieder aus der Klinik entlassen. Ich habe erst kurz vor der Besprechung noch einmal nach der Patientin gesehen.", erklärte Philipp und Roland nickte, bevor Sarah an die Tür klopfte und der Klinikchef die Besprechung beendete.

„Roland, wir sollten noch sprechen wegen... des Mutterschutzes von Frau Dr. Peters; lange kann sie schließlich auch nicht mehr arbeiten." „Sarah, Frau Dr. Peters ist erst in der 13. Woche... Wir können mit ihr auf jeden Fall noch ein paar Monate rechnen. Du kennst die Kollegin doch...", wusste Roland, doch Sarah hatte eine ganz andere Vermutung.
„Wer sagt dir denn, dass Frau Dr. Peters nicht wegen ihrer großen Tochter bald einen Urlaubsantrag einreicht und für den Rest der Behandlung ihrer Tochter nur noch als Mutter beistehen will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie den Spagat zwischen Muttersein und ihrem Arztberuf lange durchsteht..."

„Da kennen sie Dr. Peters aber sehr schlecht, Frau Marquardt...", meinte Philipp, der Lea von den Kollegen am längsten und vielleicht auch am besten kannte. „Lea und ich haben zusammen studiert; ich kenne Lea sehr gut und lange. Wir... Wir hatten auch einmal etwas miteinander...", gab der Chirurg zu, als Arzu vor der Tür stand und die Aussage ihres Mannes ganz genau mitbekam.

Schon von jeher hatte Arzu das Gefühl, dass Philipp ihr irgendetwas verheimlichte, wenn sie Zeit gemeinsam verbrachten. Sie wusste schon von Anfang an, dass Philipp mit Lea zusammen studiert hatten und sie sich daher so gut kannten. Doch gerade in den letzten Tagen, in denen Philipp in der Klinik übernachtet hatte, vermutete die Ehefrau des Oberarztes, dass er ein Verhältnis hatte.
Die Oberschwester nahm allen Mut zusammen und trat ins Ärztezimmer, um Klinikchef Dr. Heilmann und Chefärztin Dr. Globisch Bescheid zu geben, dass es wohl Laura immer noch schlecht ging.
„Dr. Heilmann, Dr. Globisch. Die Patientin Laura Falken ist immer noch sehr instabil; sie sollten noch einmal nach ihr schauen... Vermutlich spürt sie, dass ihre Mutter nicht bei ihr ist..."

„Ist Dr. Peters immer noch nicht wieder da?" „Nein, noch habe ich Dr. Peters nicht gesehen. Ich war eben gerade bei Laura im Zimmer und habe nach ihr geschaut, aber sie war alleine.", erklärte Arzu, während sich Rolf, der im Hintergrund am Computer saß, große Sorgen um Lea zu machen schien.
„Ich denke, Dr. Peters wird zu Hause sein und für den Umzug ihrer Tochter alles vorbereiten. Aber Herr Derbeck war doch bei Laura..."
„Ist unterwegs... Auf der Suche nach Dr. Peters.", gab Arzu als Antwort, bevor Roland nickte und erklärte: „Wir gehen gleich zu Laura... Kathrin, komm..."

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt